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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Politisch war die „gelenkte Demokratie“ der nuller Jahre keine Kehrtwende, sondern das Reifestadium des Jelzin-Systems. Das Problem eines zersplitterten Parlaments löste Jelzin, indem er das „Weiße Haus“ im Oktober 1993 von Panzern beschießen und die Verfassung im Sinne einer präsidentiellen Übermacht umschreiben ließ.
Die bescheidene Rolle der Duma brachte ihr Vorsitzender Boris Gryslow 2003 auf den Punkt: „Das Parlament ist nicht der Ort für politischen Streit.“ Als seine größte Errungenschaft feiert das Putin-System seine bjesalternativnost. Doch alles, was diese „Alternativlosigkeit“ möglich machte – die übermächtige Rolle des Präsidenten, die Umgehung aller demokratischen Kontrollen und der Einsatz gewaltsamer Methoden – entstand bereits unter Jelzin.
Beide Aspekte von Putins Wirtschaftspolitik – die Liberalisierung ebenso wie die staatliche Lenkung – respektieren das private Gewinnstreben und setzen insofern auf das in den 1990er Jahren etablierte kapitalistische Modell. Obwohl Putin 2000 versichert hatte, die Oligarchen würden „als Klasse aufhören zu existieren“, ist deren Zahl massiv angestiegen: In der Forbes-Liste der Milliardäre war 2000 noch kein einziger Russe vertreten, 2007 waren es schon 87 und 2014 sogar 111.
Der Putinismus ist kein korruptes, diktatorisches System, das einer hilflosen Bevölkerung aufgezwungen wurde. Er ist vielmehr in die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Gegebenheiten des modernen Russlands eingebettet und wird von diesen ebenso geformt, wie er umgekehrt das heutige Russland formt.
Und der Film „Leviathan“ von Andrei Swjaginzew, der im letzten Drittel eine Rolle spielt, legt wie der Artikel Tiefenstrukturen frei. Deshalb poste ich diesen Text von 2015.
Quelle: Tony Wood monde-diplomatique.de
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