In einem Interview schildert die britische Journalistin Catherine Belton das Entstehen und Funktionieren der unheimlichen Machtstrukturen des Wladimir Putin. Ihr Buch "Putins Netz" gilt als aktuell fundierteste Analyse des Macht-Kraken hinter der offiziellen Fassade des Kreml. Es zeichnet 

Wladimir Putin als KGB-Mafiaboss, der offensichtlich Terroranschläge fingiert und Kriege anzettelt, um sich den Rückhalt der Bevölkerung zu sichern, der milliardenschwere Oligarchen herumkommandiert, als wären sie seine Capos, und gigantische Mengen von Schwarzgeld verschiebt, um die westlichen Demokratien zu destabilisieren.

Vieles ist bekannt aber in dieser dichten Schilderung schwer zu verdauen. Der Verstand weigert sich die globale Politik quasi als von kriminellen Machenschaft durchsetzt zu sehen. Und einen Menschen wie diesen Putin als Mastermind im Zentrum. Hängt wirklich soviel an einem einzelnen Mann? Wieder einmal hat die Sphinx im Kreml mit dem Einmarsch in die Ukraine

viele überrascht, die sich ausgiebig mit seiner Person beschäftigt haben. Er hat sogar seine engsten Vertrauten überrascht – angefangen bei der Wirtschaftselite, über die Chefin der russischen Zentralbank bis hin zum Finanzministerium. Noch drei Tage vor dem Einmarsch hatten selbst die mobilmachenden Soldaten keine Ahnung, was das eigentliche Ziel dieser angeblichen Truppenübung war.

Er, der als kalter Pragmatiker galt, hat mit diesem Krieg, für seinen imperialen Traum, die Zukunft seines Landes und Europas auf's Spiel gesetzt. Er hat damit die letzte Maske der Legitimität abgenommen.

Der Weg dahin war im Hintergrund eigentlich immer von blutigen Machenschaften begleitet. Man kann sagen diese Verbrechen ermöglichten Schritt für Schritt den Griff nach der absoluten Macht.

In Russland hat das eine jahrhundertelange Tradition, auch die sowjetische Geheimpolizei Tscheka war in die schlimmsten Terroranschläge verwickelt, schreckte vor keiner Gräueltat zurück, wenn es um die Eroberung oder den Erhalt von Macht ging. Das ist bei Putins Geheimdienst nicht anders. Trotzdem hat jahrelang niemand recht daran glauben wollen, dass der FSB, eine Nachfolgeorganisation des KGB, in die Serie von Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser verwickelt war, die halfen, Putin an die Macht zu bringen – obwohl es deutliche Hinweise darauf gab

Im Hintergrund funktioniert (national und international) auch Putins finanzielles Netzwerk, ein komplexes Schwarzgeld-System aus Strohfirmen und Mittelsmännern, zum Kauf von Einfluß. In Rußland selbst sind es die Oligarchen, die dieses Netzwerk speisen. Mehr oder weniger gezwungen in Putins Hand. Chodorkowskis Verhaftung war 2003 der Warnschuss an die Oligarchen, 

die es im Chaos der Jelzin-Jahre zu großem Reichtum und Macht gebracht und der Politik des Kremls ihren Stempel aufgedrückt hatten. Von da an war klar, wer jetzt das Sagen hat. Wenn sogar ein Gigant wie Chodorkowski …. verurteilt und sein Unternehmen zerschlagen werden konnte, dann war keiner von ihnen mehr sicher. Um ihr Vermögen vor dem Zugriff des Kremls in Sicherheit zu bringen, erwiesen sie ihm Gefälligkeiten oder folgten seinen Befehlen. Anders gesagt, die ehemals mächtigen Oligarchen wurden gezwungen, dem Kreml einen Teil ihres Reichtums abzutreten. Einer von ihnen sagte mir: "Wenn der Kreml anruft und mich bittet, ein oder zwei Milliarden US-Dollar in ein Geschäft zu stecken, dann ist das keine Bitte, die man ablehnen könnte."

Heute scheinen diese Oligarchen als angestellte Manager des Kreml zu funktionieren - trotz ihres persönlichen Reichtums, trotz ihrer Jachten und Villen in aller Welt. All das ist fragil und hängt offensichtlich an Putins Wohlwollen. Der nutzt das Geld um sich global politische Verbündete zu kaufen und zur Destabilisierung der westlichen Demokratien. So bestehe laut Catherine Belton die Rolle Schröders  "…. darin, dass der Kreml ihn in der Hand hat". Auch wenn der Ex-Bundeskanzler das wohl anders sieht.

Es gruselt einen schon etwas beim lesen des Intervies - aber danach ist der Blick auf die Welt auch klarer. Es sind konkrete Menschen, die Strukturen organisieren, Möglichkeiten ergreifen oder nicht. Menschen mit ihrer persönlichen Geschichte in historischen Kulissen.und ihren darin gereiften Ideen, Skrupeln (so sie welche haben) und Eigenschaften. Schauen wir auf die Menschen ….