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Wir müssen uns Houellebecq als glücklichen Menschen vorstellen

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannSamstag, 11.06.2016

Die größte Überraschung des Interviews für mich: Michel Houellebecq glaubt an grenzenloses, ewiges Glück und Liebe. Von dem Schriftsteller, der ebenfalls sagt, das größte Kompliment, dass man ihm für ein Buch machen könne, sei, dass es einen zum Weinen gebracht hat, dem halb Frankreich den Prozess machen wollte, weil er den Islam als dumm bezeichnet hat und die Prostitution für eine der besten Erfindungen der Menschheit hält, von diesem Houellebecq, der von den einen als brillanter Realist und von den anderen als verantwortungsloser Nihilist bezeichnet wird, habe ich so viel Romantik nicht gerade erwartet. Und seine Auftritte im Rahmen der Vorstellung seines letzten Romans "Unterwerfung" als dauerrauchende, unwitzige französische Variante eines sedierten Olaf Schubert haben auch nicht gerade Momente des Glücks heraufbeschworen. 

Houellebecq beschreibt die metaphysischen Mutationen der Gesellschaft, erklärt er. Er heißt sie nicht gut. Er beklagt ihren Wandel aber auch nicht: "What I think, fundamentally, is that you can’t do anything about major societal changes. It may be regrettable that the family unit is disappearing. You could argue that it increases human suffering. But regrettable or not, there’s nothing we can do."

Seine Protagonisten sind keine Helden, sie sind einsam, sie haben Angst vor dem Alter und davor ersetzt zu werden, davor, dass keiner mit ihnen schlafen will und dass außer Arbeit nichts mehr im Leben passiert. 

Ein Beispiel für den versteckten Optimismus des französischen Schriftstellers ist die Inspiration für seinen Roman "Elementarteilchen":

The real inspiration was the experiments of Alain Aspect in 1982. They demonstrated the EPR paradox: that when particles interact, their destinies become linked. When you act on one, the effect spreads instantly to the other, even if they are great distances apart. That really struck me, to think that if two things are connected once, they will be forever. It marks a fundamental philosophical shift. Ever since the disappearance of religious belief, the current reigning philosophy has been materialism, which says we are alone and reduces humanity to biology. Man as calculable as billiard balls and completely perishable. That worldview is undermined by the EPR paradox. So the novel was inspired by this idea of what could be the next metaphysical mutation. It has to be less depressing than materialism. Which, let’s face it, is pretty depressing.

Ein geistreiches und witziges Interview mit Houellebecq. Und mal ehrlich: Lieber unglücklich mit Houellebecq, als glücklich mit Ildikó von Kürthy.

Wir müssen uns Houellebecq als glücklichen Menschen vorstellen

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