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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Man muss immer ein wenig warten, ehe man auf Beiträge stößt, die sich ruhiger und sachlicher mit einem Aufregerthema befassen. Die ersten Reaktionen sind meist nur stur pro oder stur contra. Sie hängen sich an nebensächlichen Dingen auf und berichten aufgebracht, wer denn diese oder jene Sache gut finde – und mit dem wolle man doch ganz sicher nicht in einem Boot sitzen. Erstaunlicherweise werden solche plumpen Beobachtungen als Argumente dargebracht. Mittlerweile bin ich auf drei Beiträge – zwei Texte und ein Radiointerview – zur Debatte um #allesdichtmachen gestoßen, die ich hier empfehlen möchte:
Bereits gestern merkte Michael Angele im "Freitag" an, dass sich so manch ein Kritiker eine künstlerische Aktion nur noch als aktivistische Veranstaltung vorstellen könne.
Kunst, ob gelungen oder nicht, setzt sich aber erst einmal mit etwas auseinander. Der Schauspieler Volker Bruch zum Beispiel mit dem Megathema Angst. Und mit der Politik der Angst. Ich vermute, dass Bruch die Maßnahmen des Lockdowns nicht für besonders sinnvoll hält. Aber er sagt es nicht. Weil er eben nicht in Aktivismus macht.
Unbedingt lesenswert ist auch ein Beitrag des Psychiaters Jan Kalbitzer im "Spiegel". Er schreibt:
Die #allesdichtmachen-Aktion hätte die Frage aufwerfen können, inwiefern die Debatte über gesellschaftliche Einschränkungen zur Abwehr von Corona von moralischer Panik geprägt ist. Ob man einigen jener, die besonders unermüdlich vor Gefahren warnen und sich für härtere Maßnahmen einsetzen, unterstellen muss, dass sie die Krise zur Durchsetzung ihrer privaten Wertvorstellungen nutzen. Und dass es ihnen nicht, wie behauptet, darum geht, möglichst viele Menschen vor einem unnötig frühen Tod oder schweren Krankheitsfolgen zu bewahren. Ich würde das bezweifeln, finde die Diskussion darüber aber an einigen Stellen berechtigt.
Gepiqd habe ich ein konzentriertes DLF-Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Sie sagt, die Kunstaktion sei "völlig legitim" und "sinnvoll" und merkt an: "Kunst ist frei, selbst im Krieg ist die Kunst frei. Punkt."
Die Lösung ist auf jeden Fall nicht, einem tückischen Virus noch ein System, unsere Kultur, unsere Diskussionskultur, unsere Zivilisation, unsere Grundannahmen der Gesellschaft hinterherzuwerfen. Dass wir mit dem Virus umgehen müssen, dass das tragisch ist, dass Leute sterben – das ist unbestritten.
Ferner macht sie auf unterschiedliche Diskursarenen aufmerksam, verweist – nicht ganz zu Unrecht – auf eine "homogenisierte Medienlandschaft" und erinnert an den herrschaftsfreien Diskurs nach Habermas: Nicht wer etwas sage, sei entscheidend, sondern was gesagt werde. Daher, so schließt sie, sollten wir wieder Sätze bewerten.
Quelle: Interview mit Ulrike Guérot Bild: imago / Hartenfelser www.deutschlandfunk.de
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Hatte das Gespräch auch schon gehört. Danke fürs piqen!
Sehr interessant fand ich auch ihre Beobachtung, dass diejenigen, die sich öffentlich äußern, das in extrem überwiegender Mehrheit alles sehr schrecklich fanden und diejenigen, die sich das angeschaut haben, es in überwiegender Mehrheit gut fanden (gemessen an Youtube-Daumen).
Hat die Aktion damit nicht die homogenisierte Medienlandschaft eindrucksvoll gezeigt?