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Europa

"Jetzt wird das Vereinigte Königreich von Belfast aus regiert"

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteDonnerstag, 15.06.2017

Der Artikel ist nur kurz. Aber der Punkt, um den es geht, ist brisant. Seit sie mit der Neuwahl ihre absolute Mehrheit im britischen Parlament verspielt hat, braucht Theresa May zumindest die Unterstützung einer zweiten Partei. Offensichtlich mag niemand anders diese Rolle übernehmen als die ultrakonservative und sektiererische DUP. Damit macht sich May nicht nur abhängig von einem "Juniorpartner", der nicht einmal an der Regierung beteiligt sein wird, so wie es aussieht, sondern sie erschüttert den nach wie vor fragilen nordirischen Friedensprozess bis in die Grundmauern, wie Ralf Sogscheck in der taz darlegt. 

Sein Fazit: 

Aber die Sache entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Jahrhundertelang wurde Irland von London aus regiert. Jetzt wird das Vereinigte Königreich von Belfast aus regiert.
"Jetzt wird das Vereinigte Königreich von Belfast aus regiert"

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Kommentare 9
  1. Silke Jäger
    Silke Jäger · vor mehr als 7 Jahre

    "Jetzt wird das Vereinigte Königreich von Belfast aus regiert." Dieser Twist liest sich zwar unterhaltsam, aber das darf man so nicht sagen, finde ich. Denn damit wäre die DUP gleichgesetzt mit "nordirische Regierung", ein Ding der Unmöglichkeit gemäß des Good Friday Agreement.
    Belfast hat derzeit keine Regierung. Sinn Féin, die Partei, mit der sich die DUP sein Monaten nicht auf eine Regierungsbildung einigen kann, boykottiert das britische Unterhaus, weil sie den Eid auf die Königin verweigert. Die 7 Abgeordneten der Sinn Féin fehlen der Westminster-Opposition sowieso schon. Kommt der Deal mit der DUP zustande, erhöht sich der Druck auf Sinn Féin weiter. Nicht nur die DUP kann sie in Nordirland in die Ecke des störrischen Neinsagers stellen, die Westminsterparteien können sie von der anderen Seite in die Zange nehmen.
    Die Neutralität von Westminster in Nordirland ist schon jetzt dahin, Sinn Féin erwägt auf Einhaltung der Klauseln des Good Friday Agreement zu klagen – und denkt über ein Unabhängigkeitsreferendum für ein vereinigtes Irland nach. Das sieht alles nach größerem Chaos aus, als man sich vor der Wahl vorzustellen wagte. Vom Brexit mal ganz abgesehen.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 7 Jahre

      Ja, so könnte man das interpretieren. Aber die DUB kommt gegenüber Sinn Fein, die ihr Sitze im britischen Parlament nicht einnehmen, faktisch in eine Rolle, die ihr einen strukturellen Machtvorteil verschafft.

      Gemeint ist seitens des Autors nach meinem Verständnis allerdings eher der Sachverhalt, dass Theresa May sich im Blick auf die Machtverteilung zwischen Tories und DUB in der Hände der Parteizentrale der DUB in Belfast begeben hat, um im Amt bleiben zu können, und das in diesem Sinne aus Belfast massiv Einfluss auf die Entscheidungen von May genommen werden kann und sicher auch genommen wird – London also von Belfast aus regiert wird.

    2. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor mehr als 7 Jahre

      @Jürgen Klute So meint der Autor das, ja, stimme zu. Ich finde die Metapher "Königsmacher" trotzdem gelungener (wenn auch schon ziemlich durchgeleiert). Ich bin bei seiner Wortwahl etwas haarspalterischer unterwegs als sonst, weil mir das Thema Nordirland als Wahl-Londonerin gerade ziemlich nahe kommt. Mir scheint das schon seit dem Brexit-Votum unterschätzt zu sein. Freue mich deshalb, dass es hier bei piqd ziemlich präsent ist – danke dafür.

