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Inklusive Sprache ist ein Verfassungsgebot!

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
Zum Kurator'innen-Profil
Jürgen KluteSamstag, 25.11.2023

Mit den folgenden Sätzen beginnt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG, Artikel 1):

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Wer diese drei Sätze ernst nimmt, der kommt nicht drumherum anzuerkennen, dass inklusive Sprache – also auch gendergerechte Sprache – ein Gebot ist, das sich aus eben diesem Artikel 1 des Grundgesetzes zwingend ableitet. Vor diesem Hintergrund erstaunt es mich immer wieder, dass Parteien und mittlerweile auch Länderparlamente über ein Verbot gendergerechter Sprache diskutierten, also über einen fundamentalen Verfassungsbruch, der gleich den Bruch der internationalen Menschenrechte und der entsprechenden europäischen Konventionen mit umfasst.

Dieser Gedanke geht mir als juristischem Laien schon länger durch den Kopf. Nun bin ich auf dem Verfassungsblog auf einen Artikel von Ulrike Lembke gestoßen, die genau dieses Argument unterstützt und als Rechtswissenschaftlerin und Richterin am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin die Rechtsgrundlagen natürlich viel besser und detaillierter kennt. Aus Lembkes Sicht verstößt das Verbot inklusive Sprache nicht nur gegen Artikel 1 GG, sondern gegen eine ganze Reihe weitere Gesetze, die sich aus Artikel 1 GG ableiten. Lediglich eine Sprachregel ist nach Lembke – zumindest in Hessen – nicht erlaubt:

Eine Variante wurde jedoch explizit ausgeschlossen (Hervorhebung im Original): „Die männliche Form einer Bezeichnung kann nicht als Oberbegriff angesehen werden, der die weibliche und männliche Form einschließt.“ Damit war in Hessen bereits vor 40 Jahren eine Erkenntnis angesprochen, die heute vielerorts noch fehlt: Es gibt kein generisches Maskulinum.

Es wird höchste Zeit Parteien, Parlamente und Regierungen daran zu erinnern, dass Genderverbote einen Verfassungsbruch darstellen und inklusive Sprache vielmehr ein Verfassungsgebot ist! Mensch kann Ulrike Lembke nur Dank dafür aussprechen, dass sie diesen Sachverhalt noch einmal in Erinnerung gerufen und argumentativ sehr gut untermauert hat.

Inklusive Sprache ist ein Verfassungsgebot!

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Kommentare 105
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

    Na man kann ja vielleicht darüber streiten ob Inklusive Sprache ein Verfassungsgebot ist - aber dass Genderverbote ein Verfassungsbruch darstellen, dürfte eindeutig sein.

  2. Fabian Rosenbusch
    Fabian Rosenbusch · vor 12 Monaten

    Seltsam … das Grundgesetz existiert seit 74 Jahren und erst seit einigen Jahren wird im Sprachgebrauch ein Verfassungsverstoss gesehen. Wie ist das möglich? Das Grundgesetz wurde ja nicht geändert.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      Also mal angesehen davon dass das GG geändert wurde, gerade auch beim Artikel 3 (!), ist Ihre Frage gut zu beantworten:
      Nicht der Sprachgebrauch ist der Verstoß (*), sondern die aktuell erfolgten Gender-Verbote sind es.

      *wobei natürlich "Sprachgebrauch" ein Verstoß sein kann: zb dürfte der Gebrauch des Wortes "Neger" oder "Untermensch" allein schon strafrechtlich - sprich: Beleidigung etc. relevant geworden sein.

    2. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 12 Monaten

      Der Kommentar überrascht mich jetzt etwas. Das mit dem In-Kraft-Treten des GG nicht gleich alle Vorstellungen von Gleichheit und Menschenrechte in die Alltagspraxix umgesetzt wurden, sollte sich herumgesprochen haben. Es hat über 2 Jahrzehnte gedauert, bis die Gleichstellung von Frauen mit ersten kleinen Schritten in die Praxis umgesetzt wurde. In den 1960er Jahren z.B. brauchten verheiratete Frauen trotz der Gleichstellung im GG eine Erlaubnis ihres Ehemannes, wenn sie einen Arbeitsvertrag abschließen wollten. Und noch immer bekommen in der Bundesrepublik viele Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer. Das Aufschreiben von Grundrechten bedeutet eben nicht, dass sie damit auch automatisch Eingang in die Alltagspraxis gefunden haben. Das ist, wie sich zeigt, ein langer und zäher Kampf. Das gilt eben auch für die Sprache, für die selbstverständlich auch die Gleichstellung und das Diskriminierungsverbot gilt. Denn Sprache, Denken und Handeln sind ja aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Deshalb ist es wichtig, dass sich Menschenwürde, Menschenrechte, Gleichstellung und Diskriminierungsverbote – die tragenden Säulen einer Demokratie – in der Sprache spiegeln.

  3. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor einem Jahr

    Ich kommentiere hier nur, um ein wenig Balance in die Debatte zu bringen, weil sie, wie so oft bei ähnlichen Themen, von Männern dominiert wird ;-). Warum ist das wohl so?

    1. Anita H
      Anita H · vor einem Jahr

      Hm, ich diskutiere das durchaus immer mal. Unter Frauen, mit Frauen. Und mit Männern. Kontrovers. Nicht so klare Gegenpositionen wie in der Presse oft dargestellt. Und nein, nicht alle Frauen finden gendern gut , wichtig, hilfreich oder richtig.

      Was ich erlebe: Die Menschen sind sensibler als sich das in Zeitungsartikeln, TV-Beiträgen oder Sozialen Medien darstellt.

      Ich kann Feministin sein, Rentner, Student oder Minister, LTBQ-Allie - und Gendern ganz wichtig/modern finden oder es verteufeln - was bedeutet, was bringt es aber?
      Schutz von Frauen und Kindern interessiert mich, Solidarität, Aufklärung. Und wann wir endlich für Umverteilung sorgen! Die Ansammlung von Gütern, Informationen und Macht in den Händen weniger ist katastrophal, das gehört _gemeinsam bekämpft, anstatt sich in Kleinkriegen zu verlieren.

      Ungerechtigkeit ist eine wirtschaftliche (1), soziale Frage, keine semantische! Und ist daher m.E. auch nicht durch Sprachkosmetik zu lösen. Wenn es die Aufmerksamkeit auf diese Themen lenkt, echte Veränderung bringt, bin ich dabei. Jedoch, ich sehe es nicht, und ich glaube nicht daran.

      (1) Z.B."In der EU sind 82 % aller Kassenangestellten und 95 % aller Haushaltsputzkräfte und Haushaltshilfen Frauen."
      (Quelle: https://www.europarl.e...)

    2. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr

      @Anita H Dem kann ich nur beipflichten: Entscheidend ist etwas zu tun für reale Veränderungen, anstelle das Reden überzubetonen.
      Wichtig aber natürlich auch die anerkennende Ansage, was Frauen alles geschafft haben und schaffen.

      Ergänzend zur Problematik wirtschaftlicher Ungleichheit:

      Zwei französische Wissenschaftlerinnen schreiben auf Project Syndicate über genderspezifische Vermögensungleichheit, die sich bis heute auch innerhalb von Familien niederschlägt. Die wirtschaftliche Männermacht zeigen sie u.a. am extremen Fall der Scheidung von Amazon-Gründer Jeff Bezos und der Schriftstellerin MacKenzie Scott im Jahr 2019. Obwohl gesetzlich die Aufteilung des Vermögens in gleiche Teile vorgeschrieben war, blieb ein Rosenkrieg aus, und Scott trat die wesentlichen Vermögensteile an Bezos ab.
      Aber auch die Situation von Frauen, die praktisch kein Vermögen aufbauen können, ist ihnen nicht fremd: „Doch nun, da Einkommen zunehmend geringer bewertet werden als Vermögen, drohen Frauen wieder einmal am meisten zu verlieren. ... Es bedeutet, dass alleinerziehende Mütter aus der Arbeiterschicht auch in Zukunft vor beängstigenden Entscheidungen und Schwierigkeiten für sich und ihre Kinder stehen werden; und es bedeutet auch, dass geschäftliche Unternehmungen weiterhin die Domäne der Männer bleiben werden.“ https://www.project-sy...

