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Feminismen

Sexarbeit. Nicht Prostitution.

Barbara Streidl
Journalistin, Musikerin
Zum User-Profil
Barbara StreidlMittwoch, 06.11.2019

Dieser Text ist aus dem Jahr 2013 - aber er ist auch im Jahr 2019 sehr lesenswert. Sonja Dolinsek promoviert über "Frauenhandel, Sklaverei, Sexarbeit" an der Uni Erfurt, im Fach "Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts" (so heißt auf jeden Fall der Lehrstuhl) und hat den Blog "menschenhandel heute" gegründet. Ihre Argumentation gegen Alice Schwarzer noch vor der Einführung des Prostitutionsschutzgesetzes 2017 ist glasklar. Deswegen empfehle ich es, diesen Text zu lesen.

Sie steht erst am Ende des Textes, ist aber hilfreich für die Debatte: die Definition.

Prostitution bedeutet, dass erwachsene Menschen anderen erwachsenen Menschen sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten. Prostitution ist für diejenigen Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, eine Arbeit bzw. Sexarbeit.

Dolinsek geht also davon aus, dass "sexuelle Dienstleistung" von "Erwachsenen" gegen "Entgelt" Sexarbeit ist. Damit macht sie klar, dass es nicht um Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Zwang o.ä. geht. Und dass somit Verbote, Gesetze der Kriminalisierung als auch gesellschaftliche Ächtung von Sexarbeit in die falsche Richtung gehen.

Klammer auf:

Eine andere Lesart der beiden gegenüberstehenden Begriffe hat Antje Schrupp mal in der Zeit erläutert (Antje Schrupp ist übrigens auch hier auf piqd zu finden). Dort schrieb sie in der "10 vor 8"-Kolumne, ) "nicht jede Frau, die für Geld Sex mit Kunden hat, ist eine Sexarbeiterin“ und wies darauf hin, dass Prostitution im Gegensatz zu Sexarbeit "ein System sexistischer Dominanz“ sei. Auch sehr interessant.

Klammer zu.

Sexarbeit. Nicht Prostitution.

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Kommentare 8
  1. Andreas Landgraf
    Andreas Landgraf · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

    Vielen Dank für Voranstellung der Definition sowie dem Verweis auf den interessanten und äußerst differenzierten Artikel von @Antje Schrupp.

    Prostitution findet für mich überall dort statt, wo jemand durch Geld oder andere Anreize dazu gebracht wird, etwas gegen seinen Willen zu tun.

    Prostitution kann in fast jedem Berufszweig stattfinden.

    Prostitution in der Politik findet z.B. dort statt, wo PolitikerInnem nicht nur für ihre Dienstleistung (Abgeordnetentätigkeit) sondern darüber hinaus für bestimmtes Abstimmverhalten bezahlt werden, da dieses dann nicht mehr selbstbestimmt nach dem Gewissen, sondern geldbestimmt stattfindet.

    Prostitution im "Escort-Service" findet dort statt, wo die Begleitung nicht nur für die Dienstleistung (Begleitung) sondern darüber hinaus für bestimmtes Sexualverhalten bezahlt werden, da dieses dann nicht mehr selbstbestimmt, sondern geld- und damit fremdbestimmt stattfindet.

    In klassischen Prostitution wird die Macht des Geldes genutzt um die sexuelle Selbstbestimmung zu untergraben.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 5 Jahren

      ich stimme zu dass man - nennen wir es Prostitution im weiten (=jeder sex gegen Geld) und im engen sinne (=sex in einem nichtfreiwilligen Bereich gegen Geld) o.s.ä. - unterscheiden kann.
      Allerdings ist der Aspekt selbst-/Fremdbestimmung schwierig: ist nicht jede lohnarbeit letztendlich fremdbestimmt solange man auf das Geld angewiesen ist?

    2. Andreas Landgraf
      Andreas Landgraf · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Cornelia Gliem Ja, (fast) jede Lohnarbeit ist Fremd- / Geld-bestimmt und wird nicht "selbstbestimmt", sondern nur aufgrund der Aussicht auf finanzielle Entlohnung "freiwillig" und "einvernehmlich" getan.

      Doch erst wenn ich im Job etwas gegen meine Überzeugung/Gewissen tun soll, (z.B. Kriegsdienst / Umweltverschmutzung / Gesundheitsgefährdung / Straftaten / Abstimmungsverhalten) und es des Geldes Wegen trotzdem tue, handelt es sich um Prostitution. (Ob einvernehmlich, weil "käuflich" oder gezwungener maßen ist dabei nachrangig.)

      Das liegt daran, dass die sexuelle Selbstbestimmung wie auch die Gewissensfreiheit besonders schützenswert sind.

      Um es mit o.g. @Antje Schrupp zu sagen:
      "Es ist ein Unterschied, ob eine Frau putzen muss, obwohl sie nicht will, oder ob sie die Penisse irgendwelcher Männer in sich hineinlassen muss, obwohl sie nicht will."

    3. Barbara Streidl
      Barbara Streidl · vor 5 Jahren

      @Andreas Landgraf ... deshalb: Nicht jede Frau, die für Sex Geld bekommt, ist eine Sexarbeiterin.

    4. Andreas Landgraf
      Andreas Landgraf · vor fast 5 Jahre

      @Barbara Streidl Hm, das Wort suggeriert das Sexarbeit immer konsensual ausgeführt wird und im Normalfall keine Schäden zur Folge hätte.

      Das Wort selbst sagt allerdings nur etwas über die Art der Tätigkeit, aber nichts über den
      * Zwangsgrad dem die Frau ggf. ausgesetz ist und auch nicht über den
      * Überwindungsgrad, mit dem sie sich selbst überwinden muß, um sich darauf einlassen zu können, oder den
      * Dissoziationsgrad mit dem sie Teile ihres Bewusstseins abspaltet um (im tiefsten Inneren) ungewollte Sexuelle Handlungen besser ertragen zu können.

      Da "Erntesklaven" auch "Erntearbeit" leisten müssten wir vielleicht sogar zugeben, das selbst Sexsklavinnen die kein Geld erhalten, Sexarbeit leisten.

      Somit ist es möglich Sexarbeiterin zu sein, ohne Prostituierte zu sein, da sie kein Geld erhält.

    5. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 5 Jahre

      @Andreas Landgraf Ein gradueller

  2. Sonja Dolinsek
    Sonja Dolinsek · vor 5 Jahren

    Danke für das Ausgraben dieses alten Textes. Dazu gibt es auch einen neueren Text von Cornelia Möhring. https://diefreiheitsli...

    Und zum Sexkaufverbot habe ich auch eine schmerzhafte Debatte mit Bremeyer geführt. https://sonjadolinsek....

    Ein aktueller Forschungüberblick zum Sexkaufverbot in Schweden ist hier zu finden. https://www.idunn.no/o...

    1. Barbara Streidl
      Barbara Streidl · vor 5 Jahren

      Und danke dir, liebe Sonja! Im nächsten Lila Podcast bist du zum Thema zu hören! (ab 14.11.2019 online unter lila-podcast.de)

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