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 7 Jahre

      @Silke Jäger @Silke Jäger Das verstehe ich gut. Mich hat auch schon ziemlich gewundert, dass das Thema Nordirland in der öffentlichen Debatte um den Brexit bisher in GB nach meiner Beobachtung keine Rolle gespielt hat. Dabei ist aus meiner Sicht der Friedensprozess in Nordirland (als MEP habe ich indirekt ein bisschen damit zu tun gehabt) noch bedeutsamer als die ökonomischen Fragen. Auf meinem Blog (europa.blog) hatte ich vor einiger Zeit schon einen Beitrag zum Thema Brexit und Nordirland (Der Brexit hat eine (konstitutionelle) Büchse der Pandora geöffnet – Von Nikos Skoutaris). Hast du eine Einschätzung, woran es liegt, dass diese doch hochbrisante Seite des Brexits in der bisherigen Debatte in GB (und natürlich auch in der EU) keine wahrnehmbare Rolle gespielt hat?

    4. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor mehr als 7 Jahre

      @Jürgen Klute Bisher war das so, aber angesichts des drohenden DUP-Deals ändert sich die Berichterstattung. So lange May offiziell auf den hard Brexit gesetzt hat, reichte die Vorstellungskraft wohl nicht so recht aus, wie man das für die irische Grenze umsetzen soll. Und die alte Regierung hatte auch kein Interesse über Einzelheiten wie diese öffentlich nachzudenken. Wie war das in Brüssel? Ich habe eher wahrgenommen, dass es hauptsächlich um formale Fragen des Verhandlungsprozesses ging. Wahrscheinlich wollte niemand schlafende Hunde wecken. Dass die schon längst nicht mehr schlafen, wollte wohl keiner so recht wahrhaben. Die Schotten waren eindeutig das harmlosere Thema, wenn es um die Zukunft des Vereinigten Königreiches ging, da glaubte niemand so recht an ein ernstes Problem, darüber ließ sich gefahrloser reden. Nordirland ist der Elefant im Raum, an dem inzwischen aber niemand mehr vorbeischauen kann.

    5. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 7 Jahre

      @Silke Jäger Ja, in Brüssel hat man zunächst mal auf die Formalitäten gesetzt. Verhandlungstaktisch ist das ja durchaus sinnvoll.

      Soweit ich die EU-Kommission kennengelernt habe als MEP das die zuständigen Abteilungen der EU-Kommission längst im Hintergrund an diesem Problem arbeiten oder zumindest dieses Problem gezielt im Blick haben. Denn ein Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts wäre im Blick auf andere Seperatistenbewegungen riskant. Das würde dem inneneuropäischen Terrorismus neuen Brennstoff zuführen. Angesichts des islamistischen Terrors, dessen Akteuere ja auch Europäer sind, könnte das zu einem brisanten Gemisch führen. Insofern nehme ich an, dass im Hintergrund einiges zu Thema in Brüssel läuft.

      Hättest du nicht Lust, ein paar Beobachtungen aus Londoner Perspektive, wie du sie ja schon oben beschrieben hast, für Europa.blog aufzuschreiben?

    6. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor mehr als 7 Jahre

      @Jürgen Klute Oh. Danke für deine Anfrage! Wir mailen uns dazu am besten mal. Danke auch für die guten Links zum Thema. Hier überschlagen sich heute morgen mal wieder die Nachrichten, es passiert zu viel ... Beim heutigen Start des Brexit-Verhandlungsmarathons geht es um die Agenda für die nächsten Monate, auf der neben anderen Themen immerhin ganz oben die Irlandgrenze steht.
      Der guardian deckt das Thema DUP mEn derzeit gut ab: https://www.theguardia...
      Und hier eine irische Meinung zum Deal (sehr aufschlussreich, ich habe bei den englischen Medien nichts derart pointiertes gelesen): http://irishpost.co.uk...

    7. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 7 Jahre

      @Silke Jäger Ja, ok, hier meine Emailadresse: juergen.klute |et| tutanota.com – Und auch Dank für die Links.

    8. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 7 Jahre

      @Silke Jäger @ Silke Jäger: Ich habe gerade einen interessanten Artikel gefunden, der sich mit der Haltung der Tories zum nordirischen Friedensprozess befasst:

      www.thecanary.co/2017/......

      Das ist erschreckend, aber erklärt doch einiges.

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