    3. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Anita H Allein Ihr letzter Satz zeigt die Problematik mit von wegen Generisch und 'mitgemeint':
      Und wenn 85 % bzw. 95 hier sowieso weiblich sind - wieso nicht die weibliche Form Generisch nutzen und Männer sind mitgemeint?

  4. Vera K
    Vera K · vor einem Jahr

    Ich beobachte immer wieder in Foren oder Kommentaren, dass es vorwiegend Männer sind, die gegen das Gendern wettern. Auch hier sowie unter dem verlinkten Text ist dies zu beobachten.

    Mir scheint, da gibt es einen Zusammenhang. Wer nicht unter Diskriminierung zu leiden hat, hat leicht reden.

    Ich selbst bin eine Frau mit einer Liebe zu schöner Sprache. Fast alle Formen des sprachlichen Genderns gefallen mir überhaupt nicht. Ich wünschte, ich könnte darauf verzichten.

    Aber als Frau fühle ich mich überhaupt nicht wohl mit einem unhinterfragten generischen Maskulinum. Dies ist ein Relikt und ein Ausdruck einer patriarchalen Gesellschaft.

    Ich denke, die deutsche Sprachgemeinschaft muss irgendwann eine sprachliche Innovation finden, um die Schönheit und Ökonomie der Sprache mit der gleichwertigen Ansprache der Geschlechter zu vereinbaren.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      Dann ist Englisch oder Farsi der Ausdruck einer matriarchalischen Gesellschaft? Und Frauen werden dort weniger oder nicht diskriminiert?

      Ansonsten:
      "Fast zwei Drittel der Deutschen lehnen einer Umfrage zufolge eine gendergerechte Sprache ab. 65 Prozent der Bevölkerung halten nichts von einer stärkeren Berücksichtigung unterschiedlicher Geschlechter, wie eine Befragung von Infratest Dimap für die „Welt am Sonntag“ ergab. Im vergangenen Jahr lag die Ablehnung noch bei 56 Prozent.

      Die Mehrheit der Deutschen lehnt damit Formulierungen wie „Zuhörende“ statt „Zuhörer“ und die Nutzung des großen Binnen-I („WählerInnen“) in der Schriftsprache ebenso ab wie eine Pause vor der zweiten Worthälfte („Pendler_innen“) in der gesprochenen Sprache. Frauen bewerten die gendergerechte Sprache insgesamt positiver als Männer, dennoch stieg bei ihnen die Ablehnung von 52 auf 59 Prozent."

      https://www.faz.net/ak... (2021)

    2. Vera K
      Vera K · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl „Dann ist Englisch oder Farsi der Ausdruck einer matriarchalischen Gesellschaft? Und Frauen werden dort weniger oder nicht diskriminiert?“

      Natürlich nicht. Aber sie haben ja auch kein generisches Femininum.

      Wenn man schlussfolgert, sollte man das korrekt tun 😉

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Vera K Ok, aber die Frauen sind dort trotzdem "diskriminiert". Im Iran sogar wesentlich drastischer. So ganz klar kann man aus der Korrelation zw. generischem Maskulinum und Ungleichbehandlung also nicht auf Ursache und Wirkung schließen. Wenn es so wäre, müßten im Deutschen vielleicht auch die Sonne, die Erde und die Macht dem generischen Maskulinum folgen?

      Wie auch immer, man kann natürlich auch das generische Maskulinum hinterfragen. Das sei jedem selbst überlassen …..

    4. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Um diese Frage geht es hier gar nicht. Hier geht es um die Frage, ob ein Genderverbot vom GG gedeckt ist oder ob es sich dabei um einen GG-Bruch handelt. Solange Artikel 1 GG gilt, gebietet er eine inklusive Sprache – ein GG-Gebot, das bisher nur unzureichend umgesetzt wird. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

      An der Konstruktion des generischen Maskulinums waren m.W. keine Frauen beteiligt. Wären Frauen daran beteiligt gewesen, hätte es vielleicht ein generatives Femininum gegeben. Was dann allerdings auch keine inklusive Sprache gewesen wäre.

    5. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Der Kernsatz von GG 1 lautet "Die Würde des Menschen ist unantasbar" und nicht "Die Würde des Menschen drückt sich in inklusiver Sprache aus". Das GG "gebietet" keine Sprache. Ihre Behauptung ist nicht vom GG gedeckt.

    6. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Josef König Inklusive Sprache ist eine logische Folge aus Artikel 1 GG, wie auch alle anderen Diskriminierungsverbote und Gleichbehandlungsgebote. Das sollte eigentlich auch für Männer nicht so schwierig nachzuvollziehen sein. An der Festlegung dessen, was das so genannte generische Maskulinum sein soll, waren m.W. keine Frauen beteiligt. Allein das ist schon ein demokratisches Repräsentationsproblem.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute An der Evolution der Sprachen waren auch Frauen beteiligt. Der Begriff "die Menschheit" umfasst z.B. auch Männer. Ich fühle mich jedenfalls zugehörig.

    8. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Dann schau mal in "Was heißt hier Deutsch? Kleine Geschichte der deutschen Sprache" von Wolfgang Krischke. Unter all den denen, die im Laufe der Jahrhunderte an der Gestaltung der deutschen Sprache in Form von Grammatiken, Wörterbüchern, und anderen Werken zur deutschen Sprache ist mir kein Frauenname aufgefallen. An der Festlegung dessen was das so genannte generische Maskulinum sein soll, waren Frauen schlicht nicht beteiligt. Und Menschen mit anderen diversen Identitäten erst Recht nicht. Über die deutsche Sprache haben über Jahrhunderte nur Männer entschieden. Männer haben grammatische Regeln definiert und auch die Rechtschreibregeln. Da muss mensch sich halt nur mal Fachbibliotheken anschauen.

    9. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Wolfgang Krischke soll so etwas geschrieben haben? Der setzt sich in der FAZ aber sehr regelmäßig sehr kritisch mit dem Gendern auseinander.

    10. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Dirk Liesemer Nein, Krischke hat sich in dem genannten Buch nicht zum Gendern geäußert, aber zur Geschichte der deutschen Sprache und er stellt die wichtigsten Personen vor, die relevante zur Entwicklung der deutschen Sprache beigetragen haben. Und das waren nun mal Männer und keine Frauen, die sich da im Laufe der Jahrhunderte zu Wort gemeldet haben. Frauen waren also an diesen Debatten zur Entstehung der deutschen Sprache schlicht nicht beteiligt. Das wird aus dem Buch von Krischke sehr deutlich, auch wenn er das nicht thematisiert hat. Man sieht es am Literaturverzeichnis.

    11. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Die Debatten zur Entstehung der deutschen Sprache sind nicht die Entstehung der Sprache selbst. Die gesamten Einzelwissenschaften waren lange vorrangig von Männern getragen. Ohne dass diese dann als Gruppe an den Ergebnissen "schuld" sind. Es gibt auch keine weibliche oder männliche Physik. Genau so wenig wie eine jüdische oder deutsche. Das mag bei den Sozialwissenschaften nicht so streng gelten, aber im Grunde auch. Es gibt bei der Genderwissenschaft ja Männer und Frauen und auch bei Befürwortern und Gegnern.

    12. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Es geht hier nicht um Schuldfragen, sondern um Fragen der Gleichheit und der gleichberechtigten Repräsentanz. Die war bis vor wenigen Jahrzehnten eben so, dass Frauen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen – dazu gehörte auch die Wissenschaft – nicht präsent und beteiligt waren. Das sind nun mal Fakten. Was macht es so schwer, das einfach mal anzuerkennen und daraus Konsequenzen zu ziehen?

