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Klima und Wandel

Wir befinden uns zwischen "Oops" und "F***"

Leonie Sontheimer
Freie Journalistin
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Leonie SontheimerSamstag, 06.08.2022

Hi, 

ich war ein bisschen im Urlaub und habe ein paar Bücher* und Texte gelesen und die Nachrichtenlage verfolgt und ich glaube, dieser Sommer könnte sich zu einem Momentum für den Klimaschutz und die Klimaanpassung entwickeln.

Einen Text, der zu diesem Gefühl von mir beiträgt, möchte ich hier empfehlen. Er wurde in meinem Twitter-Feed sehr oft geteilt. Es geht darin um die Frage, ob der totale Klima-Zusammenbruch (total climate meltdown) überhaupt noch zu verhindern ist. Anlass für den Text sind die aktuellen Extremwetterereignisse überall auf der Welt und die Veröffentlichung eines Buches von Bill McGuire, in dem der Vulkanologe und Geophysiker Tacheles schreibt:

The crucial point, he argues, is that there is now no chance of us avoiding a perilous, all-pervasive climate breakdown. We have passed the point of no return and can expect a future in which lethal heatwaves and temperatures in excess of 50C (120F) are common in the tropics; where summers at temperate latitudes will invariably be baking hot, and where our oceans are destined to become warm and acidic.

Laut dem Artikel steht in dem Buch von McGuire, was viele Klimawissenschaftler:innen wüssten und privat kommunizierten, aber nicht in der Öffentlichkeit. McGuire nennt das Beschwichtigung (climate appeasement) und glaubt, dass es die Dinge schlimmer mache: "The world needs to know how bad things are going to get before we can hope to start to tackle the crisis.” (Ich persönlich habe den Eindruck, dass einige Klimawissenschaftler:innen gerade sehr wohl genau das tun. Was denken Sie?)

Es gibt eine lustig gemeinte Grafik über die verschiedenen Stufen des Bewusstseins über die Klimakrise, die schon länger kursiert. Es fängt an mit "Den Klimawandel gibt es nicht", dann folgt ein langes "Es gibt ihn, aber wir wissen noch nicht, ob er menschengemacht ist", dann kommt ein "Oops" und direkt danach ein "Fuck". Gesamtgesellschaftlich stehen wir wahrscheinlich irgendwo im Oops. Und der Schluss liegt nahe, dass es von dort zum "Fuck" geht und wir aufgeben. Der doomism lauert überall, die Untergangsstimmung wird in meinen Familienchats eher noch ironisch verbreitet, aber sie ist schon da.

Aber genau so kann ein "Fuck" auch Kräfte freisetzen, die bisher verdrängt wurden. In all den Büchern*, die ich gerade gelesen habe, geht es im Kern darum – dass es jetzt darauf ankommt, zu handeln, aktiv zu werden, um das Schlimmste zu verhindern.

Auch der Artikel (und McGuire) kommt zu dem Schluss, dass der totale Zusammenbruch (der Zivilisation) noch abwendbar ist:

We may not be able to give climate breakdown the slip but we can head off further instalments that would appear as a climate cataclysm bad enough to threaten the very survival of human civilisation.

Mich würde interessieren, was ihr und Sie in diesem Sommer fühlt und wahrnehmt. Gibt es ein Momentum? Ändern sich die Dinge? Ändern Sie etwas? Ich freue mich über alle Kommentare!

* Bücher, die ich gelesen habe/lese und weiterempfehle:

  • "How to blow up a pipeline" von Andreas Malm (wobei der Titel, "Why blow up a pipeline" den Inhalt besser treffen würde)
  • "Klartext Klima" von Sara Schurmann
  • "Klimagefühle" von Lea Dohm und Mareike Schulze
  • Das Buch von McGuire heißt übrigens "Hothouse Earth" (und steht auf meiner Leseliste)
Wir befinden uns zwischen "Oops" und "F***"

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Kommentare 13
  1. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor 2 Jahren · bearbeitet vor 2 Jahren

    Meiner Meinung nach ist die wichtigste Initiative derzeit die europäische Klimagesetzgebung, hier insbesondere die Reform des EU-ETS und die Einführung des ETS 2, mit der ca. 80% der EU-Emissionen auf einen Nullemissionspfad gesetzt werden. Auch meiner Meinung nach ist dies die unterberichtetste Initiative des ganzen Komplexes. Hier arbeiten idealistische und kluge Frauen und Männer an einem haarigen (wegen der vielen Partikularinteressen), aber durchdachten und umfassenden Programm, das vielleicht zu langsam ist, aber immer noch schneller als Alles andere. Die Schwierigkeit dabei ist, dass dies von den meisten Medien nicht so gesehen oder überhaupt nicht gesehen wird. Der mediale Gesichtskreis enthält meist Deutschland, die USA, einige Einzelmeldungen aus den Nachbarländern und der Ukraine - und das war es dann auch. Hierfür brauchen wir aber konstante, tiefgehende Berichte über ein sich langsam entwickelndes kompliziertes Thema...
    Das angesprochene Problem der fehlenden Ansatzpunkte für uns Normalbürger ändert das natürlich nicht. Das ist so in einer hochorganisierten Gesellschaft - viele wichtige Dinge werden an den Spitzen entschieden.
    Ansonsten brauchen wir eine Mischung aus Klarheit und Pragmatismus. Klarheit will gewonnen und eben auch missioniert werden. Ich schreibe das jetzt hier bewusst so. Das ist schwierig, weil oft Selbstbehauptungsimpulse dagegen stehen ("ich lasse mir doch von denen nichts sagen" u.ä.).

