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An Literatur interessiert mich besonders, wie Mentalitäten und soziale Mechanismen sichtbar werden. Für das BÜCHERmagazin schreibe ich vor allem über Comics, Phantastik und digitale Literatur. Ich mag Konflikte, Tentakel und sprachliche Schönheit.
Um 1900 warben österreichische Firmen im großen Stil Arbeiter aus Ungarn an. Sie versprachen ihnen Wohnungen, gaben ihnen aber Bretter, aus denen sie sich selbst Unterkünfte bauen sollten. „Wem es nicht recht war, der konnte ja wieder zurückwandern.“ Viele der Werkstätigen landeten im „Dschungel“ auf dem Praterspitz, einer wilden Siedlung aus Erdhöhlen und Verschlägen. Der Wiener Journalist Max Winter dokumentierte die harte Arbeit der Dschungelbewohner und die Armut, aus der es für sie trotzdem keinen Ausweg gab.
Max Winter (1870 – 1937) gilt als Vater der deutschsprachigen Sozialreportage. „Die Höhlenbewohner von Wien“ erschien 1901 in der „Arbeiter Zeitung“, für die er die längste Zeit seines Lebens tätig war, während des Ersten Weltkriegs als Chefredakteur. Winter war Sozialdemokrat. Er schrieb, um seine Gesellschaft zu verändern, und nicht selten direkt im Imperativ: „Bauet Obdachlosenasyle! Schaffet Kinderspielplätze!“ Oft arbeitete er verdeckt, immer ist er denen, über die er schreibt, so nah wie möglich. So verbrachte er Nächte im Obdachlosen-Asyl, beim „Branntweiner“ oder auf dem Polizeikommissariat, schrieb über Prostituierte und „Fettfischer“ – Arme, die Fettklumpen und Knochen aus der Wiener Kanalisation zogen und an Seifensieder verkauften. 1917 gründete er den Reichsverein Kinderfreunde, 1923 mit „Die Unzufriedene“ eine der ersten feministischen Wochenzeitungen.
Winters Reportagen sind nicht nur historisch interessant, sondern ungemein unterhaltsam. Und es ist schwer zu entscheiden, ob sich seit seiner Zeit sehr viel oder sehr wenig verändert hat.
Quelle: Max Winter max-winter.org
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