    13. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Keiner argumentiert doch gegen die gleichere Beteiligung von Frauen im realen Leben, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Nur wird das weder die wissenschaftlichen Ergebnisse noch die Sprache grundlegend verändern oder gar umkonstruieren. Auch brauchen wir dazu kein Gendern. Solche Veränderungen geschehen, wenn wissenschaftliche Ergebnisse sich empirisch als falsch herausstellen oder wenn die Menschen im Alltag anders sprechen wollen.

    14. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Da liegst du falsch. Sprache ist immer auch ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse und führt eben kein von diesen losgelöstes Eigenleben. Deshalb gibt es ja das so genannte generische Maskulinum.

      Mit der Durchsetzung der Menschenrechten hat sich aber auch die Vorstellung der Gleichheit aller Menschen durchgesetzt und damit eben auch die Gleichstellung von Frauen und Männern. Dem muss die Sprache sich zwangsläufig anpassen. Und in diesem Prozess sind wir mitten drin. Sonst gäbe es die Diskussion um gendergerechte Sprache ja nicht. Gleichzeitig zeigt diese Debatte, dass Sprache prozesshaft und bis zu einem gewissen Grad eben konstruiert ist bzw. Ergebnis von Konventionen ist. Es gab Zeiten, da Kinder ihr Eltern gesiezt. Heute setzt sich in weiten Teilen im Deutschen das Du durch. Auch diese Entwicklung zeigt, dass Sprache prozesshaft ist und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt und zugleich sprachliche Entwicklungen auch gesellschaftlich Entwicklungen beeinflusst, also Bewusstsein verändert. Das ist aber alles nicht so ganz neu und ich bin etwas irritiert, das so etwas überhaupt noch diskutiert wird.

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Die Sprache muß gar nichts. Sicher ist sie auch ein gewisser Spiegel der Gesellschaft, nur nie 1zu1. Und Entwicklung ist ein offener Prozess. Wenn die Menschen (Männer und Frauen) es wollen, wenn es ihnen wichtig ist oder gar bequemer und einfacher, dann werden sie die Sprache in diese Richtung anpassen. Ansonsten nicht. Weder die Sprache noch der Staat muß da was. Ob das zu mehr oder weniger Gerechtigkeit oder gar Gleichheit führt (beides sind ja etwas anderes), das wird man sehen. Die heftige Diskussion ist m.E. eine Diskussion unter Minderheiten. In der wirklichen Welt treffe ich kaum jemanden der wirklich gendert. Auch die Umfragen dazu sagen das eigentlich. Aber wir können uns da beruhigt zurücklehnen. Die Sprache wird sich entwickeln, wohin auch immer.

    16. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Ha, wenn die Menschen es (nicht) wollen: wieso es dann verbieten müssen??

    17. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Wer will denn verbieten? Es geht ja um's gebieten.

    18. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Äh nein: es geht explizit um das Verbot zu gendern!

    19. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Verstehe ich nicht. Wer will wem das Gendern verbieten?

    20. Vera K
      Vera K · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Sorry, aber diese ganze Diskussion ist völlig aus dem Ruder gelaufen.
      Der hier gepiqte und diskutierte Text beginnt folgendermaßen:

      „ In Hessen haben sich CDU und SPD für ihre Koalitionsverhandlungen auf ein Eckpunktepapier geeinigt, in dem sie auch ankündigen, festzuschreiben, „dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt“. Gemeint ist damit ein Verbot geschlechtergerechter Sprache nicht nur für Schulen, sondern auch für grundrechtsberechtigte (und ‑verpflichtete) Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Ein solches Verbot wäre offensichtlich verfassungswidrig – doch seine Ankündigung bringt politischen Profit.“

      Der Ansatzpunkt des Textes ist tatsächlich der Umstand, dass die Politik Anstalten macht, Menschen einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch ZU VERBIETEN. Die Argumentation zielt in erster Linie darauf ab, dass diese Verbotsbestrebung verfassungswidrig wäre.

      Leider wird diese Argumentation, die durchaus stichhaltig ist, in dieser Kommentar-Diskussion ignoriert, um stattdessen darüber zu polemisieren, dass das Grundgesetz uns doch nicht vorschreiben kann, wie wir zu sprechen und zu schreiben haben.

      Aber genau darum geht es ja: der genannte politische Vorstoß in Hessen will Menschen vorschreiben, auf das Gendern der Sprache verzichten zu MÜSSEN.

    21. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Vera K Also verboten wird ja höchstens der dienstliche Gebrauch als "Amtsperson". Man folgt da dem Rat der deutschen Sprache. Irgend ein Ordnungsprinzip sollte es doch in solchen öffentlichen Institutionen geben. Und das sollte sich an den Mehrheiten ausrichten. Dort konnte noch nie jemand formulieren wie ihm der Schnabel gewachsen war. Ansonsten kann jeder Reden wie er will. Jetzt daraus ein generelles Verbot des Genderns zu konstruieren, ist m.E. nicht zielführend.

    22. Vera K
      Vera K · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Ich hatte versucht, in meinem Kommentar rein logisch-argumentativ vorzugehen.
      Ihre Antwort verdreht die Aussagen und Argumente (z.B. geht es um Schulen, Unis, Medien, nicht um Amtspersonen. Es geht um das Grundgesetz, nicht um Mehrheiten. Ich hatte nichts von einem generellen Verbot geschrieben.)

      Da Sie sich die Dinge passend drehen, entsteht bei mir der Eindruck, dass Sie hier rein ideologisch debattieren. Dem kann ich nichts entgegensetzen.

    23. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Vera K Also was soll den nun wem genau verboten werden? Ich denke nicht, dass man Schülern oder Studenten das Gendern verbieten will oder kann. Auch nicht in Schulen oder Unis. Sicher auch den Lehrern etc. nicht den mündlichen Gebrauch. Das geht aus dem Text für mich so auch nicht hervor. Die Lehrer oder Verwaltungen kann man hingegen schon anweisen im offiziellen Schriftverkehr auf das Gendern zu verzichten. Für diesen Bereich hat es schon immer jeweils einheitliche Formulierungsregeln für die dort agierenden öffentlich Beschäftigten ("Amtspersonen") gegeben. Und diese Regeln sollten für die Mehrheiten akzeptabel/verständlich sein, wie es (hoffentlich) der am Rat der deutschen Sprache vorschlägt. Was natürlich in dem aktuellen Amtsdeutsch auch nicht immer gegeben ist. Das hat aber doch mit dem Grundgesetz nichts zu tun.

    24. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl ...dann gibst du aber Vera insofern recht, dass es jedenfalls falsch wäre, wenn es jetzt doch so kommt, dass Menschen der Gebrauch gendergerechter Sprache verboten würde Thomas? Das interessiert mich, denn das eher konservative Lager in dieser unseligen Debatte hat ja nun viel gestöhnt seit Jahren, über das, was es angeblich alles nicht mehr darf und zu was es aus ideologischen Gründen gezwungen würde. Und nun kommt tatsächlich ein Verbot (wie es auch immer ausfallen mag dann) und, oh Wunder, es kommt nicht von den woken Sozialist'innen.
      Klar kann jede Organisation (egal ob Amt, Behörde, Unternehmen oder sonst was) bestimmen, wie das in ihren "corporate" Texten gehandhabt werden soll. Dass das zentral bestimmt werden soll, ist aber staatlich übergriffig und de facto ideologischer als alles, was für gendergerechte Sprache unternommen wurde oder? In dem Moment, wo eine Person als Person schreibt, wäre eine verpflichtende Vorgabe egal aus welcher Richtung in meinen Augen immer schlimm.

