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Nur Russland ist schuld an der Hungersnot? Das stimmt nicht ganz

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresMontag, 01.08.2022

Nach monatelanger Blockade hat heute zum ersten Mal seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine ein Getreideschiff den Hafen von Odessa verlassen. Es soll Mais in den Libanon bringen. Weitere Schiffe sollen folgen.

Für viele Menschen ist die Nachricht ein Hoffnungsschimmer. Denn die Ukraine gehörte vor der russischen Invasion zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt, ihre Nahrungsmittel werden in vielen Ländern dringend gebraucht. Die Vereinten Nationen hatten zuletzt gewarnt, dass die Blockade der ukrainischen Häfen Millionen Menschen in eine Hungersnot stürzten könne.

Jetzt gibt es also Aussicht auf Erleichterung in der Hungerkrise. Aber: Dass derzeit so viele Menschen hungern, liegt nicht am russischen Angriffskrieg allein. Auch der Westen trägt eine Mitschuld. Warum dem so ist, dröselt Andrea Böhm in der aktuellen Ausgabe der ZEIT in einem sehr lesenswerten Text auf (Text online im Abo zugänglich oder noch bis Mittwoch am Kiosk):

Russland ... nutzt den Weizen als Waffe. (...) Doch Russlands Waffe ist nur scharf dank eines Ernährungssystems, das diese Länder von Lebensmittelimporten dauerhaft abhängig gemacht hat und immer wieder zu Hungerkrisen beiträgt. An diesem System halten die westlichen Länder fest.

Schon vor dem Krieg hungerten weltweit mehr als 800 Millionen Menschen. Dabei weiß man, was dagegen zu tun wäre:

Vor 13 Jahren erkannten die G8-Staaten (damals zählte Russland noch dazu) erstmals an, dass globale Ernährungssicherheit nicht durch Lebensmittelimporte und Hilfsspenden garantiert wird, sondern vor allem durch Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.

Um sie zu unterstützen, wurden seither zahlreiche Hilfsprogramme aufgesetzt. So viele, dass kaum jemand sie heute durchschaut, und versprochene Gelder im Wirrwarr der Kanäle versickern oder abgezweigt werden.

Aktuell haben die G7 angekündigt, gemeinsam 4,3 Milliarden Euro gegen den Hunger einsetzen zu wollen. Das ist viel zu wenig.

Das Welternährungsprogramm der UN benötigt rund 22 Milliarden Euro, um die schlimmsten Hungersnöte zu verhindern. Es muss dafür bei reichen Geberländern betteln gehen. In Ländern wie dem Jemen werden aus Geldmangel bereits die Hilfsrationen zusammengestrichen. Das ist ein Skandal, den die G7-Staaten jederzeit mit einem Garantiefonds für das Welternährungsprogramm beenden könnten.

Auch an den strukturellen Ursachen der Hungerkrise wollen die Mächtigen offenbar nichts ändern.

Jedes Feld, das Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit lokalen Anbausorten bestellen, die unter den Bedingungen des Klimawandels besser als Weizen gedeihen, ist eine Investition in die Zukunft. Das Problem dabei: Einige wenige westliche Großkonzerne kontrollieren über zwei Drittel des globalen Getreidehandels, verdienen daran und verhindern, dass sich importabhängige Staaten aus dieser Falle befreien.

Zur Bedeutung von heimischem Saatgut hatten vor Kurzem auch die Riffreporter einen sehr lesenswerten (Abo-)Text.

Auch ein Schuldenerlass wäre wichtig. Wer das alles anschieben soll? Deutschland könnte eine Führungsrolle übernehmen, schreibt Andrea Böhm.

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