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Volk und Wirtschaft

Überleben und Untergang von Zivilisationen - damals wie heute?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 21.09.2024

Eric H. Cline ist ein amerikanischer Archäologe und Historiker. Er ist ausgewiesener Spezialist für die Bronzezeit in der Levante, also die griechische Halbinsel und die griechischen Inseln in der Ägäis, die mediterranen Küstengebiete der Türkei, Zypern, der Libanon, Palästina, das historische Syrien und Ägypten. Bekannt geworden ist er 2014 mit seinem populärwissenschaftlichen Buch "1177 v. Chr. - Der erste Untergang der Zivilisation". Das Buch behandelt das östliche Mittelmeer im 12. Jahrhundert vor Christus: 

Städte brennen, Reiche gehen unter, Völkerschaften verschwinden. Fast alle antiken Kulturen zwischen Ägäis und Persischem Golf stecken in der Krise. Die späte Bronzezeit geht zu Ende, und Gewaltkonflikte erschüttern die Region. Eine Zeitenwende, die deutliche Spuren in den Überlieferungen hinterlässt.

Die Frage, können wir aus dem Zusammenbruch einer hoch entwickelten Zivilisation vor mehr als 3000 Jahren für unsere Zeit Schlüsse ziehen? Cline's erstes Buch entstand in den Jahren 2008 bis 2013, die durch Klimawandel und Waldbrände, sowie durch die Finanzkrise der Wall Street 2008 geprägt waren. Im Vorwort dieses Buches schreibt Cline direkt:

Die griechische Wirtschaft ist am Ende. In Libyen, Syrien und Ägypten ist es zu revolutionsartigen Aufständen gekommen, fremde Mächte und ausländische Soldaten gießen Öl ins Feuer. Die Türkei befürchtet, in die Konflikte mit hineingezogen zu werden. Jordanien ist überfüllt mit Flüchtlingen. Der Iran wetzt die Messer und übt sich in Drohgebärden, während es auch im Irak drunter und drüber geht. Sie glauben, dies seien ein paar Schlagzeilen aus den aktuellen Nachrichten? Das stimmt zwar. Aber genauso war die Situation bereits vor mehr als 3000 Jahren, im Jahr 1177 v. Chr., als die Zivilisationen der Bronzezeit rund um das Mittelmeer nacheinander zusammenbrachen und den Lauf der Geschichte für immer veränderten.

Mir sind solche direkten Parallelen immer etwas suspekt. Das Buch macht allerdings nachdenklich. Gerade weil es zeigt, das nicht eine Ursache allein all diese gut vernetzten Gesellschaften zu Fall brachte. Wie die Rezension in H-Soz-Kult zusammenfasst, war es (wie heute) eine Multikrise:

Erdbeben, Klimawandel mit Dürre und Hungersnöten, Aufstände, Invasoren, die den lebensnotwendigen Fernhandel zum Erliegen brachten, private Fernhändler, welche die zentralisierten Palastwirtschaften aushebelten, und eben die sogenannten Seevölker. In Bezug auf die wieder verstärkt geführte Diskussion über die Auswirkungen des Klimas auf Gesellschaften hält Cline zu Recht fest, „dass es in dieser Region im Laufe der Geschichte ziemlich oft zu Zeiten der Dürre kam und dass sie meistens nicht zum Zusammenbruch einer ganzen Zivilisation führten“. Hinsichtlich der „Seevölker“ folgt er der momentan populären Forschungsmeinung, dass es sich bei ihnen um mehr oder weniger friedliche Migranten handelte, die als Flüchtlinge selbst Opfer des Kollapses waren, ….. 
Damals (wie heute) handelte es sich also um komplexe, interagierende Gesellschaften und Handelsnetzwerke, die multiplen Störungen und Stressfaktoren ausgesetzt waren. Bis irgendwann die grundlegenden Lieferketten rissen und dadurch die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zum Zusammenbruch der Wirtschaften dieses „goldenen Zeitalters“ führte. Der Prozess dauerte allerdings viele Jahrzehnte, das Jahr 1177 v.Chr. ist daher nur eine Metapher.

