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Flucht und Einwanderung

Unpiq: Eine nichtserklärende Erklärung und was sie verrät

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergFreitag, 23.03.2018

Es rumort: Eine Erklärung von Intellektuellen soll es geben. Ich will nicht sagen, es ist die dürftigste, die ich je las - aber mir fällt keine dürftigere ein.

Jedoch spaltet sie, die Gesellschaft, aber auch Familien: Krisztina Koenen zum Beispiel unterschrieb, ihr Mann Gerd nicht.

Christoph Hein gestaltete mit Swiftischem Sarkasmus schon vor über einem Vierteljahrhundert - genau: 1991 - das Unausgesprochene. Bei einer Veranstaltung las er diese erstaunliche Rede nun erneut vor.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13491490.html

Wir haben eine panische Angst davor, zu verarmen. Dabei ist es uns völlig gleichgültig, ob jener Mensch mit diesem Bazillus ein Ausländer oder ein Deutscher ist.

Denn auch die Obdachlosen und Armen unserer Nationalität fürchten wir. Wir versuchen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Aber wenn dies nicht mehr möglich ist ... wenden wir uns auch gegen sie, brennen ihre Asyle nieder und töten sie, wenn sie auf einer Parkbank nächtigen. ...

Glaubt nicht unseren Regierungen und der Presse, wenn sie sagen, es fehle uns nur an einer gründlicheren Aufklärung und der richtigen Erziehung, die die noch immer vorhandenen rechten und linken Denkblockaden und -verbote beseitigen werden. ...

Wir sind nicht ausländerfeindlich. Wir sind zivilisiert genug zu wissen, daß auch ihr einen Anspruch auf Menschenrechte habt. Aber da euer Anspruch unseren Wohlstand gefährdet und ihr ihn dennoch durchzusetzen versucht, habt ihr damit einen nicht erklärten Krieg gegen uns begonnen. Wir werden uns wehren. Aus Furcht vor eurer Armut. Aus Angst, eines Tages eure Armut teilen zu müssen.

Diese sprachgewaltige Wahrheit wurde überhört. Man fand sie auch damals bei anderen - bei Heiner Müller etwa oder Eric Hobsbawm.

Das Verdrängte steigt jetzt auch in dieser verdrucksten Erklärung herauf. Die Flüchtlinge waren der Katalysator.

Mit Moralisieren kommt man nicht weiter, sondern nur mit einer Analyse und entschiedenen Versuchen, einen Weg aus der Sackgasse zu finden.

Unpiq: Eine nichtserklärende Erklärung und was sie verrät

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Kommentare 13
  1. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor mehr als 6 Jahre

    Zur Ergänzung http://www.sueddeutsch...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Danke! Dazu passt ein Interview mit Christian Petzold, in dem es heißt:

      "...Dass diese verratene Arbeiterklasse aus Trotz den Front National wählt, ist nicht zu übertragen auf die deutsche Situation. Die AfD kommt nicht aus dem Ruhrgebiet, kommt nicht aus Duisburg und nicht aus Eisenhüttenstadt. Das ist nicht der ganze Pegida-Pöbel. Die AfD kommt aus den Kleinbürgerzellen und von den Studienräten.

      Aber Pegida-Anhänger wählen sie.

      Ja, aber bei denen werden nicht deren Ideen geschmiedet."

      https://www.piqd.de/fl...

  2. Emran Feroz
    Emran Feroz · vor mehr als 6 Jahre

    "Wir sind nicht ausländerfeindlich", sagen Broder, Sarrazin und Co. Sorry, aber die Vergangenheit hat nun einmal deutlich gemacht, dass besagte, alte, weiße Herren genau das sind. Wer diesen Schwachsinn, der gegen jegliche Art von wahrem Intellekt spricht, ernst nimmt, dem ist meiner Meinung nach nicht zu helfen.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Nee, da haste aber zu schnell gelesen!
      Das eine ist die Erklärung von Broder u. a.; das andere ist ein hervorragender Text von Christoph Hein aus dem Jahr 1991 (!), wo er diese Position sarkastisch kennzeichnet. Diesen Text las er unlängst vor.
      Ich brachte diese in einem Unpiq (!) zusammen.
      Und alte weiße Herren ist ein Klischee, das nur abwerten will und dazu falsch ist. Immerhin ist eine der Hauptpersonen einer solchen Politik und momentan einflussreicher als diese Publizisten: Blond, lesbisch und unter vierzig.

    2. Emran Feroz
      Emran Feroz · vor mehr als 6 Jahre

      @Achim Engelberg Sorry, mein Fehler. Da habe ich wirklich zu schnell gelesen.

  3. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor mehr als 6 Jahre

    paßt doch! mit 273 zeichen langts für die neue bla-länge bei twitter. danke für's un-piqn.

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Danke, gut beobachtet. Und nicht die wunderbare Rede von Christoph Hein vergessen. Von 1991! Es gab damals noch nicht twitter, aber schon nichtserklärende Erklärungen und Gegenreden, die zumindest in diesem Fall immer noch passen.

  4. Georg Wallwitz
    Georg Wallwitz · vor mehr als 6 Jahre

    Mich hingegen überfordert die Erklärung. Sind die 6 Zeilen alles? Oder habe ich da etwas nicht kapiert? Wenn es alles ist, warum unterzeichnet man es?

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Das ist die Erklärung über die seit einer Woche gestritten wird. Ich wollte es zuerst nicht glauben, aber auch bei Rückfrage wurde es nicht mehr. Lange Kommentare werden über diese, wie ich im Titel schreibe, nichtserklärende Erklärung geschrieben.

  5. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor mehr als 6 Jahre

    Hier überfordert mich wieder das Bewertungssystem. Grüner Pfeil für den geschriebenen Piqd und den darin verlinkten Text oder roter Pfeil für diese widerliche Erklärung selbsternannter "Intellektueller"?

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      Leider sind sie ja nicht selbsternannt, Tellkamp zum Beispiel erhielt den Deutschen Buchpreis.

      Wie kam ich zu diesem unpiq?

      Da ich auf Kommentare zu dieser Erklärung stieß, wollte ich diese lesen. Ich hatte keine große Erwartung, aber von dieser Dürftigkeit war ich erstaunt.

      Bei einer halbprivaten Lesung trug Christoph Hein seinen Text aus dem Jahr 1991 vor - quasi als Gegendarstellung. (Tellkamp und Hein sind beide Suhrkamp-Autoren).
      Hein ergänzte, dass Heiner Müller ähnliche Positionen einnahm. Diese Texte erschienen im letzten Jahr nochmal und ich rezensierte sie auch:
      http://www.suhrkamp.de...

      Durch eine Kolumne WIEDERGELESEN befasste ich mich gerade mit Hobsbawms Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts und entdeckte, dass dieser 1994 Ähnliches formuliert hat.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 6 Jahre

      @Achim Engelberg Ja, die Erklärung ist dürftig, aber eben auch so knapp gehalten, dass man eben viele Leute zu einer Unterschrift bewegen konnte - bis hin zu Bassam Tibi. Interessant auch, wessen Name - warum auch immer - nicht in der Liste auftaucht: etwa Kubitschek und Elsässer, auch Gauland, Weidel, Petry fehlen.

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 6 Jahre

      @Dirk Liesemer Ja, leider weiß ich nicht, ob sie nach Moltke verfahren (Getrennt marschieren, vereint schlagen!) oder ob sie untereinander verstritten sind.

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