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Mehr Entrepreneurship wagen – als Staat und als Person

Anja C. Wagner
Bildungsquerulantin
Zum Kurator'innen-Profil
Anja C. WagnerMittwoch, 07.04.2021

Letzthin hatte ich hier schon einen Artikel von Mariana Mazzucato gepostet: Visionen braucht das Land – endlich! Nun ist sie im New-York-Times-Podcast "Sway" von der großartigen Kara Swisher interviewt worden. Eine Dreiviertelstunde intensives Gespräch über die Notwendigkeit, einen unternehmerisch denkenden Staat zu fordern, der nicht nur hinter dem Schlamassel des Marktes hinterherfegt, sondern selbst zentrale Forderungen stellt, wie mit seinen öffentlich geförderten Techniken und Krediten umzugehen sei.

Zentral bei solchen Vereinbarungen zwischen Staat und privaten Unternehmen sei dabei, klare Ziele zu definieren, die der Menschheit dienen und den privaten Markt daraufhin auch in die Pflicht zu nehmen. Es gelte, aufzuhören, die Art von Wirtschaft zu finanzieren, die eine Bedrohung darstelle – sei es für ihre Mitarbeiter*innen, die Gesellschaft als solche oder für die Politik. Stattdessen müssten sich die staatlichen Initiativen zentral an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung orientieren und Unternehmen auffordern, von dort aus rückwirkend zu überlegen, was sie zur Zielerreichung aktiv beitragen können.

Das ganze Interview ist wirklich sehr hörens- oder lesenswert, denn das Transkript steht vollumfänglich zur Verfügung und könnte gegebenenfalls in deepl geschubst werden. 

  • Sie besprechen z. B. die Frage der Privatisierung von Patenten, die auf der Basis öffentlich geförderter Anschubfinanzierungen entstanden sind. 
  • Sie zeigen auf, dass der Staat durchaus auch Anteile an erfolgreichen Unternehmen übernehmen sollte – und nicht nur an defizitären.
  • Sie gehen wieder zentral auf das Apollo-Programm von Kennedy ein, von dem ich in dem oben verlinkten piq bereits berichtete.
  • Sie diskutieren, wie man die Big-Tech-Unternehmen wieder in den Griff bekommen könne. (Schwierig, weil zu spät!)
  • Sie machen Mut, dass sowohl in den USA als auch in Europa jetzt die Kreditlinien direkt an die Bekämpfung der Klimakrise geknüpft sind – und die öffentliche Hand insofern dazu gelernt habe.

Schließlich bräuchte es für solch einen unternehmerisch wirkenden Staat aber eine breitere Kompetenz für Entrepreneurship in der Bevölkerung. Dabei spricht sich Mariana Mazzucato für eine intensivere kulturelle Bildung aus, denn Menschen seien nicht von Natur aus als Unternehmer*in geboren, sondern sie bräuchten ein passendes Ökosystem dafür. Ich lasse sie hier selbst sprechen:

Ich meine, sicher, aber das setzt auch voraus, dass die Menschen das haben, was Amartya Sen, ein Wirtschaftsnobelpreisträger, als eine Art von Fähigkeiten und Möglichkeiten bezeichnet hat, die ihnen überhaupt den Zugang zum Engagement ermöglichen. Wenn wir uns wirklich darum kümmern wollen, dass die Bürger*innen unternehmerisch tätig sind, müssen wir uns diese horizontalen Bedingungen ansehen. Eine wirklich gut finanzierte, gut strukturierte – es geht nicht nur um Geld – öffentliche Bildung. Lassen Sie es uns einfach noch einmal ausrufen – öffentliche Bildung. Denn ich glaube nicht, dass ein Einzelner ein Unternehmer ist. Wir brauchen ein unternehmerisches Ökosystem, das diese Fähigkeit wirklich verteilt. Es ist einfach so interessant zu sehen, wie alle Kinder, die ich in London kenne, von der Mission für einen plastikfreien Ozean wissen. Nicht, weil ein Akademiker oder ein Minister oder ein Wirtschaftsführer darüber gesprochen hat, sondern weil es einen wirklich guten Dokumentarfilm von David Attenborough mit dem Titel "Blue Planet" gab, der die Fantasie der Leute wirklich angeregt hat. Wenn wir also über Innovation sprechen, dann geht es nicht nur um das Wettrennen im Weltraum und so weiter. Es geht darum, den kreativen Sektor, die ganze Kraft der Poesie, des Theaters, der Musik zu nutzen und die Menschen – alle möglichen Menschen in allen möglichen Lebensbereichen – dazu zu bringen, ihre Lebensweise zu überdenken und zu überlegen, welche Art von Gesellschaft wir wollen.

Und dies ist genau der Punkt: Es geht bei der bildungspolitischen Diskussion nicht darum, was jetzt noch alles ins schulische Curriculum zu packen sei. (Lieber deutlichst entschlacken!) Vielmehr gilt es, ein gesamtgesellschaftliches soziokulturelles Mindset zu entwickeln, was sich selbstverständlich ko-kreativ ausprägt und Lust macht, Dinge zu entdecken und zu gestalten.

Also noch mal in kurz: Absolut hörens- oder lesenswert, dieses Gespräch zwischen zwei klugen Frauen!

Mehr Entrepreneurship wagen – als Staat und als Person

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Kommentare 2
  1. Maria Jose Perea Marquez
    Maria Jose Perea Marquez · vor mehr als 3 Jahre

    Liebe Anja, vielen, vielen Dank für die Kommentierung des Podcasts (die Serie ist nun in meinen Favorites abgespeichert 😉)!! Ich bin seit längerem bereits ein großer Fan von Mariana Mazzucato und ich freue mich jedes Mal, wenn durch die Verbreitung ihrer Arbeiten ihre Thesen Anklang in einer breiteren Gruppe der Gesellschaft finden, wie Sie das jetzt mit dem piq hier gemacht haben. Denn die Aussagen, die Sie oben zusammengefasst haben, sind sehr bedeutend in meinen Augen. Meine Hoffnung bleibt, dass die aktuelle Pandemiesituation als Krise ein Lernbeispiel wird, Änderungen in Staat und Wirtschaft hervorzurufen. Die SDGs sind dabei ein wichtiger Bestandteil und immerhin erkennen einige Unternehmen sie mittlerweile an, indem sie einige der SDGs in ihre Geschäftsziele integrieren - auch wenn dies immer noch sehr homöopathisch passiert ... Ein sehr lesenswerter Beitrag.

    1. Anja C. Wagner
      Anja C. Wagner · vor mehr als 3 Jahre

      Danke sehr! Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Von daher bleibt nichts anderes, als immer weiterzukämpfen, für eine nachhaltige Welt.

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