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Vom Kind zum Killer

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannDienstag, 21.02.2017

Vor einigen Jahren begleitete ich sächsische Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan. Bevor die Panzergrenadiere in den Einsatz gingen, wurden sie in ihrer Kaserne verabschiedet. Mit Marsch und Rumstehen im Regen und pathetischen Reden im Fackelschein auf einem großen Betonplatz. 

Für die Mannschaften ging es danach Heim, vor dem Abflug nochmal mit Familie sein. Für die Offiziere ging es ins Offizierskasino, so heißen in Kasernen die Kneipen. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière war da, Schnittchen, Pilschen, Tarnfleck, Ordonanzen in den schlimmsten Jacketts der Welt, ein holzgetäfelter Trip in den Bauch des Männerbundes. Der Heeresstab hatte ein Treffen organisiert mit Offizieren, die gerade aus dem Einsatz zurückgekommen sind. 

Es gab keinen Zweifel, wer von diesen Männern den Krieg bereits gesehen hatte und wer nicht. 

Die, die bald fliegen sollten, sprachen mit Gewicht von ihrer Aufgabe, mit Aufregung in den Stimmen, die Brust geschwellt, dass die Feldbluse spannte, redeten wie eine Mischung aus Ernst Jünger und KFZ-Steuerscheinkleingedrucktem. 

Die, die gerade zurückgekehrt waren, redeten leise, oder gar nicht. Aufrecht, aber mit Händen in den Taschen. Mit regungslosen Minen und dem Rücken zur Wand den Raum observierend. 

Wie der Krieg einen Menschen verändert, in diesem Fall einen jungen amerikanischen Soldaten, der im Einsatz mehrere Menschen tötete, beschreibt C.J. Chivers in dieser wirklich außergewöhnlich guten Reportage für das Magazin der New York Times. Chivers war selbst lange Zeit ein Marine und anschließend ein Kriegsberichterstatter, ein begnadeter Journalist. 

In der Story geht es um den ex-Marine Sam Siatta, der im Gefängnis sitzt, weil er nachts betrunken in ein Haus eingebrochen ist. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, das Gericht hat eine diagnostizierte Alkoholsucht und posttraumatische Belastungsstörung nicht strafmindernd anerkannt. 

Chivers zitiert den ehemaligen Vorgesetzten Siattas:

Siatta’s transformation, he said, was welcomed on the battlefield but is painful to think about now. “Watching Sam evolve from that sweet, innocent kid to that killer he became, the killer we needed him to be,” he said, “it breaks my heart.”

Am Ende ist es auch Chivers Recherche zu verdanken, dass Siatta, dessen Afghanistan-Tagebuch den Krieg entwaffnend wahr und poetisch beschreibt, eine zweite Chance bekommt.

Vom Kind zum Killer

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