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Klima und Wandel

Anzeichen für eine Beschleunigung der Erderwärmung

Dominik LennéMittwoch, 28.06.2023

Im gepiqden Artikel werden vier Größen vorgestellt, die sich in den letzten Monaten klar in die falsche Richtung bewegt haben. Ich möchte dies einordnen, aber auch etwas weiter ausholen, um einem vorsichtigen Skeptizismus Ausdruck zu verleihen. 

Achtung, eine Menge Details!

  • Das globale Mittel der Oberflächen-Lufttemperatur entsprach für eine kurze Zeit gerade einer +1,5 °C-Welt, d. h. dass sie mehr als 1,5 °C über der für diesen Monat gültigen Basistemperatur liegt. Das kam schon einige Male vor und liegt an den statistischen Schwankungen. Bis die Mehrheit der Jahresmittelwerte darüber liegt, dauert es noch ca. 6 Jahre. Nicht wirklich beruhigend, aber zumindest im Rahmen des Erwartbaren.
  • Der Ozean ist an der Oberfläche ungefähr 0,3 °C wärmer als die höchste bisher gemessene Wassertemperatur um diese Zeit; der Temperatursprung des letzten Monats entspräche etwa dem Anstieg der letzten 20 Jahre auf einmal, wenn er über das Jahr stabil bliebe. Das sieht schrecklich aus, ist aber wegen des kurzen Zeitraums noch nicht signifikant. Wenn man sich die Kurve seit 1980 anschaut, sieht man, dass es zwar ein Maximum ist, aber gerade noch als Fluktuation im Rahmen des allgemeinen Temperaturanstiegs von 0,17 °C/Dekade durchgeht. Die Ozean-Oberflächentemperatur ist deshalb entscheidend, weil die Atmosphärentemperatur an sie gebunden ist. Steigt jene, steigt auch diese ungefähr im selben Maß. Wir können uns auf ein global warmes Jahr einrichten.
  • Um Antarktika herum gibt es einen Meer-Eis-Gürtel, der wie das arktische Meeres-Eis im Sommer kleiner und im (gerade stattfindenden antarktischen) Winter größer wird. Dieses Jahr allerdings wächst er bedeutend langsamer als normal. Das passt natürlich zu der auch sonst warmen Meeresoberfläche.
  • Die CO₂-Konzentration der Atmosphäre ist nicht nur im all-time-Maximum (das haben wir jedes Jahr), sondern auch ihre Wachstumsrate ist gerade mit 3 ppm Jahresdifferenz sehr hoch. Allerdings muss auch dies wegen des kurzen Zeitraums und der hohen Fluktuation relativiert werden. Im Mittel liegt sie seit 2010 um 2,4 ppm/a herum, und es ist nicht völlig unbegründet, zu hoffen, dass sie ihr absolutes Maximum erreicht hat und langsam abzusinken beginnt. Leider haben die globalen CO₂-Emissionen noch nicht aufgehört zu steigen, aus der Kurve können wir lediglich ein Emissionsmaximum in einigen Jahren erahnen. 

Dass das Erdsystem sich ungefähr erwartungsgemäß verhält, ist allerdings ein schwacher Trost:

Aber nun zum Titelthema: 

Was spricht dafür, dass sich die Erderwärmung beschleunigt? 

Die Temperaturmessungen bisher nicht. Die globale Durchschnittstemperatur war seit 1985 überraschend genau linear ansteigend, mit 0,2 °C/Dekade, mit einigen statistischen Schwankungen darübergelegt. 

Dies führte im Mittel alle 4,2 Jahre zu einem neuen absoluten Rekord. Im Moment liegen wir bei 1,2 °C über dem 1850-1900-Mittel. Das heißt, bei unverändertem Trend würden unsere Nachfahren im Jahr 2100 bei 2,8 °C über der Basistemperatur landen. Da die Erwärmungsrate über der Landfläche ungefähr 1,5-mal so hoch ist wie der globale Durchschnitt, sind dort eher 4,2 °C über Basis zu erwarten. 

