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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
„Türkisch ist für mich die Sprache der Liebe und Melancholie. Arabisch eine mystische, spirituelle Melodie. Deutsch die Sprache des Intellekts und der Sehnsucht. Englisch die Sprache der Freiheit.“
Schreibt Kübra Gümüşay in ihrem Buch „Sprache und Sein“. Die Aktivistin, die als Kind türkischer Eltern in Deutschland aufwuchs und in London studierte, verfügt über ein Spektrum, das beispielhaft für die Generation der heute um die Dreißigjährigen mit migrantischen Eltern oder Großeltern steht.
Viele der Philosophen, die im Laufe der Jahrhunderte mit ihren Ideen beeindruckten, gingen von der Vorstellung aus, dass Menschen idealtypisch eine einzige Sprache verwenden und Gesellschaften bloß mit einer einzigen Religion verknüpft sind. Obwohl es Migration immer gegeben hat, wurden Zwei- und Mehrsprachigkeit in derartigen Gedankengebäuden meist nicht oder wenig berücksichtigt. Im Gegenteil, lange wurde vor Menschen mit mehreren Sprachen gewarnt, einerseits aus Klassenbedenken – Dialekt galt eben nicht als vollwertige Sprache –, andererseits aus xenophobischen Gründen. In feudalen und kirchlichen Kreisen wurden hoch angesehene Sprachen wiederum als Abgrenzung gegenüber dem Volk und zur Bildung eines grenzüberschreitenden Netzwerkes eingesetzt. Überlegungen zum Verhältnis von Sprache und Identität unter Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit gab es bislang im deutschsprachigen Raum – außer in pädagogischer Hinsicht – wenige.
Sprache bedeutet jedoch auch Sprachraum und Zugehörigkeit, die den anders Aussehenden, eine andere Kultur Lebenden, eine andere Religion Ausübenden von der Mehrheitsgesellschaft nicht fraglos zugestanden werden. Und Fremdsprache ist nicht gleich Fremdsprache. So ist es in der bürgerlichen Gesellschaft erstrebenswert, dass der Nachwuchs in internationalen Kindergärten und Schulen Französisch oder Englisch spricht. Türkisch, Arabisch, Bosnisch etc. werden jedoch mit Abwertung bedacht.
Sprache ist also bloß ein weiteres Indiz einer Ausgrenzung, die sich auf mehreren Ebenen zeigt. Gümüşay unterscheidet in ihren Überlegungen zwischen unbenannten und benannten Menschen. Erstere stehen für eine Mehrheitsgesellschaft, die als Norm gesetzt wird. Die Benannten hingegen sind jene, die sich für ihre Anwesenheit zu rechtfertigen haben, weil sie Anomalien im Weltbild der ersteren bilden. So erzählt die Autorin, eine gläubige Muslimin, mit Kopftuch noch dazu, wie sie ständig dazu angehalten wird, Auskunft in Sachen Islam und Frauen zu geben, zu erklären und zu relativieren. Eine Aufgabe, die sie einige Jahre lang übernahm, inzwischen jedoch ablehnt, weil sie als Mensch gesehen werden möchte, nicht als typische Repräsentationsfigur der muslimischen Weltbevölkerung:
„Wenn ich, eine sichtbare Muslimin, bei Rot über die Straße gehe, gehen mit mir 1,9 Milliarden Muslim*innen bei Rot über die Straße.“
Die Autorin zeigt solche Stereotypisierungen in sprechenden Beispielen auf, welche ihr Sein als Individuum verhindern. Da sie und andere Benannte öffentlich nur sprechen sollen, um sich den vorurteilsbehafteten Fragen der Unbenannten zu stellen, befindet sie sich in einem Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen gibt. Inzwischen weigert sich Gümüşay, die als Bloggerin aktiv ist und als öffentliche Rednerin in Talkshows, TED-Talks, Arbeitskreisen etc. in Erscheinung getreten ist, auf derartige Argumente einzugehen. Sie will nicht mehr die „intellektuelle Putzfrau“ sein, wie sie sagt, und den von feindseligen Einstellungen und Klischees aufgewirbelten Staub wegräumen müssen.
„Wer davon lebt, einen Feind zu bekämpfen, hat ein Interesse daran, dass er am Leben bleibt,
zitiert sie dazu Nietzsche. Ihre Gedanken, ihre Erfahrungen und die von Kolleginnen wie Mely Kiyak, Vanessa Vu, Margarete Stokowski, selbstbestimmte Frauen mit migrantischem Hintergrund, die ihre Stimmen öffentlich erheben, dafür Hass und Rassismus ernten, sind aufschlussreich, berührend, kämpferisch und liebevoll. Sie helfen den Unbenannten die Perspektive der Benannten einzunehmen, nachzufühlen und hoffentlich in Zukunft bessere Fragen zu stellen. Hier noch der Link zu einem Interview.
Das Buch: KÜBRA GÜMÜSAY: Sprache und Sein. Hanser Berlin 2020
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Danke für den piqd. Habe dieses großartige Buch gleich gekauft und gelesen. Es ist ein relativ schmales Buch, das aber so viele unterschiedliche spannende Aspekte des Zusammenlebens in einer Gesellschaft bespricht.
Was es so toll macht zu lesen, sind die Bezüge zum Alltag anhand von persönlichen Erfahrungen, viele, aber nicht nur, von der Autorin selbst. Ein großes Augenöffner- Buch.
Sprache und Sein, der Titel trifft es sehr gut. Aber die Autorin geht noch weiter: nicht-privilegierte Menschen sind es viel mehr gewohnt, die Realität aus mehr als einer Perspektive zu sehen. Privilegierte, die es ja oft gewohnt sind, Macht und Einfluss auszuüben, dagegen fehlt diese Erfahrung und macht sie daher oft ignorant gegenüber den Argumenten bzw der Realität anderer Schichten, Klassen, Ethnien, Religionen etc. Was es braucht ist Neugier und echtes Interesse am scheinbar „anderen“ Mitmenschen sowie die Einsicht, dass die Realität zumeist komplexer ist, als es aus der persönlichen Perspektive erscheint. Oder auch die Einsicht, dass die eigene Meinung nicht absolut ist, sondern wir alle offen sein sollten.
interesant.
ich habe mich zb schon häufig gefragt wieso es etwa keinen türkisch oder arabisch Unterricht an unseren Schulen gibt - für alle schüler meine ich.
Auch entsprechende Fortbildungen bzw. qualifikationsanforderungen für Lehrer. Mindestens ein zwei derartige Lehrer sollte es an jeder schule geben (=gibt ja auch Auflagen wie zb Ersthelfer-quote).