    25. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Marcus von Jordan Natürlich darf man Menschen nicht vorschreiben, wie sie sprechen oder schreiben. Das gilt für mich für beide Seiten, für das Gebieten und das Verbieten des Genderns. Auch wenn ich das betonte Gendern für Quark halte. Ich habe bisher auch noch kein Verbot gendergerechter Sprache gesehen. Was auch immer man darunter verstehen will. Und solange ist das für mich eher ein Fake ….. Aber vielleicht habe ich was übersehen.

      Was ich mir vorstellen kann ist im behördlichen/öffentlichen Bereich eine Norm, wie schriftlich verfahren wird. Eben das nicht Verwenden von Sonderzeichen. Auch heute kannst Du als Mitarbeiter in (öffentlichen) Institutionen nicht unbegrenzt Inhalt und Form frei wählen.

      Was mich etwas irritiert hat, dass daraus auf einmal ein "Genderverbot" konstruiert wird. Ohne das genau gesagt wird, was da (angeblich?) verboten wurde/werden soll. Und man plötzlich in den Verdacht kommt, man wolle auch ein Verbieten des Genderns. Man wird ja dann auch schnell zum "Verfassungsfeind", weil die ja angeblich eine "gendergerechte" Sprache gebietet. Das ist doch eine zunehmend absurde und hysterische Diskussion. Haben wir nichts wichtigeres zu tun?

    26. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl na ja... wer hat denn "konstruiert"? Söder spricht explizit davon, dass er das "verbieten" wird. Und in Hessen und Thüringen sprechen die Zuständigen auch von Verboten, die sie etablieren wollen. Da kann man jetzt schwer den Kritiker'Innen die Schuld geben, wenn sie das für bare Münze nehmen oder?
      Ansonsten: ja. ok.

    27. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Marcus von Jordan Ich habe nicht gehört was Söder &Co. da irgendwann von sich gegeben hat. Politiker reden, versprechen viel und das laut, wenn der Tag lang ist. Besonders im Wahlkampf. In den Überschriften der Medien steht auch was von Genderverboten obwohl der Inhalt das nicht hergibt. Aber wir sollten doch nicht an Hand von medialen oder politischen Überschriften diskutieren, sondern über das was dann wirklich passiert. Und da gibt es für mich auch eine Pflicht für Bürger sich genauer zu informieren. Wir leben ja nicht erst seit heute in dieser Unkultur?

    28. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Söder hat in seiner Regierungserklärung wörtlich gesagt, dass sie (die Regierung in Bayern) das Gendern an Schulen und Behörden verbieten werden.

      Auch in Hessen und Thüringen war das die Wortwahl der Politik, die diese Maßnahmen angekündigt hat. Hab grad keine Muße, dir die Belege rauszusuchen, aber ich erinnere mich an diese Statements. Da muss ich ausnahmsweise die Schlagzeilenschreiber'Innen in den Medien mal in Schutz nehmen. Es wird höchst absichtlich mit dem Versprechen eines Verbotes gearbeitet, um rechts zu punkten. Und die, die den Woken hysterisch den Wunsch nach Verboten unterstellt haben, reden diese direkt angekündigten Verbote (aus der anderen Richtung) jetzt klein. Ich hätte mir gewünscht, sie hätten auch vorher über das diskutiert, was wirklich passiert.

    29. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Marcus von Jordan Nochmal, ja Söder u.a. haben wohl von Genderverboten gesprochen. Und in den Überschriften der Medien steht es auch. Tatsächlich geht es, so die Texte, aber wohl um die Sonderzeichen im Schriftlichen. Hier ein Beispiel in der Zeit: Überschrift "Sprache : Bayern: Söder kündigt Gender-Verbot an". Text: "Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will künftig das Gendern in Schulen und in Behörden des Freistaats verbieten. «Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen», sagte der CSU-Chef in seiner ersten Regierungserklärung in der neuen Legislaturperiode im Landtag.
      …..
      Binnen-I, Unterstrich, Gendersternchen und Co. sind ein bundesweit immer wieder kontrovers diskutiertes Thema - in einigen Bundesländern gelten bereits wie von Söder in Bayern angepeilte Verbote oder es gibt Bestrebungen danach.

      So werden beispielsweise an Schulen in Sachsen und Sachsen-Anhalt Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache abgelehnt. In Sachsen werden Paarformen wie Schülerinnen und Schüler und geschlechtsneutrale Formen wie Lehrkräfte oder Jugendliche empfohlen. Genderformen werden etwa in Aufsätzen als Fehler markiert.

      Sachsen-Anhalts Bildungsministerium untersagt an seinen Schulen zwar die Nutzung sogenannter Gender-Sternchen und ähnlicher Konstruktionen, lässt den Lehrkräften bei der Bewertung von Schülertexten aber Spielraum."

      https://www.zeit.de/ne...

      Und der bayerische "Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) betonte wenig später, gerade an Schulen und in der Verwaltung sei es wichtig, eine verständliche Sprache zu pflegen – "und nicht das Erlernen unserer Muttersprache unnötig zu erschweren". Mit dem Gender-Verbot halte sich der Freistaat "konsequent an die klare Empfehlung des Rates für deutsche Rechtschreibung, so wie es andere Länder auch schon tun, zum Beispiel Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein". …"

      https://www.br.de/nach...

      Oder hier: Überschrift: Hessen will kein Gendern an Hochschulen

      Und dann: In drei Bundesländern sind Genderzeichen an Schulen verboten. Hessen will das Verbot auf Unis und Rundfunk ausweiten und erntet Kritik.
      https://www.forschung-...

      Es wird also (wohl auch in Bayern) nicht "das Gendern" verboten, sondern das Verwenden von Sonderzeichen in Texten im öffentlichen Dienst etc.. Soviel Genauigkeit muß sein, ehe man sich aufregt. Gerade im Journalismus. Aber Söder und Co. hatten wieder ihren Auftritt.

    30. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Lieber Jürgen,
      erst mal danke für Deinen Piq, ein Rückschritt wie in Hessen angestrebt wäre sicher nicht gut.

      Und liebe Piqerinnen und Piqer,
      liebe Community,
      jetzt kommt noch ein Mann hinzu, der evtl. auch wieder nur Gender-Bedenken hat ...
      Aber nicht nur.

      Hier ist ein sehr fundierter Artikel (2022) einer Rechtswissenschaftlerin, Anna Katharina Mangold. Feministische Rechtswissenschaft sowie deutsches Verfassungs- und Verwaltungsrecht sind ihr Forschungsschwerpunkt.
      Bemerkenswert:
      1) Heftige Anfeindungen, denen Ulrike Lembke wegen eines früheren Gutachtens für die Stadt Hannover ausgesetzt war, haben sie erschrocken, sie findet das völlig inakzeptabel. „Doch auch wenn ich der Stoßrichtung von Kollegin Lembkes Vorschlag zustimme, habe ich doch ein anderes Verfassungsverständnis: Wir müssen genau schauen, wo unsere Verfassung tatsächlich verpflichtende Vorgaben macht, die nicht unterschritten werden dürfen.“
      Sie nimmt auch Bezug auf das Klimaschutz-Urteil des BVerfG, das besagt, dass etwas gemacht werden muss, ohne konkrete Vorgaben zu machen, was genau (und jetzt könnten wir zum Schuldenbremse-Urteil hinzufügen: gerügt wurde lediglich, wie es nicht getan werden durfte, ohne zu sagen, wie es hätte müssen).
      2) Ein weiteres wichtiges BVerfG-Urteil aus 2017, über das ich auch in meiner Arbeit in der Statistik am Rande erfahren habe (nicht mein spezielles Fachgebiet), betrifft das Personenstandsrecht. Da wird es sehr konkret:
      Gendergerechte Sprache im Personenstandswesen muss nicht nur die biologischen Geschlechter ansprechen: „Die Verfassung meint auch Frauen oder nicht-binäre Personen, selbst wenn im Text ‚jeder‘ steht. Diese universalistischen Deutungen des bestehenden Rechts gilt es zu schützen und nicht in Frage zu stellen. Frauen oder Menschen, die nicht binär sind, müssen sich auf diese Normen berufen können.“
      https://www.lto.de/rec...

