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Klima und Wandel

Die Eindeichung der Nordsee gegen den Anstieg des Meeresspiegels

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerMittwoch, 19.02.2020

Ein renommiertes Forscherteam schlug gerade vor, die Nordsee im Kampf gegen den steigenden Meeresspiegel einzudeichen. Notwendig wäre es, einen Damm zwischen Norwegen und Schottland zu bauen sowie einen zwischen Frankreich und England. 637 Kilometer müssten beide Dämme lang und 100 bis 320 Meter hoch – also tief – werden, was die Wissenschaftler Sjoerd Groeskamp vom Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ) und Joakim Kjellsson vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) aber technisch für machbar halten. Auf 250 bis 550 Milliarden Euro taxieren sie die Kosten, was in ihrer Rechnung aber wesentlich billiger wäre, als wenn die Anrainer von Nord- und Ostsee ihre Küsten selbst gegen den Meeresspiegelanstieg schützen würden. Allein die deutsche Küste ist 3.600 Kilometer lang.

Die Erderwärmung lässt die Meere steigen, ein Anstieg, der sich aus zwei Ursachen speist, dem Schmelzen der Gletscher zum einen und andererseits aus der Physik – wärmeres Wasser dehnt sich aus. Die thermische Ausdehnung plus des Zustroms von Schmelzwasser ließen die Pegel im 20. Jahrhundert um 15 Zentimeter ansteigen. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts kamen jedes Jahr drei Millimeter hinzu, danach waren es schon 3,7 Millimeter pro Jahr. Das klingt nicht viel, bedeutet aber, dass der Meeresspiegel am Nordsee-Pegel Cuxhaven bereits 40 Zentimeter höher liegt als in der Zeit vor der Klimakrise. Bei einem Anstieg des Ozeanpegels um zwei Meter würden 25 Millionen Menschen ihre Heimat verlieren, besonders die Niederlande sind betroffen, aber die deutsche Nordseeküste, Dänemark, das Odertal oder die Küste der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren.

Natürlich wirft das Projekt eine Reihe von Fragen auf: In den 13 betroffenen Anrainer-Staaten leben – Russland ist nicht eingerechnet – 316 Millionen Menschen. Hält die Mehrheitsgesellschaft die Schäden der 25 Millionen Betroffenen für hinnehmbar, oder hält sie die Kosten des Dammbaus – immerhin ein Drittel eines Staatshaushaltes der Bundesrepublik – für vertretbar? Woher sollen die rund 51 Milliarden Tonnen Sand für den Dammbau kommen, die benötigt werden? Was wird aus dem Biotop Nord- und Ostsee, wenn es keinen Wasseraustausch, keine Gezeiten, keine Verbindung mehr zum Atlantik gibt? In Venedig wird bereits seit 17 Jahren an einem Sperrwerk gebaut: Warum sollte das Deichprojekt in der Nordsee besser funktionieren? Und ist es nicht vielleicht doch besser, jetzt schneller aus der Kohle auszusteigen, um den Meeresspiegel-Anstieg wenigstens auf unter zwei Meter zu begrenzen?

Die Eindeichung der Nordsee gegen den Anstieg des Meeresspiegels

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Kommentare 9
  1. Jan Leiten
    Jan Leiten · vor einem Jahr

    Wie kommt der Autor hier auf ein Drittel des Staatshaushaltes Deutschlands? Die Rechnung passt nicht. Ich werde mal die Primärquelle lesen, um zu schauen, wie man sich die Frage der Zu und Abflüsse vorstellt? Ob wohl eine Netto-Verdunstung vorliegt aufgrund der Fläche der Nordsee?

  2. Gregor Rosen
    Gregor Rosen · vor mehr als 4 Jahre

    Es klingt erst einmal nach Gigantomanie, aber möglicher Weise ist es im Gegenteil die schlichteste Variante, um ein großes Problem zu lösen. Wenn es technisch machbar und sicher ist, dann wären die hier aufgerufenen Kosten trotz allem überschaubar. Man müsste dann überlegen, ob man nicht gleich den Meeresspiegel im neu eingedeichten Bereich konsequent absenken und so Landgewinnung betreiben sollte. Bei nur 100 Meter herabgesenktem Meeresspiegel würde man aus der Ostsee eine Fahrrinne zu den bisherigen Hafenstädten machen und die Nordsee würde an all Ihren Rändern gewaltige Flächen freigeben, die allemal mehr wert wären als 550 Mrd. Euro. Wenn man einen nicht unerheblichen Teil der gewonnen Flächen mit Wäldern bepflanzen würde, könnte sogar die Ökobilanz ganz gut aussehen.

  3. Michael Engelnkemper
    Michael Engelnkemper · vor fast 5 Jahre

    Wasser dehnt sich bei Wärme aus? Seit wann ist das so?

    1. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor fast 5 Jahre

      Also mindestens seit ein paar Milliarden Jahren und ab 4 Grad Celsius Wassertemperatur. Wie sich übrigends so ziemlich alles ausdehnt, wenn es wärmer wird...

    2. Michael Engelnkemper
      Michael Engelnkemper · vor fast 5 Jahre · bearbeitet vor fast 5 Jahre

      @Nick Reimer Wasser hat bei 4 Grad seinen schwersten Punkt. Es dehnt sich allerdings nur im Wechsel zum festen Aggregatzustand aus. In flüssiger Form auch schon seit ein paar Mrd. Jahren nicht 😉 (Siehe Anomalie des Wassers)

    3. Veit Nottebaum
      Veit Nottebaum · vor fast 5 Jahre · bearbeitet vor fast 5 Jahre

      @Michael Engelnkemper Also diese Grafik verdeutlicht recht gut, dass sich die Ausdehnung NICHT nur auf den Wechsel des Aggregatzustands beschränkt, sondern auch die Temperaturbereiche >+4°C betrifft: https://de.m.wikipedia...

    4. Markus E
      Markus E · vor fast 5 Jahre

      Wasser dehnt sich oberhalb von 4°C schon immer aus, bei 20°C ca. 0,02 Vol% pro Grad Erwärmung. D.h. dass bei dieser Temperatur und einer Wassertiefe von 1000m durch Erhöhen der Wassertemperatur um 1°C der Pegel um 20cm steigt.

    5. Michael Engelnkemper
      Michael Engelnkemper · vor fast 5 Jahre

      @Markus E Ok. Mea Culpa, wieder was gelernt 🙏

  4. Andreas P.
    Andreas P. · vor fast 5 Jahre

    Eine Trump-Mauer unter Wasser für die Klimaschützer.

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