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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
Es gab hier schon viele gute Empfehlungen im Vorfeld zum heutigen Holocaust-Gedenktag. Doch dieses sehr gelungene und spannende Feature zum - ja, Zufallsfund - eines so wichtigen Dokuments, das eigentlich auf Anweisung des Auwärtigen Amtes 1945 hätte vernichtet werden sollen, möchte ich noch als akustische Hörempfehlung vorstellen.
"Eins blieb übrig - Die Wannseekonferenz und der Fund der Geheimakte 'Endlösung'" von Tomas Fitzel unter der Regie von Friederike Wigger erzählt die spannende Geschichte der einzig übrig gebliebenen Abschrift des Protokolls der Wannseekonferenz, bei der ein reibungsloser bürokratischer Ablauf des - längst stattfindenden - grausamsten Menschheitsverbrechen der Geschichte von hohen Amtsträgern besprochen und in die Wege geleitet werden sollte.
"Die meisten der eingeladenen Männer sind Akademiker. Acht schmücken sich sogar mit dem Doktortitel. Mit dem Durchsschnittsalter von 42 Jahren sind sie relativ jung für ihre Positionen. Überzeugte Nazis, die zugleich ihre Karriere auf dem Nationalsozialismus und auf der Ermordung der Juden aufbauen."
Vermutlich konnte diese eine Abschrift nur durch den Höhenflug eines "Quereinsteigers" im NS-Regime nicht rechtzeitig von seinem Besitzer vernichtet werden. Dieser Wannseekonferenz-Teilnehmer, Unterstaatssekretär Martin Luther - Abgesandter des Auswärtigen Amtes - saß nämlich am Ende als privilegierter Schutzhäftling in Haft im KZ Sachsenhausen, weil er sich mit seiner Position nicht hatte begnügen wollen.
"Luther kommt ausschließlich als Gewächs Ribbentrops ins Haus, hat endlich die Aufgabe gefunden, in der "Judenfrage", die ihn unentbehrlich macht, und kaum hat er das, im Frühjahr '42, da überlegt er sich, er könnte das vielleicht noch besser als sein Protektor Ribbentrop. Und er schießt sich also quasi selber ins Knie, indem er versucht, sich mit Verbündeten aus der SS gegen Ribbentrop aufzulehnen, einen amtsinternen Putsch sozusagen zu vollführen. Die SS lässt ihn dann am Ende tatsächlich fallen, weil ihnen Ribbentrop dann doch näher ist als ein Luther."
Luther war ursprünglich Möbelspediteur gewesen, besaß im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern nicht einmal das Abitur, hatte also auch nicht die klassische Laufbahn für seine Position vorzuweisen, hatte sich aber als "so tatkräftig wie skrupellos" erwiesen und war dank seiner guten Beziehungen zu Reichsaußenminister Ribbentrop die Karriereleiter hochgestiegen. Nun aber saß er in Haft.
In seiner Abwesenheit wird seine Abteilung 1943 umgebaut und Luthers Akten gehen über in die neue Abteilung - inklusive des Wannseekonferenz-Protokolls mit dem Stempel "Geheime Reichssache".
Inzwischen gibt es im Ausland erste Hinweise auf die unglaublichen Vernichtungspläne der Deutschen, denen zunächst kaum Glauben geschenkt wird. Es müssen Beweise her. Verschiedene internationale Kommissionen und Kommitees machen sich daran, Beweise und Zeitzeugenberichte zusammenzutragen - Vorarbeiten für die Nürnberger Prozesse. Die Deutschen, überzeugt vom "Endsieg", archivieren fleißig weiter. Um wichtige Dokumente vor Kriegsschäden zu schützen, werden diese in Kisten verpackt und mehrfach verlagert - darunter auch Luthers Protokoll.
"Der Prozess als solcher - das internationale Hauptkriegsverbrechertribunal war in erster Linie ein Dokumenten-Prozess, also das ist auch wichtig, dass man gerade wegen dieser Problematik möglicher Glaubwürdigkeit - also die Zeugen hatten da keinen besonders hohen Status, muss man sagen - und deshalb hat man versucht, den Prozess als ganzen auf deutschen Dokumenten aufzubauen."
Martin Luther stirbt kurz nach der KZ-Befreiung durch die Sowjetarmee. Um die Dokumentenvernichtung hatte er sich nicht mehr persönlich kümmern können. Die Amerikaner finden die Dokumentenkisten mit Luthers Protokoll - dem einzigen übrig gebliebenen von 30 Exemplaren - und haben damit endlich ein essenziell wichtiges Beweisstück gefunden, das die "Endlösung der Judenfrage" in all ihrer Grausamkeit dokumentiert.
Mitschnitte aus historischen Verhören sind ebenso zu hören wie Auszüge aus dem Dokument sowie Historiker und Wissenschaftler, die Interessantes zu der Historie des Protokolls beisteuern.
Quelle: Tomas Fitzel Bild: Steffen Kugler/dpa www.rbb-online.de
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