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Klima und Wandel

Die "kalte Jahreszeit" verschwindet – was das für Folgen hat

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerMittwoch, 08.02.2023

Dieser Winter ist schon längst zu Ende! Zumindest wenn es nach den Ergebnissen der Phänologen geht. In der Phänologie – der Lehre der Erscheinungen – ist "Winter" nämlich als jene Jahreszeit definiert, in der die Natur ihre Erscheinungen nicht ändert. Und weil es um Silvester herum besonders warm war, hat in diesem Jahr die Haselblüte längst begonnen – und damit der Vorfrühling. Allergiker haben das natürlich längst gemerkt: Schon ein leichter Lufthauch genügt, und Wolken aus gelblichen Pollen setzen ihnen zu. Haselsträucher sind Frühblüher, die Zeigerpflanze für den phänologischen Frühlingsbeginn.

Da auch der Herbst immer später einsetzt, hat sich der phänologische Winter von ehemals 120 Tagen auf 102 Tage verkürzt, wie der Deutsche Wetterdienst herausgefunden hat. Für Wärmeliebhaber und den Füllstand der Gasspeicher ist das eine gute Nachricht, die Natur steht hingegen vor einschneidenden Veränderungen. Zum Beispiel die Gottesanbeterin Mantis religiosa. In den 80er-Jahren gab es in Deutschland nur eine kleine Population im Kaiserstuhl, das kleine Mittelgebirge vulkanischen Ursprungs in der Oberrheinischen Tiefebene zählt mit seinem mediterranen Klima zu den wärmsten Orten Deutschlands. Aber dann begann der Klimawandel mit immer wärmer werdenden Sommern und immer milderen Wintern: Viele Insekten, denen es früher hierzulande zu kalt war, breiteten sich aus dem Süden immer weiter nordwärts aus. Die ursprünglich aus Afrika stammende Gottesanbeterin ist heute bis nach Berlin-Schöneberg gewandert, wo es eine stabile Population gibt, die überwintert.

Was skurril klingt, ist tatsächlich hochgefährlich: Die Asiatische Tigermücke zum Beispiel stammt, wie der Name sagt, aus den asiatischen Tropen. Erstmals im Süden Deutschlands wurde 2007 eine Population entdeckt, mittlerweile ist eine solche im thüringischen Jena nachgewiesen. Das Unangenehme an dieser Mücke ist: Sie verbreitet tropische Krankheiten wie das Dengue-Virus, das Chikungunya-Virus oder das West-Nil-Fieber-Virus. 2020 gab es bereits erste Fälle von West-Nil-Virus in Deutschland.

Der warme Winter schadet auch der Landwirtschaft, wärmere Temperaturen beschleunigen die Entwicklung der Pflanzen und reduzieren den Ertrag. Die ersten Landwirte in den warmen Gegenden des Landes sind schon dazu übergegangen, die Sommergerste im Herbst oder Winter auszusäen, der Wintergerste macht der Klimawandel immer mehr zu schaffen. Zudem wird das Gleichgewicht des Ökosystems gestört, das über Jahrhunderte präzise abgestimmte Zusammenspiel zwischen Kälte und Entwicklung wird für immer mehr Arten zur Todesfalle: Bienen oder Hummeln beispielsweise halten Winterruhe. Fliegen sie jedoch bei lauen Temperaturen aus, weil sie die für den Beginn des Frühlings halten, finden sie keine Nahrung.

Wenn man den Vorhersagen Glauben schenkt, steht den Bestäubern genau das in der kommenden Woche bevor: Die Temperaturen steigen örtlich bis auf plus 12 Grad an. Dadurch wird der Winter 2022/23 voraussichtlich erneut deutlich zu mild abschneiden, nur ein historisch kalter Februar könnte die Winterbilanz noch ins Negative drehen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, es bleibt für die Jahreszeit zu mild. Damit erlebt das Land den zwölften zu warmen Winter in Folge, allmählich verabschiedet sich der Winter aus unseren Breitengraden.

Die "kalte Jahreszeit" verschwindet – was das für Folgen hat

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