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Klima und Wandel

Mit Attribution den Klimaschutz vor Gericht bringen

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerDienstag, 12.10.2021

Am Oberlandesgericht (OLG) Hamm ist eine ungewöhnliche Zivilklage anhängig, die dem Kampf für mehr Klimaschutz eine völlig neue Dynamik geben könnte. Geklärt werden muss die Frage, ob der deutsche Konzern RWE für die Produktion von Treibhausgasen haftbar gemacht werden kann. Geklagt hat der Peruaner Saúl Luciano Lliuya, der in den Anden lebt und fürchten muss, dass eine Flutwelle wegen der anhaltenden Gletscherschmelze sein Dorf hinwegspült. Der Essener Kohlekonzern, so die Argumentation, sei mit seiner massiven Produktion von Treibhausgasen maßgeblich mitverantwortlich für das Abschmelzen der Andengletscher. RWE ist für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, deshalb soll sich der Konzern mit 0,47 Prozent an Vorsichtsmaßnahmen – etwa einem Abpumpen des Wassers – beteiligen.

0,47 Prozent dürften nur ein paar Euro ausmachen. Doch würde der Peruaner Recht bekommen, wäre es nicht nur das Ende von RWE. Inselstaaten wie die Malediven könnten dann RWE auf Schadensersatz verklagen, Indonesien von RWE einen Ausgleich für die toten Korallenriffe fordern, die Bauern aus Bangladesch RWE wegen dem Verlust ihrer Böden haftbar machen – und so weiter (RWE könnte niemals all die Schulden begleichen, die dann aufgetischt würden). Würde der Peruaner Recht bekommen, wären bald auch andere Konzerne dran: Shell zum Beispiel, die Lufthansa, Gazprom, E.on oder ExxonMobil, die schon im vergangenen Jahrhundert wussten, dass ihre Geschäfte das Klima schädigen – dies aber verheimlicht hatten.

Klagen für mehr Klimaschutz: Die Stadt New York zog beispielsweise gegen ExxonMobil, BP, Chevron, ConocoPhillips und Shell vor Gericht. Hauptpunkt der Anklage: Die Fossilkonzerne seien verantwortlich für Klimaschäden in der Stadt, New York muss bereits heute immense Summen dafür ausgeben, sich gegen den steigenden Meeresspiegel zu wappnen. In den Niederlanden verurteilte ein Gericht nach Klage von Klimaschützern die Regierung zu mehr Klimaschutz. Auch in Deutschland hatte eine solche Klage Erfolg.

"Climate Change Laws of the World" heißt eine Datenbank, die Klimaklagen weltweit sammelt und zur Verfügung stellt. "Wenn von der Politik ungenügende Maßnahmen ergriffen werden, hat das immer häufiger Klimaklagen zur Folge", sagt die Brasilianerin Joana Setzer, die als Rechts- und Umweltwissenschaftlerin an der London School of Economics diese Datenbank mit aufgebaut hat. In einem sehr empfehlenswerten Interview sagt sie:

Ich bin sicher, dass die Zahl der Klimaprozesse weiter zunehmen wird. Denn einerseits versteht die Gesellschaft die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels immer besser. Und andererseits sind Gerichte immer genauer über Klimawandelfolgen informiert, erkennen die Dringlichkeit zu handeln und sind deshalb bereit, bei ihren Entscheidungen neue, mutigere Wege zu gehen.

Setzer hält zum Beispiel auch Schadensersatzklagen aufgrund von Extremwetterereignissen wie den heftigen Überschwemmungen im Ahrtal für denkbar. Dazu müsse man darlegen, dass ohne den Klimawandel derart extreme Regenfälle sehr unwahrscheinlich gewesen wären. Dies leiste die Attributionsforschung; mit ihr konnte gezeigt werden, dass ohne den Klimawandel solch ein Ereignis "nahezu unmöglich" gewesen wäre. Setzer:

Bei Klagen auf Schadensersatz ist die Attributionsforschung zentral. Fordert man Unternehmen auf, für etwas zu bezahlen, dann muss man zeigen, worauf diese Forderung beruht und warum man einen ganz bestimmten Betrag verlangt.

Und als gutes Beispiel führt sie die Klage des peruanischen Bauern an: Das Gericht habe nun den Kläger und RWE gebeten, Experten zu benennen, die die Attribution in diesem Fall evaluieren.

Mit Attribution den Klimaschutz vor Gericht bringen

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Kommentare 1
  1. Jürgen Klute
    Jürgen Klute · vor 3 Jahren

    Vielen Dank für den Hinweis!

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