Es gibt aber einen Faktor, der zu einer schnelleren Erwärmung beiträgt: Die letzthin beobachtete Verminderung des Albedos der Erde. Das Albedo ist der Anteil des Sonnenlichts, der direkt reflektiert wird, ohne irgendetwas zu erwärmen. Er wird seit Längerem auf verschiedene Weise mit Satellitenhilfe versucht zu bestimmen, 2001 auch im NASA-Projekt CERES (Clouds and the Earth’s Radiant Energy System).  

Durch die Treibhausgase wird die Wärmeabstrahlung unseres Planeten vermindert, was zu einer beständig steigenden Energieaufnahme führt, und zwar im Mittel um ca. 0,2 W/m² je Dekade seit 1980. In dieser Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass dieser Wert seit 2000 bei ca. 0,4 W/m²/Dekade liegt. Die Ursache wird in der verkleinerten sommerlichen Eisdecke der Polarmeere, aber vor allem in einer Abnahme der niedrigen Bewölkung gesehen.

Wie in einem früheren piq schon angedeutet, liegt das wahrscheinlich an der verringerten Luftverschmutzung (Die Seeschifffahrt hat dabei nur einen kleinen Anteil.). Aerosole erzeugen über ihre Funktion als Kondensationskeime mehr niedrige Wolken und erhöhen so das Albedo der Erde. 

Für das kommende Jahr ist eine zusätzliche Erwärmung durch das aufkommende El-Niño-Event zu erwarten, aber der beschriebene Effekt wirkt auch weiter, wenn El-Niño wieder vorbei sein wird: in den kommenden Jahren ist eine schnellere Erwärmung nicht unwahrscheinlich.

Die Dekarbonisierung hat zwar eindeutig begonnen, wir sind aber noch im unteren Teil der logistischen Kurve. Emissionssenkungen in der EU und den USA werden überkompensiert durch Erhöhungen im Rest der Welt, besonders Asien, und durch Effekte wie den eben beschriebenen. 

Was folgt daraus? 

  • Dass wir alle gut daran tun, aus der Bequemlichkeit hinauszutreten und am globalen Prozess der Dekarbonisierung und Modernisierung nach Kräften mitzuwirken, ist wohl selbsterklärend. Es wäre günstig, deren Tempo erheblich zu steigern. 
  • Wie es aussieht, müssen wir uns geistig-moralisch und praktisch darauf vorbereiten, die unvermeidlichen Folgen des Wandels sowohl bei uns als auch woanders so gut es geht aufzufangen. 
  • Schließlich wird es eine heftige Diskussion darüber geben, das Schwefelverbot wieder aufzuheben oder eine vergleichbare Maßnahme zur Albedoerhöhung einzuführen oder andere Methoden des Geoengineering einzusetzen. Ich habe in Bezug darauf noch keine feste Meinung. 


Anzeichen für eine Beschleunigung der Erderwärmung

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Kommentare 4
  1. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    siehe auch dieses Paper (https://essd.copernicu...), in dem die Beschleunigung der Erwärmung dokumentiert ist.
    Wir müssen Gas geben und unseren Mitbürgern die Realität und Dringlichkeit deutlich machen.

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    Die Meerestemperatur stieg weiter und weiter: https://twitter.com/bi...

  3. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

    Die "Earth Energy Imbalance", d.h. die Leistungsaufnahme pro m², ist weiter kräftig am Steigen. Man kann jetzt eine noch höhere Steigerungsrate von 0,6 K/Dekade seit 2013 extrahieren.
    Houston, wir haben ein Problem.
    https://twitter.com/Le...

    Eine mit Grafiken versehen Fassung dieses Textes findet sich hier:
    https://anmerkungen.wo...

    1. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      Danke für den Piq und den Blogbeitrag. Die vergleichende Betrachtung der verschiedenen Phänomene bringt immer einen Mehrwert. U. a. ist das Temperaturverhältnis zwischen Land- und Wasseroberfläche eine wichtige Variable, um die Bedeutung der Meerestemperatur für das Leben an Land zu verstehen. Deinen Beitrag habe ich in der Diskussion hier empfohlen: https://www.piqd.de/lo...

      In einem weiteren Kommentar an dieser Stelle habe ich auf ein FAS-Interview mit Weltraummediziner Hanns-Christian Gunga hingewiesen, der in seinen Studien auf den WBGT-Indikator zurückgreift - sehr interessant für die Messung der physiologischen Auswirkungen auf den Menschen, und nicht nur den.

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