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Studium der Philosophie, Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und Paris, Promotion in Frankfurt am Main. Er lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor und Dozent in München. Radiobeiträge für Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Südwestrundfunk, Artikel unter anderem für Blätter für deutsche und internationale Politik, Der Freitag, Jungle World, Telepolis.
Jüngste Buchveröffentlichungen: Richtig falsch. Es gibt ein richtiges Leben im falschen (2019); Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure (2022)
In den Berichten und Kommentaren der Medien der Mitte und der linken Mitte wird aktuell viel über – trotz harter Lockdown-Maßnahmen – immer noch nicht fallende Infektionszahlen spekuliert. Man muss schon zu dezidiert linken Publikationen wie der Jungle World greifen, um die andere, dunkle Seite des Infektionsgeschehens scharf in den Blick zu nehmen: die Arbeitsplätze nicht nur der Pflegerinnen, Pfleger und Ärzte, sondern auch der Mitarbeiter in der Industrieproduktion (zum Beispiel in der Automobilindustrie), oder bei Dienstleistern der Logistik- und Frachtindustrie.
Während über die Ursachen des wachsenden Infektionsgeschehens diskutiert wird, ist ein entscheidender Infektionsherd beinahe aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden: der Arbeitsplatz.
Der gut recherchierte Artikel zeigt anhand vieler Beispiele auf, wie Politik (vor allem die Bundesländer) und Unternehmen gegen den Widerstand der Gewerkschaften den Arbeits- und Gesundheitsschutz immer wieder zu Lasten der Beschäftigten ausgehebelt haben. Das betrifft vor allem Lockerungen des Arbeitszeitgesetzes, aber auch zahlreiche andere Regelungen zum Schutz der Beschäftigten. So drängt sich der Verdacht auf, dass sich im Schatten des nationalen Notstands der Pandemie und unter der Flagge der trügerischen Semantik "Wir sitzen alle im selben Boot" eine ziemlich unappetitliche Allianz aus Staat und Kapital herausgebildet hat.
So haben "mehrere Bundesländer angesichts steigender Infektionszahlen und fehlenden Personals das Arbeitszeitgesetz für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen ausgesetzt. Die tägliche Arbeitszeit wurde auf bis zu zwölf Stunden ausgedehnt, die Ruhezeit zwischen zwei Schichten verkürzt und die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden ausgedehnt."
Wie man weiß, war dies schon immer die wirtschaftspolitische Agenda von CDU (und FDP). Besonders gravierend in diesem Zusammenhang ist es, dass erreichte Standards des Gesundheitsschutzes von vielen Unternehmen im produzierenden Gewerbe und Logistiksektor aktuell aufgekündigt werden:
Zahlreiche Unternehmen nahmen in den vergangenen Wochen die im Frühjahr nicht zuletzt von Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen durchgesetzten Regelungen zur Eindämmung der Pandemie zurück. So ließen sie Betriebsvereinbarungen zu geteilten Schichten in kleineren Gruppen auslaufen oder verlängerten Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice nach dem Sommerurlaub nicht weiter. Zugleich nahmen sie die zuvor aufgrund von Lieferengpässen stockende Produktion wieder voll auf.
Mit gravierenden Folgen: In den vergangenen Wochen kam es in etlichen deutschen Werken von BMW, Daimler, DHL zu größeren Ausbrüchen der Infektion.
Es verwundert, wie wenig diese Problematik des Infektionsrisikos am Arbeitsplatz und der darin sich zeigenden Klassenkonflikte in Zeitungen wie der Süddeutschen oder anderen seriösen Leitmedien der linken Mitte thematisiert wird. In einem Moment, wo die Freiheiten im privaten Lebensbereich der Menschen auf beispiellose Weise und beinahe unabsehbare Zeit beschränkt werden, wäre es vielleicht doch angezeigt, die zum Teil brutale Interessendurchsetzung der Unternehmen zulasten der Beschäftigten, und die aktive Duldung durch den Staat schärfer zu beleuchten.
Quelle: Stefan Dietl / Jungle World Bild: picture alliance ... jungle.world
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Es stimmt schon. irritierend still darum. Ebenso wundert es mich dass zwar Restaurants geschlossen werden - aber der Einzelhandel nahezu komplett geöffnet bleiben.