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Iraks Chemiewaffen: Das bekannte Geheimnis

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannMontag, 18.07.2016

C.J. Chivers macht sich in dieser Reportage auf die Spuren chemischer Waffen im Irak. Er beschreibt Fälle aus den Jahren 2004 bis 2011, in denen amerikanische Truppen auf versteckte Lager mit Granaten und Raketen gestoßen sind und beim Räumen dieser Lager in Kontakt mit Nervengiften wie Senfgas oder Sarin kamen, die schwere Verletzungen verursachten.

Detailliert beschreibt er die Fälle von 17 US-amerikanischen und sieben irakischen Soldaten, die unwissentlich in Kontakt mit den chemischen Waffen kamen, die es laut der militärischen Führung nicht geben darf. Nachdem es Pentagon und Army vor dem Einmarsch der USA im Jahr 2003 einmal misslungen war, den Nachweis von Massenvernichtungswaffen im Arsenal des einst verbündeten irakischen Diktators Saddam Hussein zu erbringen, wollte die militärische Führung der USA spätere Beweise plötzlich nicht mehr zur Kenntnis nehmen, nach dem Motto: Was nicht sein soll, darf nicht sein.

Auf persönlicher Ebene hatte das für die betroffenen Soldaten zur Folge, dass ihnen medizinische Versorgung und die Würdigung von Kampfverletzungen vorenthalten wurden. Soldaten, die unter schweren Kopfschmerzen, brennenden Augen, Übelkeit, Schwindel und sich ohne erklärbare Außeneinwirkung bildende Brandblasen litten, wurden mit einer Tube Wundheilsalbe wieder auf Patrouille geschickt, teilweise mit Simulationsvorwürfen konfrontiert.

Auf einer regionalen Ebene führte das zu dem Problem, dass Soldaten, die nun um für sie entstehende Probleme durch Funde chemischer Waffen wussten, diese häufig nicht mehr meldeten und ihre Entsorgung entweder klandestin durchführten oder die maroden Sprengkörper einfach wieder verbuddelten. So wurden sie einerseits zur Gefahr für die Bevölkerung und andere Soldaten - andererseits machte es dieses Verhalten noch schwerer einzuschätzen, wie viele der Waffen noch existieren und in welchen Händen sie sind.

Denn das Problem hat inzwischen eine globale Dimension dadurch bekommen, dass die Terrororganisation Islamischer Staat weite Teile der Gebiete kontrolliert (oder kontrolliert hat), in denen Chemie-Waffen immer noch zu vermuten sind. Die Dimension des Problems ist auch deshalb global, weil Chivers beweist - und die Kenntnisse und Recherchen des ex-Marines sind gerade deshalb so unschätzbar -, dass die Waffen Ende der 1980er-Jahre mit entscheidender Hilfe aus den USA und Europa hergestellt wurden. Deutsche Firmen haben zum Beispiel beim Bau von vier Waffenfabriken, -laboren und -testanlagen geholfen, und Saddams M110-Granaten wurden in den USA, später mit Lizenz in Spanien und Italien produziert - allein die letzteren beiden Länder lieferten 85.000 davon nach Irak. Und diese Waffen werden ein Problem bleiben, genau wie die Millionen Kalashnikov-Gewehre, die überall auf der Welt im Umlauf sind. 

Eines hat sich zumindest für die im Artikel erwähnten 17 US-Soldaten durch Chivers Reportage zum besseren gewendet. Die Existenz der Chemie-Waffen ist kein Tabu-Thema mehr, die medizinischen Hilfen wurden verbessert, militärische Würdigungen den Verletzten nachträglich verliehen und über eine neu eingerichtete Pentagon-Hotline meldeten bis März 2015 bereits knapp 600 weitere Soldaten Verletzungen durch chemische Waffen im Irak oder deren Funde.

Iraks Chemiewaffen: Das bekannte Geheimnis

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