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Klima und Wandel

Wieso Fleischverzicht viele Konservative so auf die Palme bringt

Ralph Diermann
Energiejournalist

Strom, Wärme und Mobilität – das sind meine Themen. Ich arbeite seit 2008 als freier Energiejournalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, für Riffreporter sowie für einige Fachzeitschriften.

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Ralph DiermannMittwoch, 16.08.2023

Warum gelingt es rechten Politikern so gut, mit dem Thema Fleischverzicht die Massen zu mobilisieren? Weshalb springen so viele Leute – meist Männer – im Dreieck, wenn mal ein Experte darauf hinweist, dass es vielleicht nicht so gut ist, weder für die Gesundheit noch für das Klima, wenn wir Fleisch in rauen Mengen verzehren?

Eine Antwort hat darauf der Guardian: Das liegt daran, dass viele Menschen den Fleischkonsum als einen Ausdruck besonderer Maskulinität betrachten. Die Autorin Alicia Kennedy leitet ihre Thesen zwar aus der US-Gesellschaft und -Historie ab, sie lassen aber auch Rückschlüsse auf die Gemütslage in Deutschland zu.

So zeigen Studien, dass Menschen, die ein autoritäres, dominanzgeprägtes, rückwärtsgewandtes Weltbild haben, mehr Fleisch essen als der Durchschnitt der Gesellschaft. Für sie sei Fleischverzehr eine Demonstration von Virilität, Macht und Naturbeherrschung. Verkörpert werde das von der Figur des Cowboys, des jederzeit mutigen, unerschrockenen Viehhüters in der Einsamkeit des Wilden Westens (der übrigens auch für den Genozid an den Native Americans steht, die das Land zuvor genutzt haben, so die Autorin – ein kulturimperialistischer Aspekt des Mythos Cowboy, der oft vergessen wird). Das Halten riesiger Viehherden in den Great Plains geht einher mit dem Aufbau gewaltiger Schlachthöfe, die große Mengen an Fleisch zu günstigen Preisen unter das Volk brachten.

Hollywood hat kräftig am Bild des heldenhaften Cowboys gepinselt, so Kennedy. Und auch die Werbung der Fleischindustrie, die in ihren Kampagnen mehr oder weniger subtil auf dieses Motiv anspielen. Es ist so wirkmächtig, dass sich auch die Demokraten noch nicht getraut haben, die Industrie etwas einzuhegen.

Wieso Fleischverzicht viele Konservative so auf die Palme bringt

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Kommentare 19
  1. Monika Kienle
    Monika Kienle · vor mehr als ein Jahr

    Diese Argumentation ist mir zu spezifisch.
    Zum einen ist Fleischkonsum für viele immernoch ein ökonomischer Status, such wenn das faktisch nicht mehr stimmt. Zum anderen scheint das Grillen die letzte maskuline Bastion.
    Mein Nachbar, selbständiger Zimmermann, verliert über die letzten 12 Jahre, wegen Rückenschmerzen und Motorradunfall, seine Domänen. Ich höre mit welchen Worten er seinen Sohn beim Grillen einweist. Da geht es um Maskulinität (heiß und gefährlich) und um den Versorger der Familie.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als ein Jahr

      ist aber auch sehr spezifisch - vielleicht würde es zwischen den beiden auch bei allem anderen "darum" gehen?

  2. Hermann J. F. König
    Hermann J. F. König · vor mehr als ein Jahr

    Es geht m. E. hier doch primär um das richtige Maß des Verzehrs und nicht um den völligen Verzicht auf Fleisch.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als ein Jahr

      word...
      wie in fast allem: freiwillige Einschränkung, noch weit weg vom wirklichen Verzicht, würde schon locker 50% des möglichen Effekts aktivieren. Leider zu selten Thema.

    2. Niels Benedikter
      Niels Benedikter · vor mehr als ein Jahr

      Stimmt. Gerade deshalb interessant, dass es viele Konservative total triggert wenn man sagt "ich hab mir heute einen vegetarischen Burger fuer mich mitgebracht". Man nimmt niemandem das Recht auf ungesunde Ernaehrung weg, trotzdem muessen die Konservativen dir dann immer erstmal ungefragt erklaeren, dass dein veganes Patty scheisse sei.

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als ein Jahr

    ...ich halte da eine noch viel tieferliegende Psychodynamik für wirksam. Nämlich dass Fleisch einfach der schnellste Energielieferant ist.
    Und: es ist halt einfach eine bequeme Mode geworden, dem linksgrünversifften Mainstream seine Verbotslust vorzuwerfen, wo immer höchstoffensichtlich klar wird, dass allgemeines Interesse sich mit mit individuellem Privileg beisst. So wurde aus den Grünen die Partei, die allen immer das Fleisch verbieten will, weil sie einen Veggie-Day in der Woche in öffentlichen (also steuerfinanzierten) Kantinen vorgeschlagen hat.

    https://www.zeit.de/po...

    1. Niels Benedikter
      Niels Benedikter · vor mehr als ein Jahr

      Seit wann ist bitte Fleisch der schnellste Energielieferant? Eine Banane ist ein schneller Energielieferant.

