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Klima und Wandel

Der Klimawandel verändert die Jahreszeiten

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerFreitag, 12.03.2021

Die "Phänologie" ist die "Lehre von den Erscheinungen": Es geht um den jährlichen Wachstumszyklus von Pflanzen und Tieren: Phänologen interessieren sich beispielsweise für den Beginn der Blattentfaltung, für den Beginn der Blüte, für den Beginn der Blattverfärbung, das Ende des Laubfalls.

Die älteste phänologische Beobachtungsreihe ist mehr als 1.300 Jahre alt: Seit dem Jahr 705 wird in Japan von Gelehrten des kaiserlichen Hofes "Sakura" dokumentiert, der Tag, an dem die Kirschblüte beginnt. Um einzelne Extremjahre auszugleichen, werden in der Phänologie wie in der Klimaforschung Durchschnittswerte über längere Zeiträume gebildet – wie auch in der Klimaforschung. Seit etwa 1800 begann die durchschnittliche Blüte in Kyoto immer am 106. Tag. Doch Mitte des 20. Jahrhunderts bricht die Kurve Linie plötzlich ein: Die Kirschblüte beginnt immer öfter immer früher, im Jahr 2019 entfalteten die Knospen ihre rosa Farbe in der Kaiserstadt bereits am 86. Tag des Jahres. Japans Wetteragentur legte in ihrem "Climate Chance Monitoring Report" 2017 dar, dass die Kirschen in den letzten sechs Jahrzehnten jedes Jahr früher blühten, mit einem Trend von einem Tag früher pro Jahrzehnt.

Natürlich ist das kein exklusiv japanisches Phänomen: Im Mittel der Jahre 1961 bis 1990 begann die Apfelblüte in Hessen am 126. Tag im Jahr, im Zeitraum 2010 bis 2018 öffneten sich die Blüten bereits am 112. Tag – also bereits zwei Wochen früher. Im langjährigen Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 war der phänologische Winter in Deutschland 120 Tage lang, im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2018 hingegen waren es nur noch 103 Tage.

Der Klimawandel verändert die Jahreszeiten – das belegt nun auch eine Studie chinesischer Forschende. Demnach werden die Sommer seit 1952 immer länger, während sich Frühjahr, Herbst und Winter verkürzen. Konkret verlängerte sich der Sommer im Schnitt von 78 auf 95 Tage, dadurch wird er um 4,2 Tage pro Dekade länger, wie die Forschenden berichten. Setzt sich dieser Trend fort, könnte der Sommer zum Ende des Jahrhunderts fast ein halbes Jahr dauern – mit erheblichen Folgen für Mensch, Natur und Wetter.

Um die Dramatik mal am Kuckuck zu illustrieren: 9.000 Flugkilometer legt der Vogel aus seinem Winterquartier in Afrika zurück, um pünktlich Anfang Mai Deutschland, seine Kinderstube, zu erreichen – jedes Jahr. Weil der Frühling aber immer eher beginnt, sind seine "Wirtsvögel" – Teichrohrsänger, Grasmücken, Bachstelzen – da längst hier und brüten. Denn diese Teilzieher fliegen im Winter weniger weit gen Süden, sind viel eher zurück, ihr Brutbeginn richtet sich nach Temperatur, Nahrungsangebot, nach phänologischem Frühlingsbeginn. Vielerorts sind sie längst Eltern, wenn der fernreisende Kuckuck bei uns eintrifft, er findet dann niemanden mehr, dem er seine Eier unterschieben kann. In Deutschland steht der Kuckuck mittlerweile mit einer Vorwarnung auf der "Roten Liste" der bedrohten Arten. Weniger als 69.000 Paare soll es hierzulande noch geben, Tendenz abnehmend.

Der Klimawandel verändert die Jahreszeiten

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