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Man weiß es ja. Es war noch nie anders und wird wohl nie anders sein. Politik funktioniert mittels Machtverhältnissen. Hierarchisch segmentierte Institutionen mit unterschiedlich dosierter Verantwortlichkeitsreichweite autorisieren Entscheidungsfindungen in abgeschlossenen, diskreten Räumlichkeiten.
Dennoch ist es immer wieder faszinierend, von den zu Grunde liegenden konkreten Strukturen und Mechanismen jener intransparent legitimierten Entscheidungsprozesse zu lesen.
Im vorliegenden Artikel des Tagesspiegel geht es um die systematische Verschleppung und Störung wichtiger Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene und der administrativen Ordnung, welche eben dies möglich macht. Sehr spannend und erhellend - wenn auch für kritische BetrachterInnen demokratisch verfasster Gesellschaften nichts entscheidend Neues.
Konkret wird die Arbeitsweise und Konstitution des Rates der Europäischen Union (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat!!) beleuchtet.
Jenem Organ also, wo die Regierungsbeamten der 27 Mitgliedsstaaten die Gesetze der EU verhandeln und beschließen, bevor sie sich mit dem Parlament auf die endgültigen Gesetzestexte einigen.
Genau das ist das Problem: nicht gewählte Abgeordnete sondern weisungsabhängige Beamte verhandeln und entscheiden über Inhalte und Konditionen. Natürlich ist dies nicht grundsätzlich falsch, haben doch die nationalen Regierungen hinsichtlich diverser Aspekte und Zusammenhänge nicht nur anderer Meinungen, sondern auch andere Informationsstände, als die Abgeordneten im EU-Parlament. Dass also auf Ministerebene präventiv Kompromisse ausgehandelt werden müssen, die auf diesem Level im Parlament nicht kommunizierbar sind, leuchtet noch ein.
Dass der gesamte Prozess jedoch völlig nicht-öffentlich ist und auch im Nachhinein die Gründe für Komplikationen und Verschiebungen, sowie fundamentale Entscheidungsfindungsvorgänge, die ja Hinweise geben könnten auf die jeweiligen nationalen Präferenzkonstellationen und Regelnotwendigkeiten - und damit auch auf mögliche Lösungsansätze - nur nach gerichtlicher Verfügung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, leuchtet mir nicht mehr im Geringsten ein.
Das vorgebrachte Argument, den Verhandlungen einen "sicheren Raum" bieten zu müssen, um eben auch über Kompromisse sprechen zu können, die in den jeweiligen Öffentlichkeiten der Einzelstaaten unpopulär wären, trägt nur teilweise. Denn DASS diese Verhandlungen partiell unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt finden, ist ja nicht das Problem. Aber dass im Nachhinein die Gründe und der Kontext für ein mögliches Scheitern nicht öffentlich debattierbar sind, öffnet Lobbyismus, Nepotismus und massiver Einflussnahme durch potente Akteure, seien diese wirtschaftlicher oder politischer Provenienz, Tür und Tor.
Quelle: Harald Schumann, Sigrid Melchior Bild: Tagesspiegel m.tagesspiegel.de
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