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Moschee-Besuch in Berlin: Eine Welt-Reporterin macht sich nass

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannDienstag, 12.07.2016

Aus schleierhaften Gründen wurde mir dieser Leserbrief zugetragen, dessen umnachteter Verfasser laut eigener Aussage nie eine Antwort von seiner verehrten Autorin erhielt:

Sehr geehrte Frau Kathrin Spoerr!

Von einem Bekannten, den ich für seine fachkundigen, wenn auch mitunter düsteren, politischen Analysen sehr schätze, habe ich Ihren fabelhaften Artikel vom 21.01.2015 in der Welt über Ihren mutigen Besuch in der Al Nur-Moschee in Berlin empfohlen bekommen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie so entschlossen in diese uns so verschlossene Welt eingedrungen sind und ein wenig Licht in das frauenfeindliche und gewaltverherrlichende islamistische Milieu gebracht haben, dass nur umso dunkler nun wirkt, nachdem das Suchlicht ihrer Beobachtungen erlöscht ist. Aber die Bilder, die Sie von der muslimischen Parallelwelt in Deutschland mitgebracht haben, sind ein Zeitdokument. Es wird erst den Historikern nach uns möglich sein, zu beurteilen, ob dessen Botschaft verstanden wurde oder es das Schicksal der Kassandra erfährt.

Dum spiro, spero.

Der Wagemut ihrer investigativen Reise - denn es ist, obwohl mitten in Deutschland, eine Reise durch Zeit und Raum, kulturell und visuell - in die Al Nur-Moschee, wird von ihrer stilistischen Brillanz noch geziert. Im Sonnenschein, mit bangem Mute, doch mit Mute, erscheinen Sie als Frau und ohne Kopftuch, und als Sie gehen, grußlos und im richtigen Moment wie ein Agent, der seinen Auftrag genau kennt und nun an sich selbst denken muss, da treten Sie aus in die Kälte — es kann nur die Kälte der Freiheit sein, die Sie meinen und die Sie nicht fürchten. Sie ist gut, sie ist es, die uns umstreichen soll, damit wir einen kühlen Kopf behalten auf unseren Wegen — nicht die Dattelpalmen-Wärme der opiaten Oasen des Islam.

Bei Ihrem Besuch in der Islamisten-Moschee haben Sie die Verlockungen dieser trügerischen Wärme selbst gespürt (denn mit Mut kommt Gefahr), die unser Land immer mehr sediert, einlullend wie der Reigen sich ewig krümmender Rücken in einer Reihe betender Muslime.

Nun fühle ich mich wieder etwas frischer, und auch etwas düsterer. Aber es ist gut so!

Mit kühlem Kopf und

mit Hochachtung vor einer aufgeklärten Frau,

Ihr Leser Benedikt von Strießen-Gröningen

Ich finde, der Artikel ist lesenswert wegen seiner grenzenlosen Voreingenommenheit. Er macht deutlich, wo die Schere im Kopf in der Berichterstattung vieler Journalisten ist: „Sonntag. Ein sonniger Wintersonntag. So sonnig kommt er mir vor und so wunderbar, viel sonniger und wunderbarer sicherlich, als er wirklich ist. Wie der erste Sonnentag seit Wochen, Monaten, ach, eigentlich seit Ewigkeiten, und irgendwie auch wie der allerletzte, wenn ich jetzt nicht umkehre. Das denke ich", schreibt die Autorin. Klingt, als würde sie sich auf den Weg nach Tora-Bora machen, nicht in eine populäre Berliner Moschee. Die eigenen Vorurteile zu thematisieren ist gut — aber Spoerr reitet auf ihnen einen halben Tag rum und ergreift dann die Flucht. Unfreiwillig ist das dann aber immerhin oft schrecklich witzig.

Moschee-Besuch in Berlin: Eine Welt-Reporterin macht sich nass

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Kommentare 10
  1. Keno Verseck
    Keno Verseck · vor mehr als 8 Jahre

    Nur nebenbei, Christian, wieso ist der Verfasser des Leserbriefes "umnachtet"? Er hat doch einen teils feinen, teils auch nicht sehr ingeniösen ironischen Kommentar zu diesem Text geschrieben... Oder war "umnachtet" auch eine Ironie von Dir?