      Als Nicht-Jurist und Nicht-Linguist kann ich die vielen sachlichen Beiträge hier nicht beurteilen.
      Dennoch:
      Mit rechtlichen Mitteln allein lässt sich in vielen oder sogar den meisten Fällen auch im Rechtsstaat keine Gerechtigkeit erreichen, schrieb ich schon mal auf diesem Portal (https://www.piqd.de/fu...). Auf diese Überzeugung komme ich unten zurück.

      Die Beiträge von Frauen hier, die über ihre Empfindungen zu dieser Thematik offen sprechen, schätze ich. Wünschte mehr davon, ggf. auch Verweise auf Forschungsergebnisse von Sprachwissenschaftler’innen zur Genesis oder der Existenz des generischen Maskulinums schlechthin. Pauschale Vorwürfe gegen die Männerdominanz in dieser Diskussion finde ich unangebracht; sie wurde bis dato i. W. getragen von zweien, die sich generell sehr intensiv und extensiv beteiligen.

      Sprache und Recht können gesellschaftliche Entwicklungen entscheidend fördern, oder auch behindern. Meiner Überzeugung nach sind jedoch Taten wichtiger. Die Schweiz, nach Rousseau ein „Ort urtümlicher Demokratie“, war unter den Schlusslichtern in Europa bei der Einführung des Frauenwahlrechts: https://de.wikipedia.o...

      Fortsetzung ...

    31. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr

      @Lutz Müller ... In D wurde bereits viel zur Repräsentation von Frauen in der Sprache getan, das dient dem Wohlbefinden, erzeugt „gefühlte“ Repräsentation. In vielen Lebensbereichen ist es noch weit, um wirklich einen Durchbruch zu erzielen. U. a. fehlen oft geeignete Maßnahmen, die die biologische Mehrbelastung von Frauen kompensieren helfen. Bspw. müssten bei gleicher Eignung für eine Aufgabe Mütter besonders gefördert werden, sagte vor vielen Jahren ein renommierter Demograf.

      Meiner Einschätzung nach sehen Menschen, die im Osten sozialisiert wurden, die Genderthematik in der Sprache gelassener oder regen sich noch häufiger über unaussprechliche Medienstars, in Rundfunk und TV, und ein Sternengewimmel im Text auf. Bestimmt hat das mit größeren Fortschritten in der realen Gleichberechtigung in der DDR zu tun, obwohl auch da die Erklärung in der Verfassung nicht ausreichte. Bei Würdigung der Leistungen aller Kollegen war automatisch die weibliche Belegschaft einbezogen, die in meinem Arbeitsleben zumeist dominant war. Im oberen und teilweise auch mittleren Management freilich waren Männer in der Überzahl. Ebenfalls im Russischen gibt es allgemein nur das generische Maskulinum, wenige Unterscheidungen ausgenommen, u. a. analog EN für actor/actress.

      Maßvolle Verwendung von Bezeichnungen beider Geschlechter oder von Sternchen, Apostrophen & Co. fände ich einen gangbaren Kompromiss um klarzumachen, dass es nicht nur um die Männerwelt geht. Wäre das im Interesse der Leserinnen, Hörerinnen und Zuschauerinnen?

      Abschließend noch ein Rückgriff auf eine historische Negativwirkung von Sprache, LTI - Lingua Tertii Imperii: kein spezieller, wohl aber partieller Anti-Feminismus in der Sprache des Dritten Reichs – Männer waren Helden, Frauen die guten Mütter.
      Im unvergessenen Werk von Victor Klemperer bekommt die DDR-Propagandasprache ebenfalls ihr Fett ab: https://www.deutschlan...
      Was würde der Autor heute zur Gendersprache sagen, oder zu der noch an einigen Stellen, auch geschlechterunspezifisch, bürgerunfreundlichen Bürokratiesprache?

    32. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Lutz Müller Danke, das ist ein gutes „Schlußwort" ….

    33. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl "Wir brauchen" - wer spricht?
      : - )

      Wo kommt denn das zb Gendern her, ist es vom himmel gefallen?

    34. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Sprachen entstehen und entwickeln sich doch nicht in Fachbibliotheken. Es ist noch nicht lange her, da konnten die meisten gar nicht lesen oder schreiben. Da wurde gesprochen wie einem der Schnabel gewachsen war. Es gibt auch einen Unterschied zw. Schriftsprache und Umgangssprache. Und an beiden haben Männer und Frauen mitgewirkt. Auch wenn die wissenschaftliche Beschäftigung lange sicher durch Männer dominiert wurde.

    35. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Schau dir mal die Entwicklungsgeschichte der deutschen Sprache genauer an. Krischkes Buch ist ein hervorragender Einstieg. Und natürlich sind alle Sprachen, die standardisiert sind und über ausgefeilte Grammatiken und Wörterbücher verfügen, Sprachen, die nicht allein natürlich entstanden sind, sondern die eben auch stark durch Sprachwissenschaften geprägt wurden. Das gilt aber insbesondere für die Hochdeutsche Sprache aber auch für das Standard-Niederländisch. Die Standardsprachen oder Hochsprachen sind in der Tat stark geprägt durch Sprachwissenschaftler und seit wenigen Jahrzehnten zunehmend auch durch Sprachwissenschaftlerinnen. Etwas simplifiziert formuliert kann mensch durchaus sagen, dass Sprachen auch in Fachbibliotheken mitentwickelt werden. Und Krischke zeigt in seiner Geschichte der deutschen Sprache am Beispiel des Dativ-e auf, dass auch Religion und Politik eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Sprachentwicklung spielen. Das Dativ-e galt in katholisch geprägten Gebieten lange als protestantisch und wurde aus Protest, so Klischke, daher von Katholiken nicht benutzt. Dass das generische Maskulinum unpolitisch – also natürlich – sei, ist eine Erzählung, die in das Reich der Märchen, Sagen und Mythen gehört.

    36. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Was W. Krischke zum Gendern sagt: „Der Kampf für eine „geschlechtergerechte Sprache“ ist ein Kampf gegen das generische Maskulinum. Es wird verwendet, wenn es auf die Geschlechtszugehörigkeit nicht ankommt. Werden alle Wähler zur Stimmabgabe aufgefordert, gilt das für die Gesamtheit der Wahlberechtigten, nicht nur die Männer unter ihnen. Doch die Genderer leugnen diese Geschlechtsneutralität. In Ausdrücke wie Wähler oder Einwohner ist nach ihrer Überzeugung die Männlichkeit tief eingeschrieben. Im generischen Maskulinum sehen sie einen Trick des Patriarchats, mit dem willkürlich ein Teil für die Gesamtheit der Geschlechter gesetzt wird.

      Was die Genderverfechter nicht wahrhaben wollen: Hinter dem generischen Maskulinum steckt ein grundlegendes Strukturprinzip, das sich in vielen Sprachen nicht nur in der Grammatik, sondern auch im Lautsystem und im Wortschatz findet. …… Wegen dieser Doppelgesichtigkeit des generischen Maskulinums ist ein Satz wie Frauen sind die besseren Polizisten sinnvoll im Gegensatz zu Frauen sind die besseren Polizistinnen. Umkehren lassen sich die Verhältnisse nicht: Eben weil die femininen Substantive markiert, also spezifischer sind als die unmarkierten Maskulina, können sie keine geschlechtsübergreifende Funktion übernehmen. Dies im Gegensatz zur Person, die zwar auch ein Femininum ist, aber kein maskulines Gegenstück hat.„
      Aber Krischke ist ja auch ein Mann und daher in dieser Diskussion nicht wirklich vertrauenswürdig 🤔
      https://www.welt.de/ku...?

