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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Es wird viel über die SPD und ihre tolerante Haltung gegenüber Rußland gesprochen. Aber wie haben die deutschen Talkshows seit der Besetzung der Krim agiert, argumentiert? Wie kritisch war dort das öffentlich-rechtliche Fernsehen gegenüber den russischen Aggressionen und Argumenten? Wenn es zutrifft, was Marcus Welsch bei den Salonkolumnisten berichtet - und was meine Eindrücke bestätigt - dann hat sich dort genau so eine Wende vollzogen wie in der deutschen Regierung oder bei vielen Politikern:
Vom Zeitpunkt der Besetzung der Krim im Frühjahr 2014 bis zum Abend unmittelbar vor dem Angriff am 24. Februar sendeten ARD, ZDF und Phoenix über 100 Talkshows und Gesprächsrunden zur Politik Russlands. Unter den über 200 Gästen, die an diesen Runden teilnahmen, konnte sich ausgerechnet der Gazprom- und Putin-Lobbyist Alexander Rahr über die meisten Einladungen freuen. Auch die weiteren Stammgäste leisteten keinen Beitrag zu echter Ausgewogenheit: Unter den Top 10 der am häufigsten vertretenen Studiogäste fallen mit Dietmar Bartsch, Hubert Seipel, Gabriele Krone-Schmalz, Dmitri Tultschinski und Harald Kujat eine Reihe Redner auf, die durch eine dezidiert verständnisvolle und nachsichtige Haltung zur russischen Politik hervorgetreten sind – um es diplomatisch auszudrücken. Man hatte nicht einmal ein Problem damit, den seinerzeitigen Chefredakteur von RT Deutsch, Ivan Rodionov (sein Motto: „Begegnen wir der Zeit, wie sie uns sucht“) über Jahre in den Talkrunden als Russland-Experten zu hofieren.
Das ist nun Schlagartig vorbei.
Der Vorwurf von Welsch heute, viele unserer Talksendungen verfügten nicht über angemessene außenpolitische Expertise. Man folgte bei der Einladungspolitik seinen Instinkten, nicht der Wissenschaft. Ich würde sagen, seiner Ideologie (oder seinen Interessen?). Und das trotz bekannter wissenschaftlicher Expertise im Land:
Die Analysen von Institutionen wie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) oder dem European Council on Foreign Relations (ECFR), ebenso die zahlreichen Tagungen zur Ukraine und zum Konflikt mit Russland sowie schließlich auch die einschlägigen Bände der Zeitschrift „Osteuropa“ scheinen an den verantwortlichen Redaktionen spurlos vorübergegangen zu sein. Seit 2014 wurde aktiv Sachverstand ignoriert und stattdessen so mancher Zirkus organisiert, in dessen Manege die tollsten Verdrehungen den meisten Applaus erhielten.Die Wissenschaftler werden nun plötzlich zu gefragten Gesprächspartnern. Dabei hatten bereits 2015 verschiedene Osteuropa-Experten in einem Brief an die Redaktion von „Anne Will“ auf den dramatischen Bias hingewiesen. Die Verantwortung für den Krieg im Donnbass war dort klar bekannt.
Die Forderung, mehr echte Fachleute an den Diskussionen zu beteiligen, wies der damalige Chef vom Dienst bei „Anne Will“ jedoch zurück: Man sei bereits um Ausgeglichenheit bemüht.
Hat nicht diese "Ausgeglichenheit" dazu beigetragen, dass noch heute das Märchen von 8 Jahren Krieg der Ukraine gegen den Donbass und viele andere Putin'sche Narrative durch viele deutsche Köpfe geistern? Und es sind nicht nur die Talkshows. Nehmen wir Phönix:
Einen Tag vor dem Überfall auf die Ukraine, …. , wurde hier dem hanebüchenen Politikverständnis eines Lobbyisten (Alexander Rahr "Berater für EU-Angelegenheiten von Gazprom in Brüssel“; Th.W.) eine Bühne geboten, der vor laufender Kamera den Wunsch ehemaliger Sowjetstaaten nach Aufbau einer dauerhaften demokratischen Ordnung als „Ukraine-Hype“ abtat. Worin besteht der Sinn einer Weigerung, die AfD ins Studio zu holen, wenn ein solches Demokratieverständnis mit Blick auf Osteuropa dem doch in nichts nachsteht? Sieht so das kritische Selbstverständnis eines Senders mit öffentlichem Auftrag aus?
Man hätte auch die oft viel drastischeren Äußerungen dieser Lobbyisten im russischen Fernsehen recherchieren können um sie damit zu konfrontieren. Das würde man eigentlich von kritischem Journalismus erwarten. Und gegenüber anderen Akteuren recherchiert er ja auch ausgiebig und kritisch. Ich denke da nicht nur an böse Banken oder gierige Unternehmen.
Ich denke also, wir müssen nicht nur über eine Wende in der Verteidigungs- und Osteuropapolitik diskutieren, sondern dringend auch über Ausrichtung, Qualität und Ausgewogenheit unserer öffentlich-rechtlichen Medien. Wer eigentlich ist für das kollektive Versagen (so muß man es wohl nennen) dort konkret verantwortlich? Wieso kann sich ein Land so selbst desinformieren?
Quelle: Gastautor Marcus Welsch www.salonkolumnisten.com
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Die Klimakrise lässt grüßen. War in Talkshows lange gar kein Thema und wenn, immer ein Leugner oder Fachfremder als Gegenredner dabei.