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Fundstücke

Die verlorenen Kinder von Tuam

Elisabeth Dietz
Redakteurin, Community Manager

An Literatur interessiert mich besonders, wie Mentalitäten und soziale Mechanismen sichtbar werden. Für das BÜCHERmagazin schreibe ich vor allem über Comics, Phantastik und digitale Literatur. Ich mag Konflikte, Tentakel und sprachliche Schönheit.

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Elisabeth DietzFreitag, 03.11.2017

Die Heimkinder saßen ganz hinten in der Klasse. Sie waren dünn, blass und still. Catherine Corless faltete ein leeres Bonbonpapier und gab es einem kleinen Mädchen, als enthielte es noch immer etwas Süßes. Alle lachten über den Hunger, mit dem das Kind danach griff und seine Enttäuschung, als es bemerkte, dass es leer war. Heute ist Catherine Corless fast siebzig, aber sie hat diesen Moment nie vergessen.

Anfang der Siebzigerjahre stolperten zwei Kinder beim Spielen auf dem Gelände des verlassenen katholischen Mutter-Kind-Heims in eine Grube voller menschlicher Knochen. 1975 fand ein Junge einen kleinen Schädel, steckte ihn auf einen Stock und trug ihn an Halloween durch die Straßen. Es war Catherine Corless, die die Geschichte des Heims erforschte, das Massengrab in der Klärgrube lokalisierte, ihre Erkenntnisse veröffentlichte und bis heute Menschen hilft, Spuren ihrer getöteten Angehörigen zu finden.

Dan Barry rekonstruiert mithilfe von Zeitzeugen, Überlebenden und Experten den Alltag hinter den Mauern des Heims, in dem zwischen 1925 und 1961 fast 800 Kinder lediger Mütter starben. Er erzählt von Folter, Zwangsarbeit, Ausbeutung und gezielter Vernachlässigung. Von den Anstrengungen des Ortes, die Toten zu vergessen, von den Erinnerungen und Überresten, die immer wieder auftauchten und den Spuren, die zur Aufarbeitung der Verbrechen der Schwestern von Bon Secours führten. Ihm ist ein umfassender, nahezu literarischer Text gelungen, der ein tiefes Unbehagen erzeugt. Insbesondere, weil Tuam kein Einzelfall ist.

Die verlorenen Kinder von Tuam

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