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 2 Jahren

      Danke, ich gebe den Hinweis auch nochmal an Kolleg:innen weiter!

  2. Michael Praschma
    Michael Praschma · vor 2 Jahren

    Die Nachrichten, die bei mir landen, sind keine repräsentative Auswahl. Das vorweg. – Am ehesten wäre wohl noch diese Initiative afrikanischer Staaten zu nennen, einen Waldgürtel südlich der Sahelzone quer durch den Kontinent zu pflanzen. Als etwas in halbwegs großem Maßstab, das Hoffnung machen könnte, nämlich. Ich habe nicht nachgeschaut, aber ich vermute, dass zugleich mindestens dieselbe Fläche an Wald verbrennt. Ansonsten sehe ich nur – buchtäblich – Tropfen auf den heißen Stein. Ich bin also im Stillen bei "Fuck!".

    Bernd Ulrich, "Zeit"-Autor und seit fünf Jahren Veganer, fragt sich auch, was sein Beitrag überhaupt bewirkt. Sein Sohn hat ihm sinngemäß gesagt, mit dieser Frage könne man nicht leben (weil man es auch nicht zuverlässig beantworten kann); es käme darauf an, ob man der sei, der man sein wollte. Wer hier etwas Besseres weiß, der trete vor.

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 2 Jahren

      Schön, ja! Danke für den Kommentar :)

  3. Hartmut Bischoff
    Hartmut Bischoff · vor 2 Jahren

    Richtig ist: Kaum ein Thema ist präsenter, als der Klimawandel. Aber es gibt nur sehr wenige Anreize, selbst aktiv zu werden. "Die Regierung wird es schon richten", scheint mir die Devise zu sein. Klar: Gas sparen im Winter, aber auf die fossile Lebensweise verzichten? Niemals.

    Das passiert auf der individuellen Ebene. Übergeordnet sehe ich die neuen geopolitischen Konflikte als Konsequenz bereits knapper werdender Ressourcen. Der Verteilungwettkampf hat bereits begonnen. Er verschärft die Probleme eher und paralysiert Initiativen auf individueller Ebene.

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 2 Jahren

      Danke für die Einschätzung!

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre

      ah ich empfinde es kurioserweise genau anders herum: bei aller Wichtigkeit auch individuell selbst daran zu arbeiten ist es meiner Meinung nach endlich an der zeit, dass im großen Stil und somit auf Regierungs- und Staatsebene gehandelt wird.
      Der Staat muss es richten.
      Dafür ist er da - Daseinsvorsorge und Katastrophen-Schutz.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

      @Cornelia Gliem Der Staat in der Demokratie ist dazu da, den Willen der Mehrheit im Volk zu erfüllen. Richten kann er gar nichts. Das muß dann das Volk schon selber tun.

  4. Oliver Schnürer
    Oliver Schnürer · vor 2 Jahren

    Nach dem Vortrag https://youtu.be/Z_p9y... habe ich mich entschlossen, kein Fleisch mehr zu essen. Nicht, weil es mir nicht schmeckt, nicht, weil mir die Tiere so sehr leid tun (tun sie auch, aber ich verdränge das ebensogut wie das mit dem Klima bisher), sondern weil das ein Beitrag ist, den ich leisten kann - und der Vortrag gnadenlos aufzeigt, dass CO2-Reduktion vermutlich die einzige Chance ist, die wir - oder besser unsere Kinder - noch haben.

  5. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 2 Jahren

    Ein Momentum scheint mir zu sein, dass immer mehr Menschen aufgeben. In dem Sinne, dass sie ihre Aufmerksamkeit abziehen von dem Thema und sich zurückziehen auf eine mehr oder wenige hoffnungsvolle Vorstellung, wie der Mensch eben umgehen wird mit der Katastrophe.
    Verständlich, denn die eigene Machtlosigkeit ist erschlagend. Und die Angst der Einzelnen scheint mir tatsächlich keine Lösung. Einzelne fahren Fahrrad und verringern ihren Plastikmüll, aber den "Verfassungsstatus" und die 30 Milliarden mehr im Jahr bekommt die Rüstung.

    1. Leonie Sontheimer
      Leonie Sontheimer · vor 2 Jahren

      Danke für die Antwort!

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre · bearbeitet vor fast 2 Jahre

      nun Umweltschutz und "nachfolgende Generationen" (=und die Tiere) stehen auch im Grundgesetz.
      Aber ich verstehe die Resignation - auch weil wir vermutlich alle von einer Regierung mit grüner Beteiligung mehr erwartet haben.
      Andererseits erlebe ich viel AufbruchStimmung - die derzeit eher an teilen der Regierung abprallt.

      ironischer Weise hilft uns klinatechnisch ausgerechnet die Inflation und Gaskrise, die zwingt zum Sparen und alternativen Energien. und letzteres können selbst Konservative und FDP sowie Fossileenergie-Lobby kaum noch stoppen...

      ich warte allerdings immer noch darauf dass nicht nur Coronaleugner Pegida und Putinverstenende auf die Straße gehen - sondern endlich auch "wir" Klimamaßnahmen-Fordernde.
      was Ja derzeit im Grunde nur durch die Letzte Generation ansatzweise erfolgt, wenn auch verzweifelt und höchst umstritten.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 2 Jahre

      @Cornelia Gliem ich bin nicht so unzufrieden it den Grünen in der Regierung bis jetzt. schlecht ist die Kommunikation, aber ich habe schon den Eindruck, dass sie aus ihrer Position tun, was sie können...was eben gerade möglich ist. Aber klar - eh nicht genug. Hoffentlich werden sie noch stärker, hoffentlich geht irgendwer, irgendwann das Thema Lobby-Steuerung an.

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