    37. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Und wer hat das alles als Regel festgelegt, was du oben aufgeführt hast? Dich wohl in der Regel Männer. Und Definition sind per se kulturelle Konstruktionen. Folglich ist das generische Maskulinum eine Definition bzw. Konstruktion, die von Männern entwickelt wurde. Die stellen aber nur rund die Hälfte einer Gesellschaft. Das GG und die Menschenrechte stellen Männer und Frauen aber gleich. Folglich entspricht eine allein von Männern entwickelte Definition nicht dem, was das GG und die Menschenrechte formulieren: die Gleichheit aller Menschen. Denn danach müssen Frauen zwingend auch an der Definition solcher Sprachregelungen beteiligt werden.

    38. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Noch mal, die Sprache und das generische Maskulinum war schon vorher, also ehe das durch Männer in Duden etc. aufgenommen und definiert wurde die Regel. Es ist kein künstlich durch Männer konstruiertes Machwerk (siehe den Beitrag von D. Liesemer). Und den Frauen und Männern ist auch nicht geholfen, wenn man das jetzt nachträglich künstlich umkonstruiert. Wir können gern eine Volksbefragung machen. So viel ich weiß wäre auch eine Mehrheit der Frauen nicht für eine neue gendernde Sprache.

    39. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Die Entwicklung der deutschen Hochsprache begann schon vor dem Duden – und zwar in einer Zeit, als Frauen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen nicht vorgesehen waren. Das spiegelt sich dann selbstverständlich auch in der Sprache wieder. Sonst gäbe es ja heute nicht die Debatte um gendergerechte Sprache. Ich verstehe wirklich nicht, was daran so schwer zu verstehen ist. Wenn Frauen im öffentlichen Bereich nicht vertreten bzw. nicht zugelassen sind, wie es über Jahrhunderte der Fall war, dann ist doch klar, dass Frauen auch nicht angesprochen werden. Das hätte wohl sehr unpassend geklungen, auch Frauen anzusprechen, wenn vor einem nur Männer sitzen. Aber heute ist das nun mal anders, heute sind Frauen in (fast) allen gesellschaftlichen Bereichen präsent. Und da ist es eine Selbstverständlichkeit, sie auch anzusprechen. Das gebietet nicht zuletzt auch der Anstand. Das generische Maskulinum ist eine pseudorationale Konstruktion, um sich dem gesellschaftlichen und demokratischen Fortschritt zu entziehen. Kann man machen. Sollte man dann aber fairerweise auch so benennen.

    40. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Das ist eine sehr unterkomplexe Geschichtskonstruktion. Aus der Tatsache, dass in den Jahrhunderten vor der Neuzeit Frauen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen nicht vorgesehen waren zu schließen, sie wären nicht an der Sprachentwicklung beteiligt gewesen, das macht ihre Rolle in der Gesellschaft wohl noch kleiner als sie vielleicht war. Nichts spiegelt sich da selbstverständlich in der Sprache wieder. Und dann zu sagen "sonst gäbe es ja heute nicht die Debatte um gendergerechte Sprache" ist dann endgültig ein Zirkelschluß.

      Wir werden keine Gerechtigkeit herstellen, in dem wir ein jahrhunderte alte Sprachentwicklung umkehren. Das generische Maskulinum ist überhaupt keine nur rationale Konstruktion. Das gilt mehr oder weniger für alle Entwicklungsprozesse oder -ergebnisse. Die Vorstellung, eine Gesellschaft sei rational konstruiert oder könne überhaupt streng rational Konstruiert werden (und das wäre dann der Fortschritt) ist sicher ein alter (nicht nur linker) Traum. Daraus dann für sich und generell Anstand und Fortschrittlichkeit abzuleiten ist eine Selbstermächtigung, die immer wieder in die Hose gegangen ist. Und es hilft auch nur bedingt bei der Durchsetzung dieser Fortschrittsideen. Früher oder später kippen all diese Vorstellungen in das nicht mehr rationale recht haben wollen. Man sieht sich auf der Siegerstrasse des Fortschritts ist aber in einer Sackgasse. Ich würde Fortschritt nicht am Grad des Genderns fest machen wollen sondern an der realen Beteiligung von Frauen am wirklichen Leben.

    41. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Umkehren? Wer will denn was umkehren? Niemand will zb ein generischen Feminimum erzwingen...

    42. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König Es verbietet aber auch keine (solange ihr Gebrauch niemanden schadet).

    43. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Es schadet der Sprache, vielen Migranten und den Blinden, denen Automaten vorlesen.
      Zudem: Behördensprache ist schon unverständlich genug, soll sie durchs Gendern noch komplizierter werden?

    44. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König ...genauer wird sie dadurch, präzisier.
      Und rein technische Probleme sind kein (großes) Argument.

      Und wieso Behördensprache? Es geht beim geplanten Verbot gerade auch um den Gebrauch durch Lehrkräfte und Schülerschaft.

    45. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Es ist kein „rein“ technisches Problem, wenn man Blinde und Sehschwache ausschließt oder Schulklassen, in denen zT die Mehrheit der Schüler Migranten sind, die kaum Deutsch können eine Sprache unterischtet bekommen, die selbst die Mehrheit der Deutschen Probleme bereitet und ablehnt. Schauen Sie sich die aktuellen PISA Ergebnisse an.
      Es gibt keine „präzise“ Sprache, und sie ist auch nicht dazu geschaffen. Wenn Sie eine präzise Sprache wollen, sollten Sie Mathematk studieren.

    46. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Und deshalb gilt das Verfassungsgebot einer inklusiven Sprache nicht mehr? Das ist eine sehr eigenartige Interpretation des GG.

    47. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Wie kommt man eigentlich auf die Idee, dass unsere Grammatik nicht inklusiv sein soll?

    48. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Dirk Liesemer Weil das so genannte generische Maskulinum nur Männer anspricht. So habe ich das immer empfunden.

    49. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute So ist es aber nicht definiert und so wird es von den allermeisten Menschen auch nicht verstanden. Vielleicht hilft an dieser Stelle mal Wikipedia weiter (man findet es auch sonst an vielen Stellen im Netz): "Generisches Maskulinum (von lateinisch genus „Geschlecht, Gattung, Art“, und masculus „männlich“) bezeichnet die sexusindifferente (geschlechtsneutrale) Verwendung maskuliner Substantive oder Pronomen." https://de.wikipedia.o...

    50. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Dirk Liesemer Kann Ban so definieren. Damit ist aber auch klar, dass es eine Definition , also eine Konstruktion ist. Man muss dann konsequenterweise aber auch weiter fragen, wer diese Definition festgelegt hat. Und dann fällt sehr schnell ins Auge, dass das Männer waren. Frauen hätten vielleicht ein generisches Femininum konstruiert.

    51. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Das ist alles sehr spekulativ. Und es übersieht, dass sich Sprache im Laufe der Zeit immer abschleift, sprich: Kürzere Formen setzen sich durch. Es gibt bisher genau eine solide sprachhistorische Auseinanderseitzung zur Geschiche des generischen Maskulinums, das ja aus Sicht der feministischen Linguistik angeblich eine neue Erfindung des bürgerlichen Zeitalters sein soll. Und da steht in der Pressemitteilung (die Studie selbst ist verlinkt und lesenswert): "Weiß und Trutkowski haben sich allgemeine Personenbezeichnungen vorgenommen wie Freund, Feind, Gast, Nachbar, Sünder – und konnten nachweisen, dass diese im Alt- und Mittelhochdeutschen keineswegs geschlechtsspezifisch verwendet wurden, sondern vielmehr generisch." Und ebenfalls sehr interessant: "Auch für die besonders in der Kritik stehenden Personenbezeichnungen auf -er belegt die Untersuchung eine sexusneutrale Verwendung ..." https://aktuelles.uni-...

    52. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Im Grundgesetz wird die Sprache eigentlich nur einmal erwähnt. Dort steht, das niemand wegen seiner Sprache diskriminiert werden darf. Das die Sprache selbst diskriminierend sei oder ein Gebot besteht sie inklusiv zu machen, davon steht dort nichts.

