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Kurator'in für: Fundstücke Kopf und Körper Klima und Wandel
Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de
Für Kinder ist die Pandemie schrecklich. Seit zwei Jahren ein nie wirklich endender Albtraum. Aber nicht nur für sie ist es furchtbar. Es gibt Studierende, die seit drei Semester an der Uni sind und die Universität kaum von innen gesehen haben. Über sie wird noch viel zu wenig geredet. Sie lernen fast hauptsächlich online. Verbringen verdammt viel Zeit allein vor dem Bildschirm. Wenn sie dann noch Pech haben, in einem zwölf Quadratmeter-Zimmer in einem Studentenwohnheim zu leben, und nicht wenigstens mit anderen in einer Wohngemeinschaft, dann sind sie häufig einer grausamen Einsamkeit ausgesetzt - und die kann seelisch krank machen.
Das Interview mit Sabine Stiehler im Deutschlandfunk Kultur fand ich interessant und aufschlussreich. Sie leitet die Psychosoziale Beratungsstelle des Dresdner Studentenwerks.
"Wir haben jetzt etwa 30 bis 40 Anfragen in der Woche. Da geht´s ja nicht nur um ein Gespräch, sondern meistens um sechs, sieben Gespräche, wenn wir eine Beratungsreihe anbieten, dass man auch mal vertieft zu einem Thema arbeiten kann... und wir haben grad die Auswertung von 2020/21 gemacht, da waren bei uns 1300 Studierende und das ist auf jeden Fall mehr geworden."
Die „Klassiker“ in der Beratung seien vor der Pandemie Prüfungsangst, Probleme mit dem Studienabschluss und Leistungsdruck gewesen. Doch diese Probleme kämen kaum noch vor. Dafür gehe es nun um depressive Verstimmungen bis hin zu suizidalen Krisen. Bei 80 Prozent aller Anfragen ging es um Corona, erzählt Sabine Stiehler. Ich frage mich, wie wird sich das alles in ein paar Jahren auswirken? Wenn die Lust am Lernen, Wissen- und Forschen für Jahre weicht, und die Seele nicht mehr zur Ruhe kommen lässt?
"Also keine Motivation mehr, weiter zu machen. Das bezieht sich aufs Studium, aber manchmal auch aufs ganze Leben. Sind große Auswirkungen auf Konzentration und Arbeitsfähigkeit. Es werden depressive Stimmungen genannt, war sonst so nicht. (...) Ich hab das schon mal verglichen, die Zeit vor Corona und wir haben es jetzt mit viel emotionaleren Themen zu tun."
Clubs und Diskotheken sind in den vergangenen zwei Jahre häufig geschlossen gewesen. Konzerte gibt es seltener. Überhaupt ist es schwieriger geworden, sich mit anderen Menschen entspannt zu treffen. Wenn man bedenkt, wie häufig wir über Corona sprechen, wenn wir uns mit Freundinnen und Freunden treffen. Ein Dauerbrennerthema. Und es ist in der Regel kein hoffnungsvolles Thema, für kaum jemanden. Immer die Angst vor der nächsten Mutante. Doch Studierende haben noch so viel vor, und nun werden sie durch die Pandemie gebremst und sind demotiviert. Immer häufiger sprechen Psychologinnen und Psychologen bei beratungssuchenden Studierenden von "Suizidalen Krisen". Auch in der Psychosozialen Beratungsstelle des Dresdner Studentenwerks ist das ein großes Thema:
"Ich hab grad heute noch mal eine Mail rausgesucht, da hat eine Studentin geschrieben: Eine Weile nicht existieren wäre genau das, was ich jetzt brauche. (...) Die digitalen Kontakte funktionieren ja. Also die sind ja sehr vernetzt und sagen selten, dass sie einsam sind, aber wenn sie dann im Gespräch ein wenig tiefer kommen, dann sagen sie, dass sie sich sehr einsam fühlen, weil sie keine echten Kontakte herstellen können."
Schlimm sei für die Studierenden, erklärt Sabine Stiehler im Interview, dass seit November 80 Prozent der Veranstaltungen an der Dresdner Uni wieder online stattfinden würden. Kaum keimt ein wenig Hoffnung auf, schon verschwindet sie wieder. Ein kaum erträglicher Zustand. Ein Auf und Ab der Psyche. DLF Kultur Moderator stellt am Ende des Gesprächs die Frage, ob sie denn mit Folgeschäden für die Studierenden rechne:
"Also das wird sich aufs ganze Leben in irgendeiner Form auswirken. Da bin ich von überzeugt. Als ich hab mal so gedacht, erst lagen die Nerven blank, jetzt liegt die Seele blank. Also es ist eine Verschärfung eingetreten. Es geht um das psychische Immunsystem, was angekratzt ist und ich gehe definitiv davon aus, dass es Folgeschäden gibt, die gibt es auch schon. Wir haben eine viel größere Inanspruchnahme von Psychotherapie, von stationärer Therapie bzw. die Nachfrage oder Bedarfe können gar nicht bedient werden. Also insofern sind wir schon in den Schäden drin."
Es lohnt sich dem Gespräch zuzuhören, weil man Verständnis für die Verzweiflung der Studierenden bekommt. Ihre Not nachvollziehen kann. Und letztlich gibt es im Augenblick eigentlich nur eine Lösung, die helfen könnte: Präsenz. Präsenz. Präsenz. Sagen die Studierenden in der Beratungsstelle in Dresden - und Sabine Stiehler sieht auch keinen anderen Ausweg. Ein digitaler Hörraum kann ein echter Hörsaal wohl kaum ersetzen.
Quelle: Stefan Karkowsky www.deutschlandfunkkultur.de
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