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Wie pandemiebedingte Bildungsverluste aufzuholen sind

Project Syndicate
The World's Opinion Page
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Project SyndicateFreitag, 31.12.2021

Wir veröffentlichen regelmäßig Übersetzungen ausgewählter Meinungsstücke von Project Syndicate. Diese sind zunächst als Service-piqs exklusiv für unsere Mitglieder zugänglich.

Als Schulen auf der ganzen Welt aufgrund von COVID-19 online gingen, litten Kinder in Entwicklungsländern am stärksten. Obwohl digitales Lernen nicht die gleichen Ergebnisse liefert wie der Unterricht vor Ort, können effektiv eingesetzte Technologien Bildungslücken schließen und Lernverluste verhindern.

Henrietta H. Fore ist Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF). David Malpass ist Präsident der Weltbankgruppe.

WASHINGTON, DC – Auch im herannahenden dritten Jahr der Covid-19-Pandemie bleiben die Klassenzimmer weltweit für bis zu 647 Millionen Schulkinder ganz oder teilweise geschlossen. Selbst dort, wo Schulen wieder geöffnet haben, weisen viele Schülerinnen und Schüler weiterhin Nachholbedarf auf.

Mittlerweile ist absolut und in schmerzhafter Weise klar, dass Kinder während der Pandemie weniger gelernt haben. Nach Schätzungen der Weltbank könnten pandemiebedingte Schulschließungen die sogenannte „Lernarmut” – also den Anteil der Zehnjährigen, die keinen einfachen Text lesen und verstehen können – in Ländern niedriger und mittlerer Einkommen auf etwa 70 Prozent ansteigen lassen. Diese Lernverluste würden einer ganzen Generation von Schulkindern 17 Billionen Dollar an Lebenseinkommen kosten.

Nun, da die Omikron-Variante um sich greift, sind womöglich weitere Regierungen versucht, die Schulen zu schließen. Ohne Online-Infrastruktur zur Lernunterstützung würde diese Maßnahme die Bildungsverluste noch verstärken und Kindern auch die zahlreichen anderen Vorteile des täglichen Schulbesuchs vorenthalten, wie etwa die Möglichkeit, Kontakte zu Klassenkameraden zu knüpfen und soziale Fähigkeiten für das persönliche Wachstum zu entwickeln. Die Interaktion mit Lehrkräften und Gleichaltrigen ist für die Entwicklung der für die Zusammenarbeit erforderlichen Fähigkeiten von wesentlicher Bedeutung. Teil einer Klasse zu sein, fördert das Zugehörigkeitsgefühl und trägt zur Entwicklung von Selbstwertgefühl und Empathie bei.

Während der gesamten Pandemie hatten Kinder am Rande der Gesellschaft am meisten zu kämpfen. Als die Schulen diesen Herbst weltweit öffneten, zeigte sich, dass diese Kinder noch weiter hinter ihre Altersgenossen zurückgefallen waren. Vor der Pandemie hatte sich das Geschlechterverhältnis im Bildungsbereich verbessert. Doch mit den Schulschließungen erhöhte sich für geschätzte zehn Millionen Mädchen das Risiko einer frühen Verheiratung, die praktisch das Ende ihrer schulischen Ausbildung besiegelt.

Erfolgt keine Umkehrung dieses Rückschritts, werden Lernarmut und der damit verbundene Verlust an Humankapital die Volkswirtschaften und Gesellschaften über Jahrzehnte bremsen. Die Kinder müssen die Chance erhalten, die verlorene Bildung nachzuholen. Sie brauchen Zugang zu gut gestaltetem Lesematerial, digitalen Lernmöglichkeiten und veränderten Bildungssystemen, die sie auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten. Gut ausgebildete Lehrkräfte und der effektive Einsatz von Technologie sind für diesen Prozess von grundlegender Bedeutung.