    53. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Es geht um die Frage der Inklusion. Da muss nicht jeder Lebensbereich, in dem Inklusion eine Rolle spielt, extra aufgelistet sein im GG. Inklusive Sprache ist – wie alle anderen Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote – eine logische Schlussfolgerung aus Artikel 1 GG. Sonst ergäbe Artikel 1 GG keinen Sinn.

    54. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Man kann sich zu dem sehr unscharfen und allgemeinen Worten des Artikels natürlich sehr unterschiedliche Logiken zusammenstellen. Das ist ja das Problem. Aber die Logik sollte dann auch verifizierbar, realistisch sein. Darum geht der Streit. Es macht keinen Sinn, in Diskussionen jedesmal und unmittelbar das schwere Geschütz GG aufzufahren.

    55. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Was ist denn nicht logisch daran, dass aus der Gleichheit aller Menschen auch eine inklusive Sprache als Verfassungsgebot abzuleiten ist?

    56. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Erstens spricht die Verfassung nicht von "der Gleichheit" der Menschen. Sondern von der Gleichheit vor dem Gesetz (und nicht vor der Sprache). Zweitens müßte dann auch klar bewiesen sein, dass die Sprache exklusiv ist/wirkt. Und Gendern inklusiv. Drittens kann man so allgemein alles mögliche an Logiken ableiten. Je nach Prämissen. Genau deshalb gibt es so was wie Verfassungsgerichte, die aus all den möglichen Logikketten letztinstanzlich und mittels Autoritätsbeweis die nach ihrer Interpretation richtige "auswählen" oder auch gestalten.

    57. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl Artikel 3 spricht schon von mehr als nur Gleichheit vor dem Gesetz

    58. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Das GG regelt das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern und das Verhältnis der Staatsorgane untereinander. Es schreibt Bürgern nicht vor, wie sie zu reden oder zu schreiben lassen.
      Diese ganze Diskussion krankt daran, dass man glaubt, das Pferd von hinten aufzäumen zu müssen. Anstatt tatsächlich eine Verbesserung im Gender-Pay-Gap oder anderen Bereichen des Lebens durchzusetzen, was sehr mühsam ist, arbeitet man sich an der Sprache ab, die sich nicht wehren kann.
      Aber Sprachen entwickeln sich langsam und folgen den Verhältnissen. Und jede Sprache hat ihre Eigenheiten und ihre eigene Geschichte, egal ob sie aglutiniert oder nicht, ob sie Genera mit er/sie/es, mit his/her nennt, ob der Mond männlich oder Lune weiblich ist, ob Katze als Gattungsname dient oder Hund. Das Japanische unterscheidet sogar eine Männer- von einer Frauensprache.
      Dass im Deutschen Berufsbezeichnungen und Wörter mit der Endung -er männliches Generum sind, hängt mit einer Sprachgeschichte seit dem Althochdeutschen ab, und auch Frauen haben diese Geschichte gesprochen und mitentwickelt. Sie waren nicht von der Sprache abgekoppelt.
      Am Versuch, Sprache willkürlich zu ändern, sind schon die Sprachgesellschaften des 17./18. Jahrhunderts gescheitert, ebenso die Nazis, die mit "Gesichtserker" die "Nase" als französisierend abschaffen wollten. In seinem Roman "1984" hat Orwell das auch sehr gut gezeigt.
      Ändert also die Verhältnisse, so wird die Sprache dem langsam folgen, aber der Versuch, rechtlich vorzuschreiben, wie wir sprechen und schreiben sollen, wird scheitern. Das sieht man im Beschluss dieser Tagen des "Tagesspiegel", der die "gendergerechte Sprache" abschafft, weil sie der Grund ist, dass Abonnenten ihr Abo kündigen.

    59. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Nachtrag: Im GG heißt es richtig "Der Bundespräsident" und "Der Bundeskanzler" - und angesprochen wird damit das Amt als solches. Es gilt im GG die Trennung von Amt und Person. So hieß Merkel offiziell nicht "Die Bundeskanzlerin" sondern "Frau Bundeskanzler".
      Diese Trennung fällt vielen schwer nachzuvollziehen, auch bei Berufsbezeichnungen. Wenn es heißt die "Lehrer" oder die "Bäcker" ist damit nicht eine Person angesprochen, sondern der/die Berufe des Bäckers oder des Lehrers. In dem Augenblick, in dem man beides verschmelzt, gerät man mit der deutschen Sprache in Konflikt. Und wenn es heißt "die Ärzte" oder "die Bäcker", so sind alle Ärzte und Bäcker angesprochen, obwohl im Plural die Genera ins Femininum im Deutschen wechseln.
      Bevor man also an der Sprache herumdoktert, sollte man verstehen, wie sie funktioniert.

    60. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König "sind"....?

      Und bitte: selbst die konservativsten Puristen haben über Frau Merkel nicht als Frau Bundeskanzler gesprochen - sondern eben als Kanzlerin.

      Und nur weil im gg Der Präsident etc. steht:
      1. Kann man das GG natürlich ändern.
      2. stehen in älteren Juristischen Texten doch häufig veraltete Begriffe. Ist ne Sache der Auslegung...

    61. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Wenn Sie die Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten dafür haben …

    62. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König Mein Argument ist ja gerade dass man nicht jeden alten Text modernisieren muss. Es aber kein Argument dafür ist, sein vorkommen auch als Verbot moderner Auslegung zu Werten.

    63. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Jürgen Klute Artikel 3 passt auch besser weil konkreter.

  5. Josef König
    Josef König · vor einem Jahr

    Moin, man kann wirklich nur mit dem Kopf schütteln, wer alles hier "Verfassungsrichter" wird - im Fall von Ulrike Lembke (vorgeschlagen von der Linksfraktion) eine Juristin, die seit Jahren mit fragwürdigen ideologischen Gutachten für die "gendergerechte Sprache" kämpft und damit die Interpretation des GG 3,3 arg überzieht. Dort heißt es, dass Niemand wegen seines "Geschlechts ... seiner Sprache" ... "bevorzugt oder benachteiligt" werden darf. Das findet in D auch nicht statt. Jeder kann schreiben und sprechen, wie ihm oder ihr oder es der Schnabel gewachsen ist. Es geht daraus aber nicht hervor, dass der Staat das verordnen muss oder gar darf! - Siehe auch: https://www.faz.net/ak...
    Im übrigen Herr Klute beziehen Sie in ihrem Kommentar sich fälschlicherweise auf GG 1 - und überziehen das Ganze noch mit der "Würde des Menschen", womit sie das Ganze noch stärker ideologisch adeln wollen. Die "Würde des Menschen" wird aber mit und seit Kant (1724-1804) so verstanden, dass kein Mensch als Mittel, sondern nur als Zweck behandelt werden solle.
    Mit freundlichem Gruß, Josef König

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      Wie würdest du denn Artikel 1 GG auslegen? Er gebietet doch wohl eine inklusive Sprache. Wie sonst sollte denn Artikel 1 GG umgesetzt werden (das gilt natürlich für viele andere Lebensbereiche auch)? Und was ist dein Problem mit einer inklusiven Sprache, die dem Grundgesetz Rechnung trägt?

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      Jeder kann.... äh eben nicht mehr wenn Gendern verboten wird

    3. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Wenn es zum Verbot kommen sollte, was ich nicht glaube, betrifft dieses nur die Schreiben von Behörden und offiziellem öffentlichen Dienst. Nicht jede(n). Als gute Demokraten sollte man den Willen der Mehrheit respektieren.

    4. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König Darum geht es aber: Bayern zb hat verboten. Und in Thüringen wird es an Schulen verboten!
      Und welchen Willen der Mehrheit bitte? Wäre mir neu dass es dazu Volksbegehren gegeben hätte.

    5. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Noch hat kein Land das verboten!
      Eine Regierung ist von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt, so funktioniert unsere Demokratie. Und es gibt relativ aktuelle Umfragen, bei denen selbst die Mehrheit der Frauen das Gendern ablehnt.
      Wenn aber Sie damit nicht einverstanden sind, steht Ihnen frei, ein Volksbegehren zu organisieren.

