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"Immer noch werden wir gefragt, wie erschöpft wir sind!"

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykDonnerstag, 23.12.2021

Ein gutes Interview am Morgen, das hat schon was! Kein drumherum reden. Kein Ausweichen. Gegenwart und Zukunft klar im Blick haben. Antworten auf Fragen geben in einer Form, dass es jede oder jeder verstehen kann. Christine Vogler,  Präsidentin des Deutschen Pflegerates, antwortet auf die ewig gleichen Fragen souverän. Aber man kann auch hören, dass sie ein wenig genervt ist. Alle wissen es irgendwie, dass es so nicht weitergehen kann. Nach mittlerweile schon fast zwei Jahren Pandemie hat sich so gut wie nichts für die Pflegekräfte verändert. Außer dass die Arbeit mehr statt weniger geworden ist:

"Ach, ich bin immer ganz fasziniert, dass wir immer noch gefragt werden, wie erschöpft wir sind. Die Pandemie geht jetzt zwei Jahre lang und seitdem haben sich die Dinge immer weiter verschlechtert und es gibt überhaupt keine Auswirkungen für die Arbeitsbedingungen, für die Bezahlung, für die Situationen von Pflegenden vor Ort und von daher ist diese Frage, glaube ich für alle zu beantworten: Den Pflegenden in diesem Land geht es nicht besonders gut. Viele denken darüber nach, auszusteigen, einige denken darüber nach, Arbeitszeiten zu reduzieren, viele haben das schon getan. Wir kriegen zwar junge Menschen noch motiviert, weil der Pflegeberuf als solcher im Kern ein tatsächlich wirklich wunderbarer Beruf ist, ein krisensicherer Beruf ist, wie man feststellt, aber die Arbeitsbedingungen sind sehr schwierig. Und die Pandemie-Situation, das sagen wir auch immer wieder, wir sind ja aus einer Mangelsituation in dieser Pandemie-Situation vor knapp zwei Jahren reingeschlittert und jetzt beobachten wir immer wieder dieselben Diskussionen und wirklich nur schwache politische Reaktionen letztendlich. Wir beobachten die Diskussionen um die Impfpflichten. Die Diskussionen um die Prämienzahlungen. Wir beobachten die Diskussionen um Tarifverträge, die sich wirklich nicht angleichen, um Gehaltsunterschiede in Deutschland von Pflegenden von Nord nach Süd. Wir erleben die Situation, dass wirklich Pflegende für vieles auch herhalten müssen (...) dabei sind wir diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und die Patienten versorgen. Jeden Tag, übrigens 4,1 Millionen."

Interessant ist der Hinweis von Christine Vogler, dass die Mitbestimmung im Pflegeberuf in unseren Nachbarländern besser sei.

Durch das Gespräch wird offensichtlich, dass sich die Arbeitsbedingungen im Pflegeberuf sehr schnell verändern müssten. Schon jetzt fehlen rund 200.000 Pflegekräfte. Auch deshalb werden dringend Pflegekräfte aus dem Ausland gebraucht. Mit einheimischen Pflegerinnen und Pfleger sei das Problem nicht zu lösen, meint Christine Vogler. Denn in Zukunft brauchen wir noch viel mehr Pflegekräfte, weil die geburtsstarken Jahrgänge in die Jahre kommen und dann irgendwann auf Pflege angewiesen sein werden.

Im Grunde weiß man das alles. Irgendwie. Und doch wird man durch dieses Interview in zehn Minuten schlauer, weil es Christine Vogler auf den Punkt bringt. Auch dass sie deutlich macht, dass es bei den Forderungen der Pflegekräfte nicht nur um mehr Geld und Prämien geht. Dass es um Strukturveränderungen in der Pflege geht. Nur wenn sich die Bedingungen verändern, erzählt sie, werden sich wieder mehr Leute für den Pflegeberuf entscheiden und sie sind dann nicht aus Erschöpfung gezwungen, den Beruf an den Nagel zu hängen.

Es lohnt sich, der Präsidentin des Deutschen Pflegerates, zuzuhören.

"Immer noch werden wir gefragt, wie erschöpft wir sind!"

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Kommentare 1
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 3 Jahre

    So wahr. Das Schlimme ist dass die Pflege nicht mal genug Geld bekommt - über strukturelle Änderungen wird oft nicht mal gesprochen. Das würde auf jeden Fall die Einbindung der Pflege in den Markt völlig aufheben. müssen. Und dabei klappt das mit dem Mindestlohn und Tarif noch nicht einmal. ..

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