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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
Mit großem Interesse habe ich das Feature "Ich habe zwanzigmal nein gesagt" zu #DeutschrapMeToo (nicht ohne Grund mit Triggerwarnung!) von Marc Bädorf gehört. Immerhin war ich selbst Anfang der 2000er Jahre als Rapperin in einer Berliner Rapgruppe dabei – und hatte das eine oder andere unschöne Erlebnis mit dem in der Szene extrem vorherrschenden Sexismus. So wie eine der Rapperinnen im Feature:
"Als dann (...) deutscher Gangsterrap so ein bisschen auf einmal prominent war (...) Damit konnte auch ich mich nicht identifizieren so mit diesen ganzen frauenfeindlichen Tracks. (...)"
Die Texte der damals schon als "Untergrund" gefeierten Rapper in der Berliner Deutschrapszene haben auch mich seit jeher abgestoßen. Ich habe damals dagegen angetextet, wollte dem etwas entgegensetzen, doch es war letztendlich zu aufwühlend und frustrierend für mich. Der große Erfolg für die "conscious" Rapper blieb aus, während Leute wie "Frauenarzt" Konzertsäle füllten. Ein prägendes Bühnenerlebnis war, als ebendieser Rapper im Rahmen eines Konzertes meiner eigenen Rapgruppe irgendwie mit auf der Bühne landete und das grölende, fast nur männliche Publikum mit den Worten "Alle Frauen sind Nutten" begrüßte. (Dieses Publikum war nicht für MEINE Rapcrew da – nach dem Auftritt von Frauenarzt leerte sich der Saal drastisch). An diesem Abend wurde mir klar, dass ich diese Szene nicht würde ändern oder gar aufklären können und ich beschloss, mir ein anderes Publikum zu suchen. Meine eigenen Songs wurden immer poppiger, meine Distanzierung zur Deutschrapszene immer größer, ich habe mich einfach immer weniger damit befasst. Eine ähnliche Erfahrung finde ich auch bei der einen Rapperin im Feature wieder:
"Das fand ich halt aus mehreren Gründen untragbar. (...) und hab dann echt mal ein paar Jahre... also ich musste da echt mal raus. Das hat mich schon verletzt auch als Frau, aber auch als Hip Hop Fan (...) und hab mich dann ein paar Jahre in Soulmusik geflüchtet."
Von der wirklich harten und frauenfeindlichen Rapszene habe ich mich immer persönlich ferngehalten. Auf "unseren" Konzerten, bei denen meistens mehrere Rapgruppen auftraten, ging es moderater zu. Aber die Masse an Fans gingen woanders hin. Es war mir auch immer unverständlich und bleibt es bis heute, wie auch Frauen Fans von solchen Rappern sein konnten, die doch schon in ihren Texten teilweise alles gesagt haben. Wer auf dem Index für jugendgefährdende Medien landete, galt irgendwie schon immer als besonders cool. Es war schon damals ein absolutes Verkaufsargument.