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als ein Jahr

      @Niels Benedikter dann nehm ich alles zurück und behaupte das Gegenteil, wenn du das weisst. Hab ich 100mal irgendwo gelesen. Auffällig auch, wie sehr viele Tiere, die grundsätzlich vegetarisch funktionieren, extrem scharf auf Fleisch sind, wenn sie es bekommen können.

    3. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Niels Benedikter Auch meinem Empfinden nach ist ein schönes Stück Fleisch zwar ein Sattmacher, aber so schnell wird die Nahrungsenergie vom Körper nicht verarbeitet. Und das kostet ihm selbst auch noch viel Energie. Rotes Fleisch verzehre ich inzwischen sehr selten, eher mal Geflügel. Fleisch ist aber ein wichtiger Eiweißlieferant - können Menschen mit schwerer körperlicher Tätigkeit und Sportler ganz ohne Fleisch auskommen? Für die meisten dürfte jedoch eine ausgewogenere Ernährung möglich und auch gesünder sein, ohne dies vorschreiben zu müssen.

      Zucker liefert schnelle Energie besonders fürs Gehirn. Für Süßwaren-Werbung sind wohl daher Kinder und Erwachsene anfällig, genauso wie für Deftiges. Und kaum eine industrielle Fleischsoße kommt ohne Zucker aus, Fast-Food etc. Die Muster sind ähnlich: www.spiegel.de/spiegel...
      Vor etwa 10 Jahren gab es eine aufschlussreiche Doku, die die Rolle der US-dominierten internationalen Zuckerlobby bei der süßesten Verführung zum Anstieg des weltweiten Zuckerverbrauchs (um 30 Prozent in wenigen Jahrzehnten) analysierte.

      Vgl. auch https://de.wikipedia.o...

    4. Monika Kienle
      Monika Kienle · vor mehr als ein Jahr

      Fleisch erdet zuallererst. Eine Zen-Lehrerin hat der Gruppe (6 Tage vegan schweigend, sitzend - wir waren alle sehr intuitiv, leicht, extrem wahrnehmend, mancher kurz vor einer Erleuchtung) mal den Tipp gegeben, wenn Euch das im Alltag/in der Welt behindert, esst Fleisch: dann kommt ihr sofort runter.
      JA, so habe ich es erlebt. Es war wie eine Bruchlandung, die meditative Energie verschwunden.

    5. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als ein Jahr

      @Monika Kienle sehr interessant! Und für mich auch irgendwie schlüssig.

  4. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

    Naja, hier wird ein Essay stark verallgemeinert.

    In Europa entstanden Wörter wie Sonntagsbraten im Deutschen oder Sunday roast im Englischen lange vor dem Leitbild Kuhjunge. Bei Wikipedia heißt es dazu: Im Jahr 1785 schrieb die Berlinische Monatsschrift: „Ich weiß, wie dem Handwerksmanne der Sonntagsbraten schmekt, wenn er sich die ganze Woche mit einem Gemüse beholfen hat."

    Noch in meiner Familie mütterlicherseits, die lange arm war, aß man samstags eine Suppe, um sich am Sonntag Fleisch leisten zu können. Der vegetarische/vegane Umbruch dagegen erfolgt vor allem in den traditionellen Wohlstandsgebieten des Westens.

    Der immer noch gravierende weltweite Anstieg des Fleischkonsums hängt mit dem ökonomischen Aufstieg von Menschen in Asien und Lateinamerika zusammen. In China dürfte das Leitbild des Kuhjungen nicht sehr stark sein.

    Oder was übersah ich?

    1. Ralph Diermann
      Ralph Diermann · vor mehr als ein Jahr

      Danke für die interessante Ergänzung. In anderen Kulturen ist Fleischverzehr vermutlich eher Ausdruck von Wohlstand als von Virilität, ja. Wobei die Grenzen da aber fließend sein dürften.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

      @Ralph Diermann Ja, die Grenzen dürften fließend sein. Der Auf- oder Abstieg erfolgte oft durch den Familienvater, der beim Sonntagsbraten oft das größte Stück bekam. Deshalb sprechen auch viele Rechte vom Schutz der Familie.

    3. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor mehr als ein Jahr

      Ich glaub, man darf nicht vergessen was da für eine massive Industrie dahinter steht und entsprechend was für eine Lobby mit Geld und Macht und Einfluss. Der Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung gibt einen Überblick.
      https://www.boell.de/d...

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

      @Daniela Becker Ausgezeichnet, dass Du den Fleischatlas verlinkst.

      Allerdings kommt der industrielle Aspekt im Guardian-Artikel am Beispiel der USA vor.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Daniela Becker Steht nicht hinter allem, was wir tun irgendeine massive "Industrie" oder sogar mehrere?

    6. Niels Benedikter
      Niels Benedikter · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Nein. Hinter vielen, aber nicht hinter allem.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Niels Benedikter Ich überlege gerade, hinter welchen Bereichen unseres täglichen Lebens es keine großen Lobby-Vereine mit politischen und wirtschaftlichen Interessen gibt?

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