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Klima und Wandel

Lässt sich das System der freiwilligen CO2-Zertifikate retten?

Ralph Diermann
Energiejournalist

Strom, Wärme und Mobilität – das sind meine Themen. Ich arbeite seit 2008 als freier Energiejournalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, für Riffreporter sowie für einige Fachzeitschriften.

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Ralph DiermannMontag, 06.02.2023

Die ZEIT, der Guardian und die britische Investigativ-Plattform SourceMaterial haben neulich in einer gemeinsamen Recherche (dazu ein piq) offengelegt, dass ein sehr großer Teil der freiwilligen CO2-Zertifikate mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Emissionsminderung gegenübersteht. Diese Zertifikate werden häufig von Unternehmen genutzt, die klimaneutral werden wollen. Sie gleichen damit Emissionen aus, die sie selbst nicht vermeiden können – oder wollen. Die Unternehmen zahlen dafür, dass andernorts Emissionen vermieden werden oder aber CO2 aus der Atmosphäre entfernt wird.

Ist das Konzept der freiwilligen CO2-Zertifikate damit gescheitert? Nicht zwangsläufig, argumentiert SZ-Redakteur Christoph von Eichhorn in einem längeren Beitrag – das System müsse aber grundlegend reformiert werden. Als einen zentralen Ansatzpunkt nennt er die Praxis, Zertifikate für Projekte auszustellen, die darauf zielen, das Abholzen von Wäldern zu vermeiden. Hier arbeiten die Unternehmen, die Zertifikate ausgeben, mit Annahmen, wann der Wald ohne solche Projekte abgeholzt würde. Das ist aber oft hochgradig unsicher. So fließt hier Geld in Maßnahmen, bei denen überhaupt nicht klar ist, ob sie überhaupt benötigt werden. Der deutsche Anbieter Atmosfair verzichtet deshalb ganz auf solche Zertifikate. Ein anderer Vertreter der Branche hält allerdings dagegen, dass Satellitenaufnahmen sehr wohl zeigen, dass sich auf diese Weise Kahlschlag verhindern lässt.

Ein weiter heikler Punkt ist die „Zusätzlichkeit“ der finanzierten Maßnahmen: Sie kompensieren nur dann CO2-Emissionen der Zertifikatskäufer, wenn sie ohne diese Mittel nicht durchgeführt worden wären. Problematisch sind vor allem Zertifikate für die Installation von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Die Kosten gerade von Solarsystemen sind nämlich so stark gesunken, dass sie auch ohne „Zuschuss“ durch die Zertifikate wirtschaftlich sind. Mehr Ambitionen, fordert hier von Eichhorn.

Auch müssten die Regeln für zwischenstaatliche Kompensationsgeschäfte klarer gestaltet werden. Länder wie die Schweiz zum Beispiel kaufen bei Entwicklungsländern Zertifikate ein, um dem eigenen Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen. Das liegt quer zum Pariser Abkommen, da es alle Staaten verpflichtet, ihre Emissionen zu reduzieren. Mit deren „Verkauf“ droht, dass die Minderung quasi doppelt verbucht wird.

Und: Die Zertifikate müssen viel, viel teurer werden. Heute kosten sie zwischen drei und fünf Euro. Sie müssten aber mindestens zehn Mal so teuer sein, um echte Emissionsminderungen auszulösen, schreibt von Eichhorn mit Bezug auf eine britische Studie.

Lässt sich das System der freiwilligen CO2-Zertifikate retten?

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