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"Das Licht, das erlosch": Das Versagen des Liberalismus in Osteuropa

Keno Verseck
Journalist

geb. 1967 in Rostock, freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa.

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Keno VerseckFreitag, 01.11.2019

Der bulgarische Politologe Ivan Krastev ist nicht der erste und bei weitem nicht der einzige, der gute Erklärungen für das weitgehende Scheitern des Liberalismus in Osteuropa hat. Aber er ist sicher einer derjenigen, der das mit großem Einfühlungsvermögen tut, und, ja, er ist ganz sicher auch derjenige, der das für die liberale westliche Föjetongelite, die von Osteuropa bisher so gar keine Ahnung hatte und sich auch nicht für diese Region interessierte, solange Orbán und Kaczyński nicht für Schlagzeilen sorgten (man verzeihe mir diesen kleinen Anfall von Maliziosität), am kompatibelsten und komestibelsten darstellt. Unabhängig davon schätze ich Gespräche mit Krastev sehr, vor allem auch, weil er immer wieder um Verständnis für jene Mehrheit der Menschen in osteuropäischen Ländern wirbt, die soziale Verlierer der Transformation waren. Oder immer noch sind. Zusammen mit dem Politik- und Rechtswissenschaftler Stephen Holmes hat Krastev jetzt das Buch geschrieben: "Das Licht, das erlosch. Eine Abrechnung", das in der kommenden Woche auch in Deutsch erscheinen wird. Es ist eine komplexe Analyse darüber, warum der Liberalismus in Osteuropa weitgehend versagte und warum Politiker wie Orbán und Kaczyński so erfolgreich werden konnten. Im Guardian ist vorab eine Art kurzes Kompilat des Buches erschienen. Krastev wäre nicht Krastev, wenn man das so einfach zusammenfassen könnte. Als Anreiz zum Lesen so viel:

Die ultimative Rache der mittel- und osteuropäischen Populisten gegen den westlichen Liberalismus besteht darin, die Idee der Nachahmung des Westens nicht nur abzulehnen, sondern umzukehren. Wir sind die wahren Europäer, behaupten Orbán und Kaczyński immer wieder, und wenn der Westen sich selbst retten will, muss er den Osten nachahmen. Wie Orbán in einer Rede im Juli 2017 sagte: "Vor 27 Jahren haben wir hier in Mitteleuropa geglaubt, dass Europa unsere Zukunft ist. Heute empfinden wir es so, dass wir die Zukunft Europas sind."

"Das Licht, das erlosch": Das Versagen des Liberalismus in Osteuropa

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 5 Jahren

    Aufschlussreich und überzeugend!
    Und noch ein Hinweis:
    Die Buchpremiere findet am 12. November in der Volksbühne statt.
    https://www.volksbuehn...

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 5 Jahren

    Ungarn Zukunft Europas? oje.
    Gerade jetzt 30 jahre nach dem Mauerfall und Ungarns positive Rolle dabei macht einem klar wie schlecht es in Osteuropa (zt) geworden ist. und nein, ich ziehe mir nicht den Schuh an dass wir im Westen uns für Osteuropa nicht interessiert hätten. Im gegenteil: 1989 galt doch für viele als der europäische ja globale Aus-/aufbruch in eine gerechtere demokratischere gemeinsame Zukunft. und ich kann auch die ...Tendenz nicht leiden, so zu tun als ob der Osten (ob Deutschlands oder europas) quasi reingefallen wäre auf Versprechungen (=wenn Ihr demokratisch werdet dann auch reich) - viele der heutigen Bosse im Osten haben entweder nie unter den Diktatoren gelitten oder waren selbst Profiteure gewesen.
    Das bekannte und sicher durchaus relevante Argument der Osten wäre eben antiliberal und undemokratisch sozialisiert, erklärt nicht alles: Deutschland 1949 hatte nun auch nicht gerade eine Phase der freisinnig demokratischen Erziehung hinter sich...
    Auch ist das Ganze nicht nur ein osteuropäisches Problem: wenn selbst klassische Ur-Länder des Westens USA und GB dem populistischen antiliberalen Mächten anheim fallen...

    1. Keno Verseck
      Keno Verseck · vor 5 Jahren

      Hallo Frau Gliem, vielen Dank für Ihren Beitrag. Krastev ist ganz sicher kein Anhänger von Orbán und Kaczyński, aber er kommentiert auch sehr wenig bzw. gar nicht (im Gegensatz zu mir :-)). Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass viele gut gebildete Menschen in westlichen Ländern, ich würde wagen zu sagen, die Mehrheit, bis heute wenig oder gar keine Ahnung von osteuropäischen Ländern haben, aber natürlich gilt das nicht für alle. Mit den "Bossen" im Osten, den korrupoten Oligarchen, oder man nenne sie, wie man will, haben Sie Recht. Die Mehrheit der Menschen ist aber in gewisser Weise "auf Versprechen" hereingefallen bzw. hat ein rosa Bild vom Westen gehabt. Die Enttäuschung kam dann irgendwann unvermeidlich. Was man "im Westen", glaube ich, wenig versteht, ist das Lebensgefühl von mehreren Generationen in osteuropäischen Ländern, die tagaus, tagein westliche Politiker erleben, die in ihre Länder kommen und, gebetsmühlenartig, immer wieder sagen, ja, ihr habt Fortschritte gemacht, aber ihr braucht noch mehr Reformen, um wirklich demokratisch und rechtsstaatlich zu werden, während sie gleichzeitig die häufige Doppelmoral der Regierungen dieser Politiker erleben mussten und "Reformen" darin bestanden, noch weniger zu verdienen, noch unsicherer zu leben, den Gürtel noch engerer zu schnallen. Dieses Lebensgefühl beuten Politiker wie Orbán und Kaczyński leider gnadenlos aus.

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