Nun legt Cline mit einem sich thematisch anschließenden Buch nach:  „Nach 1177 v. Chr.: Wie Zivilisationen überleben“. Dem widmet die WELT in dem von mir empfohlenen Artikel (der leider hinter der Bezahlschranke liegt) ein Interview mit dem Autor. Offensichtlich rückt Cline von seinem Untergangsszenario im ersten Buch etwas ab und betont den historischen Prozess des Wandels. Oder auch, wie aus dem Chaos eine neue Ordnung entsteht. Gesellschaften also überleben. Und er hat sicher recht, wenn er sagt:
Nun zu glauben, dass wir nicht untergehen werden, weil wir „too big to fail“ wären, zu groß, um zu scheitern, könnte sich als zu überheblich erweisen. Tatsächlich sind alle Zivilisationen der Menschheitsgeschichte untergegangen oder haben sich in etwas völlig anderes verwandelt. Das war zum Beispiel beim römischen Reich der Fall, das zwar zusammenbrach, im Orient aber als byzantinisches Reich noch gut tausend Jahre weiterexistierte. Meiner Meinung nach ist die Frage also nicht, ob unsere Zivilisation untergehen wird, sondern wann. Und was wir dagegen tun können.
Cline zeigt etwa, wie der internationale Handel und die gegenseitigen Verbindungen der Gesellschaften in der Bronzezeit möglicherweise ihren Untergang beschleunigt haben. Was auch bedeutet, dass Netzwerke, die für eine Wohlstandsgesellschaft Voraussetzung sind, wenn sie in Krisenzeiten zerreißen, den Zusammenbruch beschleunigen können. 
In der Bronzezeit haben internationale Beziehungen und der Handel dazu beigetragen, die miteinander verbundenen Gesellschaften – der Assyrer, Babylonier, Mykener und anderen – voranzubringen. Als es dann jedoch zu kriseln begann, gab es Probleme in der Versorgungskette, bei Getreide, Zinn und Kupfer. Die Material-Knappheit trug dann dazu bei, die Situation selbst zu verschlimmern, da die einzelnen Gesellschaften zu sehr davon abhängig waren: Nur die Ägypter hatten Gold, die Zyprer fast ein Monopol auf Kupfer und die Mykener auf Silber.

Wen dass nicht an unsere Gegenwart erinnert, dem ist schwer zu helfen. Und die Geschichte zeigt auch, die Völker reagierten sehr unterschiedlich. Am besten überlebten die Innovativen.

Die Phönizier und Zyprer gehören tatsächlich zu denjenigen, die sich am besten geschlagen haben. Sie konnten schnell reagieren, weil sie fähig waren, zu erfinden und zu gestalten. So haben die Phönizier ihr Alphabet standardisiert und anschließend im ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Sie entwickelten außerdem das Tyros-Purpur, das dann zu einem luxuriösen Farbstoff wurde. Sie haben ihre Produktion standardisiert und dann ebenfalls überall im Mittelmeerraum verbreitet.

Die Zyprer übernahmen die führende Rolle in der Eisenproduktion und dem Handel mit Eisenwaren. Sie bahnten den Weg in das Eisenzeitalter. Der Erfolg der Innovativen hing natürlich auch damit zusammen, das die anderen und ihre Handelsflotten zusammenbrachen. 

Es stellt sich die Frage, ob der Westen und seine Demokratien im Fall des Falles, als Ganzes oder in Teilen zu den Innovativen gehören würde?

Eine anschauliche Videodokumentation zum Thema findet man man in der ZDF-Mediathek:

Einen interessanten Einblick in die Peripherie der damaligen Zeit und  die offensichtliche Bedeutung der Lieferketten auch für weit entfernte Regionen wie Nordeuropa zeigt diese Arte-Doku:

Die Zeit zwischen 3300 und 1200 vor Christus brachte große Fortschritte in Siedlungsbau, Landwirtschaft und Technik. Im Mittelmeerraum entstanden in Mykene, Ägypten und Anatolien mächtige Kulturen, die durch Handel, Diplomatie und Krieg zu Wohlstand gelangten. Im Gegensatz dazu galt Nordeuropa als weniger entwickelt und friedlich. Die Entdeckung, dass hier eine große Schlacht stattfand, sowie die Überreste einer Brücke, die auf eine wichtige Handelsroute hindeuten, könnten ein neues Licht auf die Entwicklung der Region werfen.




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