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Europa

Frankreich jammert, Deutschland hat Angst

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 04.06.2022

Gibt es so etwas wie "nationale Psychologien"? Offensichtlich fühlen sich die wohlhabenden westlichen Nationen oft nicht wohl. Natürlich, Wohlstand allein macht nicht glücklich. Aber woher kommen solche Mißstimmungen und Depressionen? In Ländern, die Millionen armen Menschen auf der Welt als Paradies und Migrationsziel gelten? Und so schreibt der Schriftsteller und Philosoph Pascal Bruckner über seine Heimat:

Vor kurzem hat Frankreich die ersten warmen Tage erlebt. Der Sommer hat einen Monat früher als üblich begonnen, schon im Mai konnten in diesem Jahr die Strände, Seen und Flüsse gestürmt werden. Aber anstatt sich zu freuen, lamentierten die Franzosen lieber. Das Land leide bei diesen Temperaturen, das Wetter sei viel zu schön, die Wärme unerträglich.

Hinter dem blauen Himmel und der Wärme lauert sicher die Klimabombe. Frankreich jammert im Sonnenschein. Sicher, man hat es nicht einfach als ehemalige "Grande Nation". Man ist der Erbe einer ruhmreichen Vergangenheit. Wird aber heute global nicht mehr so recht wahrgenommen. Das französische Konzept der Zivilisation scheint zunehmend marginalisiert, 

die angelsächsischen Modelle, die den Staat und die Welt anders konzipieren, erweisen sich heute als vitaler. Lange Zeit haben sich die Franzosen selbst getäuscht; in der Kunst, sich selber zu überschätzen, haben sie es zu einer beeindruckenden Meisterschaft gebracht.

Aus dem Gegensatz zwischen Selbstbild und der Wirklichkeit scheinen Niedergangsgefühle und Katastrophenängste zu erwachsen. Wer Michel Houellebecq liest spürt das. Gleichzeitig verteidigt das Land seine alten Strukturen mit Vehemenz und großer Geste:

Man bekämpft hier jede noch so kleine Veränderung – und setzt dabei auf revolutionäre Gesten. Wenn das Rentenalter dereinst endlich mühsam von 62 auf 64 Jahre erhöht werden wird, wird uns das Monate des Aufruhrs und der Proteste eintragen. Die Repräsentanten unserer Gewerkschaften treten auf wie Sansculotten und bringen ihre Forderungen in der Sprache von Robespierre und Lenin vor.

Die ganze Situation ist paradox, die politischen Lager agieren mehr oder weniger desolat, die Ziele sind verschwommen. Wo führt das hin?

Ebenfalls in NZZ beschreibt der deutsche Publizist Reinhard Mohr seine Sicht auf die Bundesrepublik. Sie zeichnet das Bild eines Landes in Angst vor dem Weltuntergang gemischt mit Allmachtskonzepten:

Traumhaft sicher findet die deutsche Apokalypseverliebtheit stets ihr neuestes Desaster, bei dem sich Schuldprojektionen, Ohnmachts- und Allmachtsphantasien auf absurde Weise miteinander vermischen. Die Feigheit, sich der Realität zu stellen, ist die Schwester der Selbstverzwergung ….

Mohrs Analyse mag überzogen sein. Allerdings Untergangsszenarien lassen sich in den Medien offensichtlich gut "verkaufen". Klimaerwärmung ist zu wenig - Klimaerhitzung ist angesagt, mit drohender Apokalypse. Oder der fürchterliche Krieg in der Ukraine wird zum dritten Weltkrieg, inklusive unserer atomaren Auslöschung. 

Die Apokalypse, der Weltuntergang droht, und wir werden die ersten Opfer sein. Darunter machen wir Deutschen es nicht, von der Pendlerpauschale und dem dreizehnten Monatsgehalt mal abgesehen. Schon 1954 hatte Friedrich Sieburg in seinem Band «Die Lust am Untergang» festgestellt: «Es ist unglaublich, was man mit einem gut gepflegten Katastrophengefühl alles anfangen kann. Richtig zu leben ist schwer, aber zum Untergang reicht es allemal.»
Allerdings, es gibt gerade einen Lichtblick, so der Autor. Wichtige Politiker in der aktuellen Regierung, Annalena Baerbock und Robert Habeck, haben erkannt, dass es keine Freiheit, keine Demokratie ohne Mut und Risiko geben kann. Werden wir Deutschen erwachsen? Für Europa könnte es ein Segen sein. Wenn wir nicht in ein anderes Extrem verfallen.


Frankreich jammert, Deutschland hat Angst

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

    Zum Thema:

    "Nach der Katastrophe in Fukushima packt die Deutschen, als einzige Nation weltweit, die Angst. Hunderttausende gingen auf die Straße, die Wende in der deutschen Atompolitik war besiegelt. Deutsche Kernkraftgegner selbst begreifen ihre Reaktion naturgemäß als rational: Atomanlagen gefährden ganze Völker, das Leben auf diesem Planeten schlechthin. Doch es gibt auch eine andere mögliche Deutung der deutschen Atomangst. Die Katastrophe im 9000 Kilometer entfernten Fukushima wurde schließlich durch ein Naturereignis ausgelöst, das im mitteleuropäischen Raum gerade nicht erwartbar ist. So gesehen wäre die Angst vor der Kernschmelze eher ein Ausdruck allgemeiner Ängstlichkeit, einer, wie Sigmund Freud sagt, „frei flottierenden Angst“: „Personen, die von dieser Art Angst geplagt werden, sehen von allen Möglichkeiten immer die schrecklichste voraus, deuten jeden Zufall als Anzeige eines Unheils, nützen jede Unsicherheit im schlimmen Sinne aus.“

    Freuds Darstellung neurotischer „Erwartungsangst“ beschreibt exakt jenen oft behaupteten Wesenszug der Deutschen, der im angelsächsischen Sprachraum seit den achtziger Jahren – den Jahren des Waldsterbens und der bundesweiten Demonstrationen gegen die Nachrüstung von Pershing-II-Raketen – mit dem Begriff „german Angst“ bezeichnet wird. Deutsche, so die Wahrnehmung im Ausland, sind überängstlich, pessimistisch, zaudernd und stehen damit nicht nur dem Weltfrieden, sondern auch sich selbst im Wege. "

    https://www.philomag.d...

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