"Es gibt in der Hip Hop Forschung so viel zu diesem Thema. Ich glaube, es gibt zu nichts in der Hip Hop Forschung so viele Beiträge und Bücher und Artikel wie zu diesem Authentizitätskonzept oder auch "Realness" oder wie auch immer man das bezeichnen will. (Heidi Süß)"
Alles nur Image – sagen die einen – aber wie können auch Frauen ein Image feiern, das Gewaltfantasien gegen Frauen ausdrückt? Dieser Aspekt hätte mich besonders interessiert, wenn in diesem Feature davon die Rede ist, wie es zu Übergriffen bei weiblichen Fans usw. kommt. So wie bei dieser Frau:
TRIGGERWARNUNG – ZITAT ENTHÄLT SCHILDERUNGEN SEXUALISIERTER GEWALT
"Ich würde mich gerne anonym über einen Künstler äußern. Ich habe ihn bei einer Autogrammstunde kennengelernt. Meine Freundin wollte unbedingt zu dieser Autogrammstunde, weil sie ein riesengroßer Fan war. Ich bin letztlich mitgegangen, weil ich die einzige mit Führerschein war. Während der Autogrammstunde hat er uns zum Essen eingeladen und wir sind nach dem Event essen gegangen. Er hat daraufhin meine Freundin rausgeschickt und mich gebeten, ein wenig zu bleiben. Ich war so dumm und hab meine Freundin gehen lassen. Er hat mich ins Hotel mitgenommen, und als wir in seinem Zimmer waren, hat er mich gepackt und auf das Bett geworfen. Ich hab ihm gesagt, dass ich das nicht möchte, weil ich Jungfrau bin. Er meinte, es wäre nicht schlimm, und dass er der erste und letzte sein wird. Er hat meine Klamotten ausgezogen und mich aufs Bett gepackt. (...) Als er auf mir lag und versucht hat, einzudringen, habe ich mehrere Male gesagt, dass er mir wehtut und er aufhören soll. Er hat nicht aufgehört. (...) Ich habe angefangen zu weinen und ihn angefleht aufzuhören, aber er hat permanent meine Hände weggedrückt und mich angeschrien. Ich habe dann die ganze Zeit geweint, bis es irgendwann vorbei war. Auf dem Bett war ein großer Blutfleck und er meinte nur: 'Geh dich waschen, das ist ja ekelhaft'. Als ich dann aus der Dusche kam, meinte er nur: 'Sorry, hab jetzt was zu tun, wäre besser, wenn du jetzt gehst.' "
Der Autor gibt auch zu, dass er selbst früher Songs mit frauenverachtenden Raptexten in seiner Playlist hatte, distanziert sich heute aber davon, nennt sie "widerlich".
"Ich habe mich schon immer gefragt, was dahinter steckt. Ich kenne viele, die Deutschrap hören, die keine Frauenhasser sind. Wie kann das sein?"
Lena Stöhrfaktor und andere Rapperinnen, die die Szene kennen, sowie weibliche Fans, die von Rappern sexuell genötigt wurden, sprechen zumindest ein paar Dinge in diesem Zusammenhang an, die zum Nachdenken anregen. Eine Frau, die eine Beziehung mit einem gewaltbereiten Rapper hatte, der sie einmal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hat, äußert dazu:
"Ich bin nicht dumm, aber ich bin halt einfach immer gern... ich glaub gern Menschen. (...) Andere Frauen, die wissen vielleicht, was ich meine. Es gibt halt auch narzisstische Beziehungen mit Partnern, denen man kaum entfliehen kann oder es ist schwierig, denen zu entfliehen. Man fragt sich ja auch immer, wenn der Partner die Frau schlägt, warum geht die nicht einfach, warum geht die nicht? (...) Aber es gibt schon Gründe, beziehungsweise in dem Moment so. Danach denkt man natürlich, oh Gott, was hab ich getan, wieso bin ich überhaupt so lange dageblieben?"
Etliche Fragezeichen bleiben bei mir aber trotzdem. Obwohl nach wie vor ein blinder Fleck bleibt, fand ich das Feature – gerade auch wegen der Erfahrungsberichte und Einblicke in die Szene und die aktuellen Entwicklungen bei #DeutschrapMetoo (nämlich die große Stille) – spannend zu hören. Das Schweigen der Rapper, die Hasswelle, Bedrohungen und Einschüchterungen der Aktivist*innen – mit welcher Aggressivität die entsprechende Rapszene bzw. deren "Dunstkreise" gegen die Bewegung vorgingen, war mir nicht klar.
