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Europa

Richtungswahl im Nachbarland: Wohin steuert Polen?

Ulrich Krökel
Osteuropa-Korrespondent / Piqer für DLF-Europaformate
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Ulrich KrökelDonnerstag, 09.07.2020

Am Sonntag wird in Polen ein neuer Präsident gewählt. Oder der alte darf weitermachen. Konkret: Der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski fordert in einer Stichwahl den rechtskonservativen Amtsinhaber Andrzej Duda heraus. In dem tief gespalteten EU-Land steht somit eine echte Richtungsentscheidung bevor, wie Politikwissenschaftlerin Agnieszka Łada im aktuellen Tacheles-Gespräch von DLF Kultur erklärt:

Die zwei Kandidaten haben zwei Visionen von Polen. Duda will Polen vor allem als einen starken Nationalstaat haben, als Staat, der sich nicht mehr Europa wünscht, sondern selbst stark als Land in der EU bleiben will, ein Land, wo die traditionellen Werte sehr wichtig bleiben. Trzaskowski und die Opposition vertreten die Meinung, man braucht mehr und nicht weniger Europa. Man braucht, um europäische Werte umzusetzen, mehr Liberalisierung im Wertesystem und auch mehr Liberalisierung im Wirtschaftssystem.

Łada, die seit Jahresbeginn stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt ist, zählt zu den renommiertesten polnischen Deutschland- und EU-Expert*innen. Wahrscheinlich gelingt es ihr im Interview deshalb so gut, die komplizierte polnische Innenpolitik für ein deutsches Publikum verständlich zu analysieren, ohne die Dinge zu vereinfachen. Das zeigt sich sehr gut am Beispiel der polnischen LGBT-Diskussionen, die im Wahlkampf eine große Rolle spielen. Garber fragt nach Dudas "Kampagne" gegen die LGBT-Community: "Er hat gesagt, das seien gar keine Menschen, das sei einfach nur eine Ideologie. Kann man mit solchen menschenverachtenden Sprüchen in Polen bei Wahlen Stimmen gewinnen?" Dazu Łada:

Gewinnen, das hoffe ich nicht, aber man kann schon Stimmung machen mit solchen Sätzen – leider. Man muss [sich aber auch] vorstellen, wie Duda das sagt und wie er dabei gezeigt wird. Er sagt das in einem Zusammenhang mit der Verteidigung der polnischen traditionellen Familie. Generell ist die Familie in Polen sehr wichtig. Jeder Angriff auf die polnische Familie wird sehr negativ gesehen. Deshalb sagt er so was, weil er die LGBT-Bewegung [...] als einen Angriff auf die polnische traditionelle Familie betrachtet. Deshalb punktet er mit solchen Sätzen, aber auch, weil die öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle das in so einem positiven Bild darstellen. Das spielt schon eine Rolle, dass ein größerer Teil der Medien einfach für die Regierung Werbung macht.

Insgesamt ergibt sich in dem Gespräch ein rundes Bild der polnischen Politik vor der Richtungswahl am Sonntag. Manchmal ist das Gespräch von Garber vielleicht etwas zu erklärstückhaft angelegt, was einigermaßen tief blicken lässt. Polen, das ja nicht nur Deutschlands Nachbarland, sondern auch das bei weitem wichtigste EU-Land im Osten ist, muss in Deutschland wohl immer noch von Grund auf erklärt werden.

Richtungswahl im Nachbarland: Wohin steuert Polen?

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Kommentare 2
  1. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als 4 Jahre

    Auf Twitter las ich, der Beitrag sei sehr einseitig "Anti- Andrzej Duda". Nach dem Hören finde ich, dass er wenn eher leicht "Pro-Rafał Trzaskowski" und eben das bisherige politische Wirken beider eingeordnet und analysiert wird. Ich finde es immer noch ausgewogen, ein gelungenes Erklärstück (auch wenn ich dir in deiner Kritik zustimme, manchmal etwas zu sehr).
    Aber was spricht denn wirklich gegen Rafał Trzaskowski? Nur, dass er irgendwie elitär und weltbewandert ist? Oder gibt es da noch mehr? Da ging mir der Beitrag nicht weit genug.

    1. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor mehr als 4 Jahre

      Ich glaube, der genannten Twitter-Einschätzung liegt ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde, das ich immer häufiger beobachte. Wenn sich jemand KRITISCH äußert, wird das sehr schnell als ANTI aufgefasst und einem politischen Lager zugeordnet. Dabei ist es doch das Normalste von der Welt, wenn Journalist*innen oder Politikwissenschaftler*innen sich kritisch über einen Politiker äußern, in diesem Fall Duda, gerade wenn er fünf Jahre an der Macht war und es gute Gründe für Kritik gibt. Dass in dem Gespräch nicht durchgekaut wird, was alles gegen Trzaskowski spricht, ist auch erst mal völlig normal, wenn man es mit einem Herausforderer zu tun hat, der aufgrund seiner politischen Vita einfach noch nicht so viele Ansatzpunkte für Kritik zu bieten hat. Meine These: Lagerbildung mindert Kritikfähigkeit, zu der ja auch immer die Fähigkeit zur Selbstkritik (im eigenen Lager) gehört.

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