    6. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Josef König
      "In drei Bundesländern sind Genderzeichen an Schulen verboten. Hessen will das Verbot auf Unis und Rundfunk ausweiten und erntet Kritik. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gelten Genderzeichen in der Schule als Rechtschreibefehler".

      Umfragen sind keine demokratischen Äußerungen. Und was heißt schon "Gendern ablehnen" - was genau wird da abgelehnt? Das "Bäckerinnen und Bäcker"? Das "Backende", "Lehrer/in", "Lehrer*in"? Was genau?

      Ich glaube das ist vielen unklar oder in polarisierender Diskussion schlichtweg egal...

    7. Josef König
      Josef König · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Regierungen sind nunmal dazu legitimiert, ihre Amtssprache festzulegen, dazu gehört sowohl, wie Behörden schreiben und wie Schüler unterrichtet werden. Es gehört zu meinem Verständnis von Demokratie, das anzuerkennen.
      Im übrigen bin ich der Ansicht, dass Genderzeichen die Sprache verhunzen.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Bitte genau. Was wurde verboten?

    9. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 12 Monaten

      @Thomas Wahl https://www.zeit.de/ne...

      Und

      "In drei Bundesländern sind Genderzeichen an Schulen verboten. Hessen will das Verbot auf Unis und Rundfunk ausweiten und erntet Kritik. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gelten Genderzeichen in der Schule als Rechtschreibefehler"

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

      @Cornelia Gliem Es wurden also Sonderzeichen beim Schreiben "verboten". Nicht aber das allgemeine Gendern. Keinem wird verboten von "Bäckern und Bäckerinnen" zu sprechen. Wir sollten auf dem Boden bleiben beim Diskutieren.

    11. Josef König
      Josef König · vor 11 Monaten · bearbeitet vor 11 Monaten
  6. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor einem Jahr

    Na, da werden mal wieder Biologie und Grammatik munter durcheinander gewürfelt. Peinlich, dass der Verfassungsblog solch einem einseitigen, ideologischen Nonsens eine Bühne gibt.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      Die Argumentation erschließt sich mir aber nicht. Die Biologie versucht Vorfindlichkeiten systematisch zu erfassen und zu beschreiben. Grammatik beschreibt die geltenden Regeln, nach denen Sätze gebildet werden. Recht ist hingegen eine normative Wissenschaft. Oberstes Prinzip ist dabei die Gleichheit aller Menschen. Wobei mit Gleichheit hier nicht gemeint ist, dass alle Menschen identisch sind, sondern dass Menschen trotz aller sichtbaren Unterschiede, wie Geschlecht, Hautfarbe, Größe, Behinderungen, etc. gleichwertig sind. Diese oberste Norm aller demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaften muss sich dann auch in der Grammatik widerspiegeln. Im Zweifel muss die Grammatik dann auch an diese Norm angepasst werden. Dieser Prozess läuft in fast allen demokratischen Gesellschaften als Teil eines demokratischen Fortschritts.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Das ist alles nicht der Punkt. Die Autorin hat nicht verstanden, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen einem biologischen und einem grammatikalischen Geschlecht gibt. Sie ignoriert auch die gesamte, nicht zuletzt wissenschaftliche Debatte ums generische Maskulinum und sie diffamiert all jene, die Einwände gegen die sogenannte geschlechtergerechte Sprache vorbringen, pauschal als Antifeministen, was infam ist. Nur mal hier ein Link aus der aktuellen historischen Sprachforschung https://aktuelles.uni-...

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Dirk Liesemer Ich habe das generische Maskulinum noch nie als inklusiv empfunden, sondern immer als ausgrenzend. Ich wüsste nicht, wie man wissenschaftlich darlegen will, dass eine Sprachvariante, die rund die Hälfte der Bevölkerung nicht adressiert, nicht ausgrenzend sein soll. Das widerspricht jeder Logik.

    4. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Das generische Maskulinum grenzt niemanden aus – weder Frauen noch Männer noch junge oder alte Menschen. Ganz grundsätzlich geht es auch nicht darum, was man persönlich empfinden mag, wenn man ein Wort hört, entscheidend ist, welche Bedeutung ein Wort in sich trägt. Schon Ihre Annahme, dass diese "Sprachvariante" die Hälfte der Bevölkerung nicht adressiere, ist falsch – mal ganz abgesehen davon, dass es sich nicht einfach um eine "Variante" handelt. Mich wundert zudem, warum man ausgerechnet ständig alle Geschlechter sprachlich betonen soll, wenn die Geschlechter aus kultureller Sicht immer fluider werden. Mit dem, was Sie vorschlagen, werden Geschlechter manifestiert.

    5. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      @Jürgen Klute "Gleichheit" heißt nicht, dass alle Menschen "gleichwertig" sind, das ist schlicht ideologisch überzogen.
      "Gleichheit" heißt laut GG 3,1 vielmehr, dass alle Menschen "vor dem Gesetz gleich" sind. Es geht um Gleichberechtigung und nicht Gleichstellung! GG 3,2.

    6. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Josef König Doch, es geht genau darum: um die Gleichwertigkeit aller Menschen! Das ist der Kern von Demokratie und Rechtsstaat. Dieser Gedanke durchzieht den gesamten internationalen Kodex von Menschen- und Freiheitsrechten.

    7. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Nein, das ist eine Überinterpretation, die nicht durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist. GG 3 spricht ausdrücklich aus: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Ein gutes Symbolbild dafür ist Justitia, die mit zugebundenen Augen urteilt, um nicht Menschen nach Geschlecht, Farbe, etc. zu unterscheiden.
      In 3,3 heißt es zudem, dass niemand wegen seiner "Sprache" ... benachteiligt und bevorzugt werden darf". Damit ist gemeint die "Ungleichbehandlung der Menschen aufgrund ihrer Muttersprache."
      Es geht in allen diesen Fällen um das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern, der sie "gleich" behandeln soll. Von Gleichwertigkeit ist im GG nirgendwo dort die Rede.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Es wäre tragisch, wenn die Rechtswissenschaft rein normativ wäre. Das würde ja bedeuten, sich nur damit zu beschäftigen, was sein soll etc. Das geht aber nicht ohne empirischen Untersuchung der realen Wirkung von Normen. Man kann aus dem "Sollen" nicht direkt auf die Handlungsmethoden schließen. Man mag ja hoffen, das inklusive Sprache zu "Gleichheit" führt. Das müßte man dann aber empirisch belegen ehe man es zu Verfassungsrecht erklärt. Die moralische Absicht genügt nie ….

    9. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Englisch und Farsi sind geschlechtsneutral, aber weder in England noch in Iran lässt sich heute von allumfassender Gleichheit sprechen.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Dirk Liesemer Genau …..

    11. Josef König
      Josef König · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Schon Hume hat gezeigt, dass auch umgekehrt nicht von einem Sein auf ein Sollen geschlossen werden kann. Das ist in die Philosophie als das "Humesche Gesetz" eingegangen.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Josef König Wie man von einem Sollen auch nicht direkt auf ein Können schließen sollte …… ;-)

    13. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor einem Jahr

      @Thomas Wahl Ich glaube, da hast nicht ganz verstanden, was Menschenrechte, Grundrechte, Rechtsstaat und Demokratie bedeuteten. Aber das alles gehört ja auch nicht zur deutschen Leitkultur.

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Jürgen Klute Keiner von uns hat ein Monopol oder die Hoheit über die Deutung von Menschenrechten, Rechtsstaat oder Demokratie.Auch nicht die Anhänger einer deutschen Leitkultur. Ich könnte jetzt diese kleine Unverschämtheit zurückgeben und sagen, Du kannst nicht logisch denken. Mach ich aber nicht. Auf dieser Ebene sollten wir nicht diskutieren.

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