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Klima und Wandel

Covid-19 und die Klimakrise zusammen denken – ein Aufschlag

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerDienstag, 31.03.2020

Warum bei Covid-19 der Ausnahmezustand herrscht und Staaten beherzt handeln – aber nicht bei der Klimakatastrophe: So lautet die Unterzeile des Debattentextes von Fabian Scheidler in der taz. In der Tat ist das eine Frage, die auch mich umtreibt: Plötzlich scheint angesichts des Virus fast alles möglich, plötzlich werden demokratische Grundrechte handstreichartig eingeschränkt, und alle machen mit. Weil es so sein muss im Kampf gegen die Gefahr.

Und weil diese ganz real ist, werden Dinge erwogen, die sonst undenkbar erscheinen: 

Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben öffentlich darüber nachgedacht, große Industriekonzerne vorübergehend zu verstaatlichen, um sie vor dem Kollaps zu bewahren. Billionenschwere Rettungspakete werden international auf den Weg gebracht, um die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren – Geld, das für einen sozial-ökologischen Umbau angeblich nie da war.

Scheidler spricht von einem "Kontrast", der umso seltsamer ist, da doch die Corona-Epidemie selbst nach den düstersten Prognosen um vieles weniger tödlich sein wird als ein ungebremstes Klimachaos: "Gewiss: In der Pandemie müssen wir Menschen schützen, vor allem die Risikogruppen. Aber warum gilt nicht das Gleiche für Klimaopfer?" Es geht Scheidler um das Vorsorgeprinzip der Politik. Und – wenn ich ihn richtig verstehe – um Vernünftigsein der Wähler: also nicht rausgehen, nicht kontakten oder wenn es unumgänglich ist, dann nur mit gehörigem Abstand und möglichst mit Mundschutz!

Aber gilt das Vorsorgeprinzip nicht auch beim Klimaschutz? Seit 30 Jahren ist das Problem bekannt, seit 30 Jahren gibt es in Deutschland ein Klima-Ziel, seit 30 Jahren fehlt es hierzulande aber an einer Vorsorgepolitik durch die Regierenden in Sachen Klimaschutz. Einen Buchladen zu schließen, ist in Zeiten von Corona problemlos möglich, SUVs in den Innenstädten zu untersagen in Zeiten der Klimakrise jedoch nicht. Den Fleischkonsum zu drosseln wird als Ökodiktatur verschrien und der Kohleausstieg gefährdet Arbeitsplätze. Das Schließen von Restaurants natürlich auch, aber das ist in der Gefahr schon OK! Scheidler:

Wie kommt es zu diesem Kontrast? Warum wird Covid-19 als eine Gefahr identifiziert, die es rechtfertigt, Grundsätze und unsere Grundrechte plötzlich über Bord zu werfen, während beim Klima seit Jahrzehnten nichts geht? Warum sind die Leben gegenwärtiger und künftiger Klimaopfer so viel weniger wert als die von Menschen, die durch Covid-19 gefährdet werden?

Eine spannende Debatte, die es lohnt, jetzt anzustoßen. Dabei können Scheidlers Antworten nur ein erster Aufschlag in der Diskussion sein. Denn in seinem Schluss ist mir seine Antwort zu einfach:

Die Opfer des Klimachaos sind vor allem die ärmsten Menschen auf der Erde, insbesondere im Globalen Süden. Das Corona-Virus dagegen macht vor den Schranken von Klasse und Nationalität nicht Halt. Auch reiche weiße Männer in den Industriestaaten sind gefährdet.

Covid-19 und die Klimakrise zusammen denken – ein Aufschlag

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Kommentare 2
  1. Leon Leuser
    Leon Leuser · vor mehr als 4 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

    Ich glaube jeder der zum Klimaschutz arbeitet, dürfte sich angesichts dessen, was dieser Artikel gut auf den Punkt bringt derzeit die Sinnfrage stellen! Was wurde hier in den vergangenen 40-50 Jahren eigentlich falsch gemacht.
    Ein Punkt der hier sicherlich eine Rolle spielt ist die Klarheit mit der Virologen und Epidemologen sprechen und deutlich sagen, was zutun ist. Zu solch "politischen Aussagen" lassen sich Klimawissenschaftler weniger hinreisen.

    1. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor mehr als 4 Jahre

      Ist das so? Der Zwei-Grad-Politik liegen die Kippelemente zu Grunde, ein Konzept, das Ende der 90er von Wissenschaftlern erarbeitet wurde und danach in die Klima-Verhandlungen Eingang fand. Aussagen von Leuten wie Joachim Schellnhuber, Andreas Fischlin oder Stefan Rahmstorf fand ich immer sehr klar. Und beim IPCC gibt es seit 1990 die "Zusammenfassung für Politikmacher" - viele Seiten klarster politischer Aussagen (und Ansagen). Sprechen Virologen also eine deutlicher Sprache? Oder wird Ihnen nur deshalb besser zugehört, weil das Schreckensszenario, dass sie verkünden, drei, vier Tage später tatsächlich eingetreten ist?

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