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Putin und die Philosophen

Jannis Brühl
Redakteur
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Jannis BrühlDonnerstag, 10.03.2022

Von allen Texten über Wladimir Putins Denken fand ich diesen am hilfreichsten. Der französische Philosoph Michel Eltchaninoff zeichnete schon 2014 Putins Vorstellungswelt und seine Idee von "Russland" anhand der Philosophen nach, die Putin liest und zitiert – und deren Bücher er seinen Beamten aufs Auge drückt (man kann sich sicher sein, dass viele sie lesen, sie kommen ja vom Oberboss).

(Eine vollständige Erklärung für Putins Gedanken, die er sich vor dem Angriff auf die Ukraine machte, hat sicherlich niemand parat, aber man versucht halt, sich etwas zusammenzupuzzeln, und dieser Text hilft dabei)

Zentral sind dabei Iwan Iljin und die "weißen" Philosophen, jene von den Bolschewisten ins Exil getriebene Konservative und Rechte, die noch während der Sowjetzeit davon träumten, nach dem Kommunismus werde ein russisches Reich unter einem starken Führer wieder auferstehen. Putin hat Eltchaninoff zufolge diese Gedanken verinnerlicht – sieht er sich wohl selbst als ebenjener Führer, der Russland zu "alter Größe" zurückführen muss? Interessanterweise geht dieses "weiße" Denken problemlos zusammen mit dem unkritischen Umgang mit Stalin (oder ist das gar logisch, weil beides totalitär?). Lenin dagegen gilt Putins Zorn, sah er doch Russland innerhalb des Sowjetsystems als die imperiale Macht, die es war – und Lenin nach Putins Lesart die Ukraine erst erschuf. (Mehr zu diesem inner-kommunistischen Streit z. B. hier)

Erhellend bei Eltchaninoff ist vor allem die Passage über die Form, die das russische Imperium den Träumen von Putins Philosophen – und offenbar auch seinen eigenen – zufolge annehmen soll. Von Moskau aus gesteuert, beinhaltet es die GUS-Staaten, alle Russen sowieso, aber Platz ist für alle Ethnien (als "Westler" vergisst man ja oft, dass Russland selbst ein multiethnischer, multireligiöser Staat ist).

Mir fiel bei all dem auf, das Putin scheinbar wenige eigene Gedanken fasst. Er ist eher ein Kopist. Nicht nur in seiner fast schon lächerlich genauen Spiegelung der Argumentationen und Vorwände für den Kosovo- und den Irak-Krieg, die er nun auf die Ukraine münzt (was seine Lügen entlarvt, schließlich warf auch Russland dem Westen in beiden Fällen stets "Lüge" vor, und die können nun wohl schwerlich als moralische Vorbilder dienen – aber um Moral geht es wohl gerade nicht in Moskau). Es geht noch weiter mit dem Abkupfern: Die ganze Idee einer "Eurasischen Föderation" o. ä. wirkt, als habe Putin zu lange auf EU und Nato geschaut und dann gesagt: "Ich will das auch, und zwar beides zusammen." Eine kontinentale Wirtschaftsunion mit starkem Militär und der Führungsmacht Russland – das klingt wie eine militarisierte EU unter US-Führung, nur spiegelverkehrt.

Um eine neue "Sowjetunion" handelt es sich dabei nur in der geografischen Ausdehnung. Denn Putins Denken kennt trotz gedanklicher Verbindungen in die russische Geschichte (vgl. die wie eine Obsession wirkende Beschwörung der "Kiewer Rus" als Rechtfertigung für den Angriff) keine Ideologie. Keinen Kommunismus und auch keinen Rassenwahn. Als einigendes Element sieht er denn auch nur den Glauben, dass das ganze eurasische Projekt auf dem Kapitalismus basieren müsse. Das immerhin hat sich im Vergleich mit den Sowjetzeiten geändert.

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Kommentare 1
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 3 Jahre

    bin mir nicht sicher ob es keine Ideologie keinen RassenWahn gibt. Sicher nicht originär bzw originell. Aber doch in diesem Bezug auf großrussische Volkschaft und dem Sammeln russischer Erde und dieser faschistischen idee des volontee generale... Auch wenn Putin derzeit schwankt zwischen Ukrainern als Heim-ins-Reich-Kandidaten und Ukrainer-als-Erzfeinde. Immerhin haben diese "Österkrainer" sich diesesmal nicht freudig angeschlossen. ..

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