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Europa

"Der Schlüssel für ein geeintes Europa": Wie Ulrike Guérot die EU reformieren möchte

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
Zum Kurator'innen-Profil
Dirk LiesemerMontag, 18.12.2017

Im Sommer hatte ich auf eine Rezension des aktuellen Buches der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot aufmerksam gemacht (siehe hier). Nun hat sie einen recht ausführlichen Beitrag veröffentlicht, der die wesentlichen Thesen der Schrift zusammenfasst. Kurz gesagt sieht sie unseren Kontinent am Scheideweg. Die EU sei bereits an der Eurokrise und an der Flüchtlingspolitik gescheitert. Nicht einmal Urteile des Europäischen Gerichtshofes würden noch in allen Mitgliedsstaaten beachtet, was den Verfall der Autorität augenfällig macht. Vor allem aber lenkt sie den Blick auf einen politisch-kulturellen Konflikt, den sie durchaus boulevardesk als "neuen Bürgerkrieg" tituliert. Grundsätzlich hat sie mit ihrem Befund jedoch recht: Die Befürworter eines offenen Europas sehen sich in fast allen Mitgliedsstaaten einer wachsenden Front von Populisten und Nationalisten ausgesetzt. "Im europäischen Bürgerkrieg stehen sich Globalisierungsverlierer und Globalisierungsgewinner, urbane Zentren und ländliche Regionen, Jung und Alt, Arm und Reich, Identitäre und Kosmopoliten gegenüber." Für meinen Geschmack verwendet sie recht viel Zeit für die Darstellung dieses Konfliktes und zu wenig für die Optionen, die sich den Europafreunden bieten. Um der EU wieder mehr Stabilität zu verleihen, hebt sie am Ende vor allem auf einen Vorschlag ab, der erstaunlich einfach klingt: "Genau das ist heute der Schlüssel für ein geeintes Europa: ein allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht für alle europäischen Bürger, diesmal nicht nur jenseits von Ständen, sondern auch jenseits von Nationen. 'Eine Person, eine Stimme' ist der nächste wichtige Schritt, wenn es gilt, auf unserem Kontinent eine politische Einheit zu begründen, die die wirtschaftliche Einheit erst legitimiert." Es wäre ein Schritt nach vorn, aber wie weit man damit letztlich kommt, bleibt unklar.

"Der Schlüssel für ein geeintes Europa": Wie Ulrike Guérot die EU reformieren möchte

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Kommentare 7
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 7 Jahre

    Wer ist denn dieses "Wir", dass die Europäische Republik gründet?

    Diese lesenswerte Widerrede ist größtenteils hinter einer Bezahlschranke, aber schon am Anfang ist zu erkennen, dass Frau Guérot es beim zitieren nicht genau nimmt.
    http://www.spiegel.de/...

    Auch andere Geschichtsschreiber sind da skeptisch bis ablehnend, da solche Gründungen meistens gewaltsam sich vollziehen.
    Man nehme nur den von Frau Guérot erwähnten Johann Gottlieb Fichte, dessen Reden im Jahre 1808 erschienen. Der deutsche Nationalstaat kam aber erst 1871. Dazwischen waren die Befreiungskriege mit der Völkerschlacht bei Leipzig, die 1848/49 Revolutionen und schließlich drei Kriege unter Bismarckscher Führung. Dieser wusste schon, dass so was ohne "Eisen und Blut" nicht zu haben ist. Und das war nicht sein Preußentum, sondern der übliche Weg. Die Nationalstaatsbildung Italiens war so blutig, dass das Rote Kreuz gegründet wurde.

    Ich fürchte, der europäische Bürgerkrieg, der hier an die Wand gemalt wird, könnte kommen, wenn die Nationen aufgelöst würden.

    Aber welche Nation will sich aufgeben? Ich kenne keine.

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 7 Jahre

      Ob es einer expliziten Gründung einer Europäischen Republik bedarf, ist fraglich. Aber dass sich die EU weiterentwickeln muss, auch damit künftig zwischenstaatliche Konflikte vermieden werden, halte ich für recht eindeutig und wünschenswert. Nationalstaaten müssen deshalb nicht als politische Einheiten aufgegeben werden, das sollten sie auch nicht: Aber was spricht eigentlich gegen ihren Vorschlag eines einheitlichen europäischen Wahlrechts?

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 7 Jahre

      @Dirk Liesemer Ulrike Guérot will aber die Abschaffung der Nationalstaaten - und das seit Jahren. Das kann man an allen Texten von ihr und gegen ihre Vorstellungen auf Piqd nachlesen.
      Ob die EU weiter entwickelt oder in anderer Weise neu gegründet wird, weiß ich nicht. Auf jeden Fall muss sie, wird sie sich verändern. So wie es ist, bleibt es nicht.
      Dabei könnte es auch Veränderungen im Wahlrecht geben. Nur Fragen des Wahlrechts sind Machtfragen. Hätten die USA ein besseres Wahlrecht, wäre Trump nicht Präsident.

    3. Reinard Schmitz
      Reinard Schmitz · vor fast 7 Jahre

      @Achim Engelberg Das Wahlrecht wurde, soweit mir bewusst ist, immer und überall erkämpft. Und zwar von unten. Und um die EU als integrativen Kern in Europa zu erhalten, kommt man um einen europäisches allgemeines Wahlrecht nicht herum. Wie soll sonst eine Identifikation entstehen? Der trockene Boden der Wirtschaft reicht nicht aus, das sehen wir doch nicht zuletzt beim Konflikt Nord-Süd. Die Desintegration würde auf Dauer wieder wirklichen Krieg bedeuten, fürchte ich. Denn die Verteilungskämpfe kommen ja, oder?

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 7 Jahre

      @Reinard Schmitz Einverstanden: Keine grundsätzlichen Änderungen im Wahlrecht ohne starke gesellschaftliche Bewegungen. Leider sehe ich keine grenzüberschreitende Bewegung von unten, die das bewirken kann.
      Eine der stärksten https://diem25.org/hom...
      ist vielen unbekannt.
      Leider!

    5. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 7 Jahre

      @Achim Engelberg Zu DiEM gabs mal hier einen Piq: https://www.piqd.de/eu... Könnte man mal wieder schauen, was die aktuell so treiben ...

    6. Eric Bonse
      Eric Bonse · vor fast 7 Jahre

      @Achim Engelberg Das Problem liegt ja noch tiefer. Selbst die größten Vorkämpfer für eine starkes Europaparlament, die Mitglieder der Spinelli-Gruppe, machen sich nicht für eine Umwälzung des anachronistischen Wahlrechts in der EU stark. Allenfalls fordern sie, ein paar durch den Brexit frei werdende Sitze für eine neue europäische Wahlliste zu nutzen. Siehe mein Interveiw mit Jo Leinen (MEP): http://lostineu.eu/die...

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