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Frankfurt (Oder) und die Wiederauferstehung der Zivilgesellschaft
Autor und Reporter
Kurator'in für: Kopf und Körper Fundstücke
Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.
Wenn uns damals, Ende der Neunzigerjahre, als Berlin noch voller Baukräne und Rave war, jemand in den coolen Läden in Kreuzberg gefragt hat, wo wir herkommen, haben wir immer schüchtern und auf Hochdeutsch "Frankfurt" gesagt, und gehofft, dass niemand nachfragt, aus welchem. Wir fuhren dann wieder nach Hause, sahen aus dem Zugfenster hinter Erkner die ersten Hakenkreuzgraffitis und beteten, dass keine Nazis einsteigen würden.
Das sagt Christian Bangel, Redakteur bei der Zeit, geboren 1979 in Frankfurt an der Oder. Gerade hat er seinen ersten Roman geschrieben, Oder Florida, eine Geschichte über das Erwachsenwerden im Brandenburg der Nachwendezeit. Für diese wunderschöne Lokalreportage ist er zurückgekehrt, ins Frankfurt der Pegida-Zeit.
Uns Fortgezogene hätte es nicht überrascht, wenn uns in den vergangenen zwei Jahren auch aus Frankfurt Nachrichten von Aufmärschen gegen Flüchtlinge erreicht hätten. Wenn sich irgendein lokaler Fußballer oder Ex-Komiker zum Sprecher einer fremdenfeindlichen Bewegung gemacht hätte. Was man halt so kennt aus Cottbus und Nauen, aus Dresden und Freital. Frankfurt (Oder), 60.000 Einwohner, seit der Wende um ein Drittel an Leuten geschrumpft, gut halb so voll wie Cottbus, hochverschuldet, mit einer Kinderarmutsquote von fast 30 Prozent, wäre doch nach allen Maßstäben der perfekte Standort für ein nächstes preußisches Pegida gewesen.
Es ist aber anders gekommen in Frankfurt an der Oder. Anders als im nahen Bautzen oder Cottbus. Und das macht diese Reportage so wertvoll, denn Bangel zeigt, wie u. a. ein unabhängiger Bürgermeister es geschafft hat, eine andere politische Kultur in seiner Stadt zu entwickeln, eine mit mehr Haltung, und eine, die mehr Teilhabe der Bürger ermöglicht. Schön zu sehen, dass die Bürger das genutzt haben, und wie sehr die Stadt davon profitiert. Schwer zu verstehen, warum das vielen Politikern eher unwichtig ist bzw. sie den Bürger immer noch häufig primär als eine Störung der Verwaltungsabläufe betrachten.
Ein weiterer hoffnungsvoller Aspekt ist das Thema Europa, das durch die Lage Frankfurts an der polnischen Grenze eine wichtige Rolle spielt und zeigt, welche positiven Effekte eine vertiefte europäische Integration – ein Europa der Regionen, statt der Nationalstaaten – haben kann. Lesenswert ist ebenfalls eine Ende vergangenen Jahres entstandene Reportage Bangels über Zittau, die Heimat des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der sein Bundestagsmandat an die AfD verloren hat.
Quelle: Christian Bangel Bild: Meiko Herrmann fü... zeit.de
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