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Das erste Date nach der Scheidung
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
Kurator'in für: Fundstücke Liebe, Sex und Wir Kopf und Körper
Theresa Bäuerlein schreibt am liebsten über die Hintergründe gesellschaftlicher Phänomene für verschiedene deutsche Medien. Themen, die sie dabei immer wieder faszinieren, sind Liebe und Sex mitsamt der dazugehörigen Industrie und Ernährungsfragen. Genau so gerne gräbt sie sich aber in jedes andere Thema ein, das ihren Kopf zum Surren bringt.
Leslie Jamison schreibt immer wieder wunderbare Essays. In diesem hier geht es um etwas ganz Alltägliches, eigentlich: Jamison beschreibt, wie es für sie war, sich nach ihrer Scheidung im Alter von 36 wieder in die Dating-Szene zu begeben.
Es war ein Jahr her, dass ich mit meiner Tochter, die kaum 2 Jahre alt war, ausgezogen war, und in diesem Jahr hatte ich hauptsächlich auf dem gelebt, was ich den Planeten Frauen nannte: umgeben von Freunden, die sich stark auf meine Mutter stützten. Ich stand kurz davor, die Scheidungspapiere zu unterschreiben. Es war tiefer Winter: kurze Tage, klirrende Kälte, in der U-Bahn drängten sich alle mit ihren laufenden Nasen zusammen. Es war schon lange her, dass mich jemand außer meiner Tochter in Unterwäsche gesehen hatte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben benutzt sie fürs Dating eine App. Das macht ihr anfangs Angst:
Ich hatte Angst vor Ablehnung, und ich hatte Angst, von den Krümeln der Bestätigung abhängig zu werden. Ich war eine nüchterne Alkoholikerin, die seit einem Jahrzehnt nichts mehr getrunken hatte. Aber die Art und Weise, wie ich nach „Likes“ für einen Tweet jagte, machte deutlich, dass mein altes Ich immer noch da war, durstiger denn je. Ich hatte Angst, ihr eine App zu geben, wäre so, als würde ich ihr ein Glas Wein geben: Sie würde immer mehr wollen, immer mehr, immer mehr. Die Apps fühlten sich an wie ein ausdrückliches Geständnis von Absicht und Verlangen: Ich will das, ich suche das. Und diese Intentionalität war mir unangenehm. Ich zog die Version der Dinge vor, in der mich das Universum einfach mit einem netten Treffen in einem Café überfiel und ich nicht die Verantwortung für mein Verlangen übernehmen musste.
Jamison beschreibt, wie sie versucht, eine Brücke zwischen der Person zu schlagen, die sie vor ihrer Ehe war und der, die sie jetzt ist und in Zukunft sein will. Das ist verwirrend, und so datet sie eine Weile zwei Männer gleichzeitig:
Die gleichzeitige Verabredung mit diesen beiden Männern – von denen der eine auf eine vergangene Version von mir selbst und der andere auf meine Zukunft hinweist – kristallisierte etwas über das fruchtbare Fegefeuer dieses Moments in meinem Leben heraus, als ich 36 Jahre alt war und zwischen Jugend und mittlerem Alter gestrandet war: Ich fühlte mich so jung bei den ersten Verabredungen, in diesen Momenten, in denen ich mich fragte, ob mich jemand auf dem Bürgersteig küssen würde und wie es sich anfühlen würde. Aber ich spürte auch mein Alter: den wesentlichen Unterschied zwischen dem, was ich früher mit Männern gemacht hatte, und dem, was ich jetzt tat. Der Unterschied war meine Scheidung, das Leben, das ich versucht hatte, aufzubauen, und der Unterschied war meine Tochter, das Leben, das ich mit ihr aufbauen musste.
Viel passiert nicht in diesem Essay, aber Jamison beschreibt ihren inneren Kämpfe und Fragen so poetisch und anschaulich, dass man alles mitfühlt.
Quelle: Leslie Jamison Bild: Sunny Wu EN www.thecut.com
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