Zahlreiche Länder haben als Reaktion auf die Gesundheitskrise massive Konjunkturpakete geschnürt. Doch mit Stand Juni 2021 wurden weniger als 3 Prozent dieser Mittel für die Bereiche Bildung und Berufsausbildung aufgewendet. Und die meisten Ressourcen wurden in entwickelten Volkswirtschaften mobilisiert.

In vielen einkommensschwachen Ländern fehlt es aufgrund hoher Aufwendungen für den Schuldendienst an Mitteln für lebensnotwendige Sozialausgaben – darunter auch für den Bildungsbereich. Die daraus resultierenden niedrigeren Investitionen zur Förderung von Bildung und Berufsausbildung drohen die bereits vor der Pandemie bestehenden Ungleichheiten im Hinblick auf die Bildungserfolge noch zu vertiefen. Und obwohl die Schließung der Bildungslücke einen effizienteren Einsatz der Ressourcen erfordert, geht es unterm Strich darum, dass mehr Ressourcen benötigt werden. Insbesondere den ärmsten Ländern der Welt würde ein beschleunigter Schuldenerlass gemäß des gemeinsamen Rahmens der G20 fiskalischen Spielraum verschaffen, damit sie ihre Unterstützung für das Humankapital erhöhen können.

Zu den Investitionen in die Bildung müssen auch Mittel für die Anschaffung von Bildungstechnologien gehören; wobei zu berücksichtigen ist, welche Instrumentarien sich in verschiedenen Kontexten weltweit bewährt haben. Uruguay ist eine der Erfolgsgeschichten. In den letzten zehn Jahren haben die Behörden des Landes in Infrastruktur, digitale Inhalte und die Ausweitung von Lehrkapazitäten investiert, so dass das Land besser für die Umstellung auf den Online-Schulunterricht gerüstet war, als Schulen geschlossen wurden. Auch der indische Bundesstaat Gujarat setzte schon vor der Pandemie auf die Analyse von Big Data und maschinelles Lernen und richtete hochmoderne digitale Unterstützungszentren für Schulen ein. Als die Schulen schlossen, konnte man in Gujarat mit der digitalen Verteilung von Unterrichtsmaterialien und der Abstimmung des Fernunterrichts auf das Lernniveau der einzelnen Schüler rasch auf die Situation reagieren. Und in Kenia verfügen alle Kinder, auch solche mit Behinderungen, über Zugang zu speziell gestalteten und integrativen digitalen Schulbüchern.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und die Weltbankgruppe arbeiten zusammen, um zu gewährleisten, dass Technologien in allen Bildungssystemen effektiv genutzt werden, um Lücken zu schließen und Lernverluste zu vermeiden. Die Einbettung des Technologieeinsatzes in eine Gesamtstrategie zur Beendigung der Lernarmut kann dazu beitragen, grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten zu verbessern, die Bildungsdauer zu verlängern und die Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen. Dies ist vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen von entscheidender Bedeutung, wo Technologien den Lehrkräften rasch die nötige Unterstützung bieten können.

Der Zugang zum digitalen Raum kann als erheblich egalisierender Faktor dienen. Ressourcen müssen vorausschauend investiert werden, wobei die Strominfrastruktur der Länder, die Internetanbindung, digitalfähige Geräte für die am stärksten benachteiligten Schüler sowie die Kapazitäten für die Datenverwaltung und -implementierung zu berücksichtigen sind. Gute Absichten und durchdachte politische Strategien werden ohne einen wohlüberlegten Prozess zur Verstärkung des Technologieeinsatzes nicht zu jener Besserung und Beschleunigung des Lernprozesses führen, wie sie in den Entwicklungsländern notwendig sind.

Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung war schon vor der Pandemie von Ungleichheit gekennzeichnet und ist es heute noch mehr. Durch Investitionen in Verbesserungen im Bildungsbereich und den klugen Einsatz von Technologien ist es möglich, die Erfahrungen der Pandemie als Katalysator zur Verbesserung der Bildung aller Kinder zu nutzen.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

Wie pandemiebedingte Bildungsverluste aufzuholen sind

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