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Kurator'in für: Feminismen Liebe, Sex und Wir Kopf und Körper
Theresa Lachner ist Journalistin, systemische Sexualberaterin und Gründerin des größten deutschsprachigen Sexblogs LVSTPRINZIP, sowie des gleichnamigen Podcasts und Buchs (Aufbau/Blumenbar 2019).
Sie schrieb u.a. für Business Punk, NEON, Spiegel Online, ZEIT sowie diverse Frauenzeitschriften und ist Chefredakteurin von SCHRIFT X, dem Magazin von Beate Uhse.
Als systemische Sexualberaterin arbeitet sie sowohl mit Menschen im Einzel- und Paarsetting, als auch mit Unternehmen und Marken von Krankenkasse über Werbeagentur bis Coffeeshop und Dokumentarfilm an einem befreiteren Umgang von Sexualität und Gesellschaft.
Sie mag Pragmatismus, Schnitzel und Eisbaden.
Warum finden wir sexy, was wir sexy finden? Und ist das wirklich sooo schlimm, wenn wir nun mal auf größere Männer/dünnere Frauen/Menschen einer bestimmten Ethnie abfahren?
Dawn Serra sagt: Ja, denn wir müssen uns immer als Teil eines großen Ganzen wahrnehmen. Wir alle sehnen uns nach Zugehörigkeit, und fast alles, was wir tun, hängt damit zusammen, wie andere uns wahrnehmen und in welchen Systemen wir uns bewegen. Deshalb fühlen sich viele unserer Präferenzen – egal, ob es um das Essen geht, mit dem wir aufgewachsen sind, oder die Körpertypen, die wir begehrenswert finden – persönlich an, dabei sind sie ein Ausdruck des Systems, in dem wir leben.
The things most of us believe to be universally attractive or desirable are largely impacted by the fact that we’ve been TOLD we’re supposed to find them attractive and desirable. That message is beaten into us from every possible angle throughout our lives. Why? Because dominant systems and those with the most power make the most profit when we are collectively chasing and valuing certain things. It helps them to continue to hoard power and money.
Besonders sichtbar werden diese Systeme und das Begehren in ein paar Gedankenspielen. Dawn Serra schlägt uns vor, uns vorzustellen, was wohl passieren würde, wenn Brad Pitt mit einer sehr dicken, großen Frau an seiner Seite zu den Oscars gehen würde. Wir alle wissen, was passiert. Aber warum?
The people we partner with and fuck can increase or decrease our masculinity/femininity, our validity, and our social status. (...) We know we’re being judged based on who we surround ourselves with, who we date, and who we fuck.
Quelle: Dawn Serra EN medium.com
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Ich dachte erst "Na lies das mal, was da wohl wieder für ein PC-Zeug stehen wird." aber es ist für mich ein sehr kluger Text, nicht schwarz-weiß gezeichnet, aufmerksam.
Das berührt das Thema der "normativen Kraft des Faktischen", wobei das Faktische hier eben nicht das physisch Faktische ist, sondern die Medienwelt, die Welt der sozialen Werte. Besonders das Beispiel, in dem sich Präferenz/Aversionsgefühle innerhalb von zwanzig Minuten durch Betrachten von Bilder verschieben ließen hat mich getroffen.
Mit manchem stimme ich nicht unbedingt überein, so etwa, dass die sexuelle Präferenz sehr vieler Männer für junge Frauen etwas mit deren vermuteter Kontrollierbarkeit zu tun hat. Ich sehe hier eher eine feste genetische Verdrahtung am Werk, aber das ist diskutierbar.
Ich musste auch ein bischen an Marx denken: "Die herrschenden Gedanken sind die Gedanken der Herrschenden." - hier angewandt auf sexuelle Präferenzen.
