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Fundstücke

Der Architekt der Obdachlosen

Michaela Haas
Reporterin. Autorin. Kolumnistin.
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Michaela HaasSamstag, 01.06.2019

Seattle boomt, Amazon hat dort 50.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, und gleichzeitig (oder gerade deswegen) ist die Zahl der Obdachlosen in die Höhe geschossen: Mindestens 11.000 Menschen leben in Seattle derzeit auf der Straße. Ein Fünftel von ihnen hat sogar einen Job, aber kann sich die Miete nicht mehr leisten.

Seattle galt mal als Vorzeigestadt, die ihre Obdachlosen mit dem Housing-First-Prinzip ganz vorbildhaft in dauerhaften Wohnungen unterbrachte. Dann kamen die Opioid-Krise und Amazon: zwei Katastrophen.

Rex Hohlbein, bekannter Architekt von Luxuswohnungen, hielt den Gegensatz zwischen arm und immer reicher nicht mehr aus, nachdem er sich mit einem Obdachlosen angefreundet hatte. Statt Villen entwirft er nun mit seiner Tochter "Block Homes". Die Idee: Hausbesitzer stellen sich kleine Häuser in ihren Garten und lassen dort Obdachlose wohnen. Das Block Home misst zwölf Quadratmeter, hat Bett, Dusche, Toilette, Tisch, Schränke und gerade genug Platz für einen Erwachsenen. Solarzellen auf dem Dach und ein Wassertank machen es autark. Hat ein Hausbesitzer genug vom Gartenhaus, kann es zum nächsten gebracht werden.

Es gibt momentan kaum einen Ort, an dem diese Initiative dringender nötig wäre als in Seattle. Seit vier Jahren lebt die Stadt im Notstand. Hohlbein schüttelt den Kopf: Wenn die Stadt einen Notstand ausriefe wegen einer drohenden Flut, dann würden alle anpacken, Sandsäcke stapeln und gemeinsam bangen, ob die Anstrengungen ausreichen. „Hier ruft die Stadt den Notstand aus – und wir machen alle weiter wie bisher“, sagt er. „Die Regierung kann das nicht ändern, wir müssen uns ändern!“ Er hat das getan: Vor fünf Jahren gründete er die Hilfsorganisation Facing Homelessness.

Mehr als Hundert Hausbesitzer haben sich bereits ein Block Home in den Garten gestellt. Ein Modell mit Zukunft:

„Wir müssen diesen Menschen wieder zeigen, dass sie Menschen sind“, sagt Hohlbein. „Wir haben keine Obdachlosenkrise, wir haben eine Krise der Gemeinschaft.“

Der Architekt der Obdachlosen
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