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Feminismen

Frauen sterben. Aus Gründen.

Nutzer gelöscht
Nutzer gelöschtDonnerstag, 12.08.2021

Was passiert ist: Zwei Männer haben eine Frau getötet.

Zusatzinfo 1: Alle drei haben die afghanische Staatsangehörigkeit, sind also wohl Muslime.

Zusatzinfo 2: Es wird das vermutet, was man bisher ohne großes Nachfragen einen "Ehrenmord" nannte. Aber dieses Mal entbrennt eine breitere Diskussion darüber, bei welchem Namen man die Vorgänge nennen soll.

Da sind jene, die sagen, die tötenden Männer haben aus einem falsch verstandenen Ehrbegriff gehandelt - sie waren nicht damit zufrieden, wie die Frau (ihre Schwester) ihr Leben führte, fühlten sich dadurch in dem angegriffen, was sie als ihre (eigene und die familiäre) Ehre definieren. Deshalb, dachten sie, hätten sie das Recht, die Frau zu bestrafen, ihr sogar das Leben zu nehmen. Also ein "Ehrenmord".

Auf der anderen Seite jene, die sagen, die Gründe, aus denen diese Frau sterben musste, hätten mit "Ehre" nichts zu tun; der Tat läge gerade ein falsch verstandener Ehrbegriff zugrunde. Deshalb wollen sie nicht von "Ehrenmord" sprechen, sondern benutzen das Wort "Femizid" (Wikipedia: "die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts").

Nun entbrennen - nicht ganz unerwartet - die üblichen Auseinandersetzungen mit den üblichen Frontverläufen:

Zum einen: Die Berichterstattung über "Ehrenmorde" ist unausgewogen gegenüber sonstigen femiziden Tötungsdelikten und balanciert wacklig entlang der Grenze zum Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit; der in "Ehrenmorden" benutzte Ehrbegriff hat mit "Ehre“ nichts zu tun, und "Ehrenmorde", Morde an Frauen aus ebendiesem Ehrbegriff, können niemals mit diesem Ehrbegriff gerechtfertigt werden, deshalb lasst es uns auch nicht "Ehrenmord" nennen. Besser: "Femizid".

Dagegen: Ein "Ehrenmord" ist eine besondere Art des Femizids, eine ganz besondere Ausprägung, mit besonderen Kennzeichen, die zum Ergebnis "eine weitere Frau stirbt von Männerhand" hinzukommen, und diese weiteren Merkmale der Tat sind so bestimmend und auffällig, dass das Wort "Femizid" die Tat nicht mehr in ihrer Gänze beschreiben kann. Also: "Ehrenmord".

Und dann verhauen sich beide, mal mit Argumenten, mal mit Wahlkampfgetöse. Und schön ist das alles wieder mal nicht.

Zugrunde liegt dem Ganzen, wie mir scheint, ein semantisches Missverstehen dessen, was in der deutschen Sprache ein "Kompositum" bedeutet. Die Tatsache, dass ein Wort aus mehreren Hauptwörtern zusammengesetzt ist, bedeutet nicht, dass es dann insgesamt physisch aus jedem der Einzelwortbestandteile besteht. Bei der "Götterdämmerung" kann man das mit etwas gutem Willen und sprachbildlicher Hilfe zwar noch verargumentieren, beim "Bilderhaken" wird‘s schwierig, bei "Hundekuchen" (hoffentlich!) unmöglich. Und so besteht ein "Ehrenmord" halt auch nicht deshalb aus "Mord" und "Ehre", weil die beiden Wörter das Pech haben, zu einem neuen Wort zusammengeworfen zu worden zu sein, selbst dann nicht, wenn es sich nicht um einen "Ehrenmord" handelt, sondern um einen Ehrenmord.

So weit, so klar.

Auf der anderen Seite: Uuuh. Frownie.

Ich höre gerne auf mein Sprachgefühl, und das sagt mir, dass ich einen "Ehrenmord" nicht als Ehrenmord bezeichnen möchte. Ich MÖCHTE das nicht, weil es sich so anfühlt, als würde dieses Wort die Realität nicht ausreichend beschreiben. Ich MÖCHTE Frauen auch nicht "mitmeinen", wie es das generische Maskulinum grammatikalisch richtig erlauben würde. ICH. MÖCHTE. DAS. NICHT. Deshalb doppelpunkt-gendere ich – einfach deshalb, weil es sich gut und inhaltlich richtig anfühlt, und weil ich mal den Spruch gelesen habe: "In einem Doppelpunkt kann eine ganze Welt stecken." Das ist wunderschön. Und weil das so wunderbar ist, darf ich die "Satzzeichen mitten in einem Wort, in denen eine ganze Welt steckt" per Transferleistung auch anders einsetzen und die Ehrenmorde "Ehren"morde nennen.

Frauen sterben von Männerhand, ob aus "Ehre", aus "Liebe", aus "Eifersucht" oder aus "Tragik".

Frauen sterben. Aus Gründen.

Frauen sterben. Aus Gründen.

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Kommentare 3
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Kompositum. So wahr. und gutes Argument.

    Andererseits geht es hier ja tatsächlich um die Art ehre, die diese Männer definieren.

    ginge es dabei nur um ein paar Vereinzelte, könnte man zu recht von angeblicher Ehre falschverstandener etc. reden.
    (Und natürlich handelt es sich bei dieser Ausprägung um aus unserer heutiger Sicht keine Ehre.)

    Allerdings wurde jahrhundertelang und wird heute durch Millionen Menschen Ehre anders bzw. weiter definiert.

    und wenn auch unser Kulturkreis etwa im 18. Jahrhundert Duelle der Ehre wegen für angemessen hielten oder Stammeskulturen im 20. Jahrhundert das Verhalten der Frauen strickt reglementieren und das unter Ehre fassen,
    können wir heutzutage nicht einfach den Begriff Ehre anders definieren.

    bzw. wir können schon - aber uns dann nicht unbedingt darauf berufen, die anderen verwendeten den Begriff falsch.

    Ehre ... schwieriges Konzept. interessanterweise kommt er sogar im Grundgesetz vor.
    und in unserem StgB.

    Aber - ein großes ABER - diese Stammeskulturen selbst umfassen heutzutage Ehre durchaus different. (und der Islam übrigens der so oft als Begründung herhalten muss verbietet Ehrenmorde eigentlich.)

    und ob sich kleinfamilien, die bei uns seit wasweisich mehr als 40 Jahren leben, auf einen zt veralteten und in ihrer ursprünglichen Heimat längst nicht mehr so verwendeten Ehrbegriff berufen "können", ist fraglich.
    Zudem wenn dann deren Ausführenden meist ja jüngere, hier geborene Familienmitglieder sind.

    "Ehren"mord halte ich unter all dem Gesagten dennoch für eine gute Lösung weil Ehre eben nicht gleich "Ehre" ist.

    (ps: theoretisch müsste es ja sowieso Unehre-Morde heißen, schließlich geht es um Unehre die durch die Tötung 'Ehre' wiederherstellen soll.)

  2. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

    Wow, was für eine wundervoll geschriebene Empfehlung. Vielen Dank.

    1. Nutzer gelöscht
      Nutzer gelöscht · vor mehr als 3 Jahre

      Vielen Dank. Schwieriges Thema, vermintes Gelände, aber Everest-großer Redebedarf.

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