"Klar, die wollen halt nicht. Weil, wenn die sich äußern würden, dann würde ja jemand sagen, ey, warte mal, du äußerst dich jetzt, aber du hast doch selber das und das - den Track auf deinem Album, und dann müssten die ja sagen, das war kacke, und wenn du dich selber reflektieren... also, wenn du erst mal anfängst, dann gibt es kein Zurück mehr. (...) Dann denken die halt, naja gut, so lange der Shitstorm nicht groß genug ist und ich damit durchkomme, warum soll ich mich von meiner eigenen Identität distanzieren? (Lena Stöhrfaktor)"
Kernfrage ist für mich nach wie vor, warum und bei wem diese Art von Raptexten so erfolgreich ist. Da wird ja ein Männerbild dargestellt, das nicht mehr in unsere heutige Zeit passt – das war ja im Grunde schon vor 20 Jahren nicht anders, aber heute noch einmal stärker. Andererseits ist auch nach wie vor die "Entrüstung der anderen" Teil des Geschäfts. Es handelt sich gewissermaßen um eine Blase, in der MANN unter sich bleiben kann – eine Parallelwelt, in der keine Entwicklung weg von überspitzten alten patriarchalen Machtmustern und Gewaltfantasien gegen Frauen stattfindet.
"Diese provokanten Lines und diese super rückständigen Männlichkeits- und Weiblichkeitserzählungen, die kannst du ja echt heutzutage nur noch im Rap erzählen, also das kannst du in keinem anderen kulturellen Feld erzählen ' Ich schick die Fotze mit Strapsen an den Herd, damit sie kocht, die blöde Hure' - also das ist ja der Talk! Das kannst du ja nur im Rap machen."
Das Gehabe und Getue der Rapper und deren oft grenzüberschreitenden Texten mag jeder nach humanistischen Grundsätzen geprägter Mensch schlimm finden. Es kann sich die Bildungselite drüber lustig machen und das alles aufs Furchtbarste verurteilen und die Wissenschaft kann sich über die Frage der Kredibilität oder andere Phänomene auslassen. Es ändert nichts daran: Bis heute identifiziert sich ein großer Teil der Jugendlichen mit deutschem Rap, deutsche Rapper belegen die ersten Plätze in den Charts und machen viel Geld mit ihrer Musik. Und so lange sich an gefeierten frauenverachtenden Textinhalten nichts ändert, wird es wohl auch weiter Erfahrungsberichte wie die der jungen Mädchen in diesem Feature geben. Erschreckend und beunruhigend.
"Kaum war eine Woche DeutschrapMeToo irgendwie passiert, kamen am nächsten Freitag schon wieder Tracks raus mit den ganz gleichen Lines. Da wird schon wieder in der zweiten Zeile die nächstbeste Frau unter Drogen gesetzt und gebangt. (...) Wer die Slangbegriffe kennt, der liest da ganz eindeutig regelmäßig irgendwelche Vergewaltigungen raus."
Die Täter werden in den Berichten nicht namentlich genannt. Das hat wohl rechtliche Gründe. Es werden aber Textauszüge aus Songs zitiert, die ich hier nicht wiedergeben möchte. In den 20 Jahren, die seit meiner Rapzeit vergangen sind, hat sich jedenfalls offenbar nicht viel geändert. Zum Glück gibt es aber immer auch die anderen Rapper, die ohne verstörende Texte. Über die wird nur leider weniger geredet. (Und ich hab das jetzt hier nicht besser gemacht. Sorry! Aber im Feature hört man ein paar tolle Rapperinnen!)
Quelle: Marc Bädorf Bild: EyeEm/Addictive ... www.hoerspielundfeature.de
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Ich verstehe nicht, warum das nicht strafrechtlich verfolgt wird. Beim § 130 StGB reicht es doch auch, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu verherrlichen. Wieso also nicht beim § 111?
Schlimm!
Allgemein habe ich oft den Eindruck, dass einige Männer, die bei Frauen weniger Erfolg haben, als ihnen ihrer Ansicht nach "zusteht", einen unerträglichen Frauenhass entwickeln. Vielleicht hat der eine oder andere auch Probleme mit der eigenen Mutter, die er nicht so einfach artikulieren kann, weil Probleme mit der Mutter (insbesondere von Söhnen) gesellschaftlich ein Stück weit tabuisiert sind; dieser Frust sucht sich dann möglicherweise ein solches Ventil. Das alles sind natürlich keine Entschuldigungen - diese Zustände sind unfassbar und untragbar.