Was ich auch sehe ist ein Selbstverstärkungsmechanismus. Warum hat Hollywood dieses Stereotyp immer und immer wiederholt? Auch weil die Leute es sehen wollen, weil sie genau für diese Art von Filmen zahlen. Warum wolle die Leute das sehen? Weil es ihr Traum ist. Realität haben sie schon genug in ihrem eigenen Leben. Warum ist das ihr Traum? Weil sie diese Art Leute als reich und erfolgreich und mit interessanten Abenteuern versehen im Kino sehen. Ein Märchenland. Aber warum gerade dieses Märchen?
Es ist ähnlich wie mit der Werbung. Dort wird keinerlei Abweichung vom Stereotyp geduldet. Warum? Es geht um Geld. Aber warum folgt das Geld den Stereotypen?
Ihrem Plädoyer, nämlich zu versuchen, die gruppenbasierte Bewertung quasi zu subtrahieren und die eigene Erfahrung als solche zu erspüren, kann ich nur zustimmen - hier kann jede/jeder nur gewinnen.
Interessant ist, dass der Artikel die Frage aufwirft, ob wir ändern können, was uns anzieht, was wir attraktiv finden – ähnlich wie man beim Essen und Trinken Geschmäcker erwerben kann.
Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was passieren würde, wenn Brad Pitt mit einer großen, dicken Frau zu den Oscars gehen würde. Außer dass es in Medien viele solcher Diskussionen geben würde, und dann wäre es irgendwann nicht mehr so spannend, käme das nächste Thema vorbei. So wie bei Emmanuel Macron und seiner älteren Frau. Das war 2016/17 ja auch ein Aufreger, und jetzt interessieren die Medien doch eher für die Gelbwesten-Proteste.
Ich finde an dem Artikel total irritierend, wie die Autorin einerseits von Menschen als Individuen spricht und sie und ihr Begehren gleichzeitig aber auch wie reine Input-Output-Roboter anzusehen scheint, bei denen man nur an (meist medialen) Rädchen drehen muss, dann würde sich schon das aus ihrer Perspektive *gewünschte*, also nicht notwendigerweise *wahre* (ihr Wort) Begehrens-Resultat einstellen.
Klar, die relative nature/nurture Frage, auf die ja auch dieser Aspekt zurückgeht, hat niemand bisher sauber beantworten können. Aber ist es gerade deswegen nicht der notwendige Konsens für jede Kritik an der Phänomenologie von Begehrensstrukturen und Diskussionen über ihre soziale Konsequenzen, die subjektive Realität von Individuen zumindest als *echt*/embodied zu verstehen? Dass auch sozial konstruierte Realität subjektiv *echt* ist, und nicht weniger *wahr* als andere? Sonst muss man doch allen Menschen erklären, dass ihr Begehren nicht wirklich ihr Begehren ist, sondern - was eigentlich? Bzw. erstmal die Frage von Erkenntnisfähigkeit überhaupt stellen.
Andererseits ist er gerade deswegen erhellend, weil er diesen so merkwürdig selbstwidersprüchlichen Intersektionalismus-Individualismus aufzeigt, der einerseits die Freiheit zum Selbst-Sein feiert, aber andererseits diese Freiheit auch nur entlang bestimmter Kategorien als zulässig/gerecht erklärt, und zwar entlang genau der Kategorien, die orthogonal zu den Kategorien stehen, die als aktuell "machtvoll"/ungerecht beschrieben werden.
Das ist ein sehr wichtiges Thema, weil es natürlich so ist, dass Begehren soziale Konsequenzen hat, vielleicht gerade im Hinblick auf die erwähnte relative Statuspräferenz. Da hat die Autorin vollkommen Recht. Und es ist eines, das wirklich selten im Fokus steht, weil sich die wenigsten dem Ursprung ihres Begehrens stellen wollen oder können - das ist ja nichts, was man mal so eben nebenher macht. Insofern ist es gut, dass der Artikel darauf aufmerksam macht. Ich wünschte mir nur, die Autorin hätte nicht nur die Strukturverhaftetheit von Begehren sondern auch der von ihr selbst verwendeten Argumentationsstruktur etwas kritischer betrachtet.
Danke für den Link!