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Im Moment ist die EU-Taxonomie für Energie-Investitionen in aller Munde, wo es um unscharfe, aber dafür aufgeladene Worte geht wie "nachhaltig" und "grün". Die Klimawirkung des Taxonomiebeschlusses ist kaum zu quantifizieren. Es sind aber die Zahlen, die zählen, und die stehen in den Gesetzentwürfen, die die Kommission im Juli 2021 unter dem Titel "Fit for 55" veröffentlicht hat. Der Name spielt auf das dort formulierte Reduktionsziel für die jährliche CO₂-Emission der EU an: 55% weniger als 1990.
Am 8. Juni ist für den größeren Teil der zum FF55-Paket gehörenden Gesetze Einigkeit im Europäischen Parlament (EP) erzielt worden. Das Gesamtpaket scheiterte jedoch an diesem Tag spektakulär wegen dreier Gesetze: über die Reform des Emissionshandelssystems, die Einführung des Grenzausgleichs und den Klimasozialfonds. Am 22. Juni wurde es dann nach einigen weiteren Kompromissen angenommen, die eine erhebliche Verschlechterung gegenüber dem Entwurf des Umweltausschusses darstellen.
Der gepiqte Text der EP-Presseabteilung gibt einen Abriss der umstritten gewesenen drei Fit-for-55-Gesetze und Links zu den Anderen, über die man sich bereits am 8. Juni geeinigt hatte.
Um das Ganze in einen Rahmen zu setzen, hier ein kurzer Exkurs über das Gesetzgebungsverfahren der EU. Es sieht vor, dass die
(1) Kommission die Initiative hat und einen Gesetzestext vorschlägt. Das Parlament macht daraus - wenn es die Initiative nicht gerade unverändert übernimmt -
(2) einen in seinem Sinne verbesserten Vorschlag. Der wird in der Praxis vom Fachausschuss formuliert und muss dann vom Parlament gebilligt werden. Der für Klimafragen zustädige heißt ENVI. Dann geht der Text zum Rat der EU*, auch kurz Rat oder Ministerrat genannt, in dem die jeweiligen Fachminister, in unserem Fall die Umweltminister, sitzen. Wenn dieser nicht mit dem EP-Vorschlag übereinstimmt, arbeitet er
(3) einen "gemeinsamen Standpunkt" (typischer EU-Jargon) aus, der ans Parlament zurückgeht. Das kann diesen dann
(4) ablehnen, annehmen oder nochmals ändern. Die Kommission kann die Änderungen ablehnen, was aber vom Rat überstimmt werden kann. Am Ende landet der Entwurf
(5) in einem gemeinsamen Vermittlungsausschuss, wo man sich dann zusammenraufen muss.
Das EP hat nun also Punkt (2) erledigt und in einem schwierigen Prozess eine Position formuliert, die den Kommissionvorschlag teils übernimmt, teils modifiziert.
Auch der Rat hat inzwischen seine Verhandlungs-Ausgangsposition festgelegt, die sich in einigen wesentlichen Punkten von der des EP unterscheidet. Damit ist auch Punkt (3) erledigt.
Die Vorschläge des Rats sind weniger ambitioniert als die des Parlaments, die ihrerseits weniger ambitioniert sind als die der grünen Fraktion. Eine empfehlenswerte, (wenn auch blossmäßig etwas unübersichtliche) Analyse dazu hat der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss hier geliefert.
Im Folgenden eine nicht vollständige Liste von Themen, um die es geht:
Was den oben skizzierten Ablauf angeht, gehe ich davon aus, dass Punkt (4) obsolet ist, weil das Parlament auf seiner Version beharren wird. Damit beginnen in Kürze die nervenaufreibenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, die dann in einen Kompromiss münden werden.
Die Konzepte der "großen Drei" (Kommission, Rat, Parlament) unterscheiden sich größtenteils nur in Details: Prozentsätzen, Einführungszeitpunkten u.Ä., weil der Kommissionsvorschlag bereits eine sehr gute Vorlage war.
Die Fülle dieses trockenen Materials ist ermüdend und befriedigt in keiner Weise das Bedürfnis des Medienkunden nach leicht verständlichen und unterhaltsamen Neuigkeiten. Aber sie zeigt annäherungsweise die Vielschichtigkeit der Problematik und der Ansätze, mit denen die EU sie zu lösen versucht. Es ist diese harte Arbeit an Zahlen und Kompromissen, die am Ende den Erfolg zeitigen wird.
Hoffe ich.
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* Nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat, dem die Regierungschefs angehören und der allgemeine Ausrichtung und Prioritäten festlegt.
** Der Basiswert ist das Mittel der Emissionen zwischen 2008 und 2012, mit einigen Anpassungen, und liegt nach meinen Berechnungen bei 1950 Mt.
*** Für Exporteure bleibt der Nachteil jedoch bestehen, da eine Rückzahlung der Emissionskosten bei Export nicht vorgesehen ist. Das ist gemäß dieser Studie die "Achillesferse" des CBAM. Bisher waren dort folgende Produkte enthalten: Eisen und Stahl, Raffinerieprodukte, Zement, Dünger, organische Grundchemikalien. Neu hinzu kommen sollen alle organischen Chemikalien, Plastik, Wasserstoff, Ammoniak. Außerdem sollen neben direkten auch die indirekten Emissionen des Produktionsprozesses, d.h. die der Elektrizitätserzeugung, eingeschlossen werden. (Quelle) Man erkennt, dass es sich um standardisierte Massenprodukte handelt. Für Stückprodukte ist eine halbwegs brauchbare Zuordnung von Emissionen zu aufwändig.
**** Warum ein extra System? Weil die Dekarbonisierungskosten für Verkehr und Gebäude wesentlich höher sind als im ETS-Sektor. In einem einzigen großen System würden die billigen Bereiche zuerst vollständig dekarbonisiert und danach erst die teuren. Man möchte aber dass alle Bereiche ungefähr parallel vorangehen, um Kosten durch zu abrupte Veränderungen zu vermeiden. Später einmal, wenn die Emissionspreise ähnlich sind, könnten beide Systeme verschmolzen werden.
Quelle: Thomas Haahr, Dana Popp Bild: Kampan/Adobe stock EN www.europarl.europa.eu
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