    1. Christian Gesellmann
      Christian Gesellmann · vor mehr als 8 Jahre

      Nein. So bekloppt wie der feine Herr von Strießen-Gröningen kann doch kein Mensch sein! Aber was meinst du eigentlich mit "teils auch nicht sehr ingeniös ironischem Kommentar?"

    2. Keno Verseck
      Keno Verseck · vor mehr als 8 Jahre

      @Christian Gesellmann Der Leserbrief ist m.E. eine wunderbare Ironie und eine vollendet vernichtende und sehr elegante Replik auf diese Reportage. Eigentlich kann man doch nur so antworten!!! Ist doch klar, dass der Autor darauf keine Antwort bekommen hat. Nach "Dum spiro, spero" lässt der Text leicht nach, wird ein wenig durchsichtig, weil ein Spur hämisches Meckern hervorscheint. Ist aber trotzdem sehr schön. "Zeitdokument", "Kassandra-Rufe" und die "Dattelpalmen-Wärme der opiaten Oasen des Islam" - sowas kann sich kein Fan dieser Reportage ausdenken. Und den Fake-Nachnamen auch nicht.

    3. Christian Gesellmann
      Christian Gesellmann · vor mehr als 8 Jahre

      @Keno Verseck Checker :))

    4. Keno Verseck
      Keno Verseck · vor mehr als 8 Jahre

      @Christian Gesellmann Sag jetzt bloss nicht, Du hast den Leserbrief selbst geschrieben...

  2. Nils Pickert
    Nils Pickert · vor mehr als 8 Jahre

    Was ist das für 1 life? Und was ist das nur für eine seltsame Form von Othering mitten in Berlin? So als gäbe es keine lang Nacht der Religionen
    http://www.deutschland...
    und als wäre es unvorstellbar, mal eben einen Imam anzurufen. What?!

    Guter piq jedenfalls... mit Unterhaltungswert :-)
    LG
    Nils

    1. Christian Gesellmann
      Christian Gesellmann · vor mehr als 8 Jahre

      Immerhin redet ja Frau Spoerr mit dem Imam. Das tun viele andere, die über die Moschee schreiben nicht. Die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel fand für mehrere Artikel zwar Zeit, mit Hinz und Kunz von der CDU zu sprechen, erreichte aber niemanden in der Moschee, wie mir ein Autor auf Nachfrage erklärte. Es gibt genügend Gründe, Al Nur zu kritisieren, ich habe sie selbst aufgeführt. Aber journalistische Standards müssen eingehalten werden, und es gibt vieles am Bild von der Al Nur Moschee, was ungerecht und falsch gezeichnet ist. Insbesondere wenn man Autoren mit so dünnen Nerven hat, sollte eine Redaktion darauf acht geben. Hier sind die Emotionen und Vorurteile Selbstzweck.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 8 Jahre

      @Christian Gesellmann In manchen Münchner Moscheen kann man auch ewig auf einen Termin mit einem Imam warten. Hatte es selbst mal über Monate versucht. In einer Moschee im Norden der Stadt klappte es hingegen recht problemlos.

    3. Nils Pickert
      Nils Pickert · vor mehr als 8 Jahre

      @Christian Gesellmann "Hier sind die Emotionen und Vorurteile Selbstzweck" - genau das ist ja der Punkt. Ich finde es journalistisch vollkommen legitim, die Al Nur Moschee zu kritisieren. Aber so zu tun als begäbe man sich dabei auf ein journalistisches Himmelfahrtskommando bei dem im Hintergrund das Main Theme von Mission Impossible düdelt ist einfach lächerlich. Die erste Berliner Moschee wurde 1928 eröffnet. Seitdem hätte man ja das ein oder andere Mal vorbeischauen können.

    4. Christian Gesellmann
      Christian Gesellmann · vor mehr als 8 Jahre

      Der Vollständigkeit halber: Ich habe auch selbst über die Al-Nur Moschee geschrieben. Siehe hier: https://krautreporter....

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