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Literatur

Schreiben im Steinbruch der eigenen Biographie - Christoph Hein

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMontag, 08.04.2024

Herzlichen Glückwunsch! Wenn Christoph Hein heute seinen 80. Geburtstag feiert, sieht er auf ein umfangreiches, vielgestaltiges Werk vom Theaterstück bis zum Roman, vom Essay bis zum Lied, von der Erzählung bis zum Hörspiel.

Oft liest man, er wäre ein "Chronist ohne Botschaft"; das stimmt nur im Shakespeareschen Sinn, der seinen Hamlet sagen lässt, die Kunst sei "the abstract and brief chronicles of the time". Ohne Verdichtung gibt es keine Literatur. Dazu kommt:

Ich versuche, mich nie zu wiederholen und künstlerisch immer etwas Neues zu machen. Insofern kann ich mich sehr gut mit einem Studenten-Graffito anfreunden: »Kunst ist, was man nicht kann. Denn wenn man es kann, ist es ja keine Kunst.«

So Christoph Hein im Gespräch mit Ralph Schock.

Man versucht das Unmögliche, im Unterschied zum Handwerk. In der Kunst ist nichts langweiliger als das, was es schon mal gegeben hat. Die Grenzüberschreitung ist entscheidend. Alles andere ist Makulatur, das kann durchaus erfolgreich sein, ist meistens auch viel erfolgreicher als das wirklich Neue, weil das Neue eher verstört. Aber wirkliche Kunst ist nur das, was noch nicht da war.

Der Beitrag aus SINN UND FORM ist die zweite Kooperation zwischen der legendären Literaturzeitschrift und Forum/Piqd. Hier der erste Pick von Stefan Hertmans mit viel Hintergrund zu dieser außergewöhnlichen Publikation.

SINN UND FORM schaltete den Beitrag für uns frei.

Christoph Hein ist ein vielgelesener Autor, aber er ist noch nicht als der klassische Schriftsteller anerkannt, der er ist. Obwohl er den Blick von unten wie einst Georg Büchner hat, erhielt er den nach diesem benannten höchsten deutschen Literaturpreis noch nicht. Das sieht man selbst dann deutlich, wenn er antike Mythen nicht bildungsbürgerlich, sondern erdig interpretiert, etwa in Vor der Zeit. Korrekturen.

Zum Geburtstag publiziert Suhrkamp eine Jubiläumsedition. Ergänzend sei der Roman Trutz empfohlen, über den Carsten Otte im Jahre 2017 in der taz schrieb:

Dieser Roman ist ein literarisches Bollwerk wider das Vergessen, ein brillant aufgefächertes historisches Panorama, das die Widerwärtigkeiten der diktatorischen Systeme im Europa des 20. Jahrhunderts mit nahezu juristisch-präziser Erzählkunst anklagt. Im literarischen Raum der Erinnerung gibt es zum Glück keine Verjährung. Dieser Roman sollte Pflichtlektüre in Schulen und so zu einer Flaschenpost der Aufklärung werden, die umso nötiger erscheint, da wir noch immer unter den Folgen von Faschismus und Stalinismus zu leiden haben und deren skrupellose Erben auch weiterhin an der Vernichtung des Humanen arbeiten.

Das ist lange vor der Ausweitung der Kriegszone im Jahre 2022 geschrieben. Über den Krieg in und um die Ukraine sowie den gesellschaftlichen Verwerfungen in unseren Land spricht Christoph Hein befragt im Tagesspiegel von Robert Ide:

Wie viel Sowjetunion steckt noch in Russland?


Der Zusammenbruch großer Reiche kann Jahrhunderte prägen. Der Zerfall des Römischen Reiches reichte laut Umberto Eco bis ins österreichische Kaiserreich des 19. Jahrhunderts. Das heutige Russland definiert sich über den Verlust der Sowjetunion als Weltmacht. Aus altem Großmachtdenken hat Putin diesen fürchterlichen Krieg gegen die Ukraine begonnen…

… der uns lange beschäftigen wird?

Die Massaker aufzuarbeiten, wird Jahrzehnte dauern. Wann und wie immer dieser Krieg zu Ende geht, in den Köpfen, in der Erinnerung, wird er bleiben.

Hier noch eine Aufzeichnung einer Jubiläumsveranstaltung im Literaturforum im Brecht-Haus mit Carmen-Maja Antoni, Holger Teschke und Wenzel, der etliche Lieder von Hein vertonte. Hier geht's zur CD-Edition. Und seine Anmerkungen zum nahen Freund.

Am kommenden Sonntag gibt es noch eine Veranstaltung mit Christoph Hein und Weggefährten.

Schreiben im Steinbruch der eigenen Biographie - Christoph Hein

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