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Feminismen

Revolutionen von Frauen und Queers

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidSonntag, 04.12.2022

In den vergangenen Wochen beobachtete ich gleich mehrere Debatten, in denen erklärt wurde, dass die Revolutionen von 2011 in Nordafrika und dem Nahen Osten nicht menschenrechtsgeleitet, schon gar nicht feministisch (gewesen) seien. Es wurden Vergleiche angestrengt, die zeigen sollen, dass vor allem Frauen damals keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Was nicht der Realität entspricht. Immer öfters tauchen diese Vergleiche im Kontext des aktuellen mutigen und wichtigen Kampfs von (zunächst kurdischen) Frauen, Queers und deren Verbündeten gegen das klerikalfaschistische Regime im Iran auf. Ich habe mich also in den vergangenen Wochen öfter gefragt, warum dieses Framing angewendet wird. 

Ich musste zwangsläufig an so viele Texte denken, die ich zur feministischen Identität der Revolutionen von 2011 anknüpfend an sehr alte feministische Kämpfe in der Region gelesen habe. Auch diese hier im piq empfohlene Mini-Doku-Reihe von arte kam mir in den Sinn, die verschiedene Frauen in der Region vorstellt, wie sie gegen das Patriarchat und die unterdrückerischen Regime in ihren Ländern kämpfen. Eigentlich braucht es zumindest für jedes Land eine eigene Betrachtung zu diesem Thema, weil die Kontexte verschieden sind. 

Als ich nach 2011 als Reporter in Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Syrien und im Libanon unterwegs war, habe ich schnell verstanden, dass es ohne die Frauen keine Revolutionen gegeben hätte. Deswegen wurden sie auch an verschiedenen Orten von den autokratischen Regimen ins Visier genommen und gewalttätig zurückgedrängt sowie mundtot gemacht. In Ägypten organisierte das Militär zum Beispiel sehr spontan Schergen-Banden, sogenannte Baltagiya,  die auf die Straßen geschickt wurden, um vor allem Frauen und Queers zu attackieren. Gegen diesen in der Wissenschaft identifizierten Baltagui-Effekt wehrten und wehren sich die Betroffenen bis heute. Das Kalkül der Regime: Wenn Frauen und Queers nicht mehr auf die Straßen gehen, sind nicht nur Demonstrationen vorbei, sondern ganze politische Bewegungen mit höheren Zielen, wie die Wahrung der Menschenwürde und Herstellung von Demokratie, existieren nicht mehr. Deswegen gilt es, wie ich verstanden habe, die queer-feministischen Perspektiven in solchen Kontexten ernst zu nehmen und zu stärken. Das gilt sowohl für die Demonstrationen in Nordafrika und im Nahen Osten als auch für den iranischen Kontext. 

Häufig wird bei den genannten Vergleichen darauf hingewiesen, dass die Revolutionen in Nordafrika und im Nahen Osten gescheitert seien. Dabei stellt sich die Frage, wie Scheitern eigentlich gemessen werden kann. Ist die Revolution in Ägypten gescheitert, weil am vorläufigen Ende ein faschistisches Militärregime mit Unterstützung des Westens an die Macht gekommen ist und sich dort etabliert hat? Waren die Demonstrationen in Marokko umsonst, weil es dort anstatt eines Systemwechsels eine lange Phase des politischen Wandels im Sinne von queer-feministischen Perspektiven gab und gibt? Was ist mit Syrien, wo ein internationalisierter Krieg, in dem vor allem der Kreml in Moskau und das iranische Regime der Assad-Autokratie geholfen haben, die Demonstrationen blutig niederzuschlagen? 

Mir haben so viele verschiedenen Texte, Beiträge und vor allem Bücher geholfen, diese lokalen Perspektiven einzunehmen, den Frust und den Mut der Frauen, der Queers und ihrer Verbündeten besser zu verstehen. Ich würde mir wünschen, dass dieses breite Wissen auch breit rezipiert wird

Revolutionen von Frauen und Queers

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