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KRRRCH – Feature über die Lust am musikalischen Krachmachen

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerSonntag, 15.01.2023

Allem Schönen muss etwas gegenüberstehen. Etwas "Hässliches" möchte ich nicht sagen, denn wir lieben es, das Dreckige, das Kratzende, die Reibung, die entsteht und unsere Nerven strapaziert. Genauso ist es beim Sound. Verzerrte Gitarren, disharmonische Klänge, das Strapazieren der Stimmbänder bis zum Äußersten.

"Eine spezielle Qualität von Sound, eben nicht schön und rein, sondern energetisch, extrem, verzogen. Irgendwo zwischen Klang und Geräusch. Das Gegenteil von perfekt. Vielleicht Krach oder Noise. Aber eher die Essenz von Krach. Etwas, das einen fühlen lässt wie ('Oooooah yes!') Es reicht von hoch, schrill und nervenzerfetzend (Sample) bis tief und mächtig (Sample). Es ist mindestens so alt wie die ersten Aufnahmen von Musik. Es ist eine essenzielle Qualität im Pop. Aber nicht nur da. Im Gegensatz zu tonalen, harmonischen und rhythmischen Phänomenen ist für diese Qualität nie wirklich eine Sprache oder Schrift entwickelt worden. Man behilft sich mit Vokalisationen. ('... Der 'Oomph' muss vor dem 'Peng' kommen, damit das 'Peng' richtig knallt!')"

In seinem Feature "KRRRCH – Looking for the Heart of Noise" beschäftigt sich Henrik von Holtum mit dem Sound der Extreme, mit seiner Geschichte, mit den Musikstilen und Soundtechniken, die ihn in unser Leben gebracht haben und lässt Expert*innen zu Wort kommen, die detaillierte Einblicke geben in die Kunst der wohltuenden Verzerrung von Klang.

"Die Lippen werden so hochgezogen, ich kann da gar nichts gegen machen. Auf jeden Fall kann man geilen Krach machen! Das kitzelt bei mir so ein Gefühl der Befriedigung irgendwie."

Von Holtum fängt auch philosophische Töne zum Thema ein, gibt Anregungen, warum wir den Krach so lieben und was er uns im Leben an Bereicherung bringt.

" 'Es gibt zum Beispiel so Einschlafhilfen, die dann einfach White Noise gespielt haben. Oder so Meeresrauschen-Samples, und das ist ja im Prinzip schon auch vergleichbar mit so Harsh-Noise-Klängen, was das Frequenzspektrum angeht. Du musst dich nicht auf ne Melodie konzentrieren, du musst dich nicht auf nen Rhythmus konzentrieren, das ist bei Harsh-Noise-Musik besonders so, weil du einfach auch die Kontrolle und deine Aufmerksamkeit ablegen kannst. Also ich denk dann halt an diese Trainspotting-Szene, wo Mark Ranton irgendwie im Heroinrausch in den Teppich sinkt. (Sound) Eigentlich ist dieses Rauschen, das Gefühl des Rausches sowie das Meeresrauschen oder das verhallte Gefühl in einer Kirche nicht ganz unähnlich zu Noise und zu Verzerrung. Es ist ne Überlastung unseres Ohres, wo wir die Richtung, die Orientierung verlieren. Und das sind angenehme Gefühle. Das heißt, in einer Zeit, wo ich richtungslos bin ...'- '... wenn ich fassungslos bin, dann raisonniere ich in einem Feld, über das ich keine Kontrolle habe. Das heißt, dieser Kontrollverlust wird sich definitiv in einer Weite des Raumes abbilden, in einer Unendlichkeit mit einem melancholischen Beiklang. Gleichzeitig wird es irgendwelche Dissonanzen geben, weil es ist ja zugleich dieses Verlorensein da ...' "

Ein wunderbares Feature, insbesondere für Musikinteressierte, das ein wenig den musikalischen Horizont erweitert – möglicherweise auch jenseits der eigenen Wohlfühlklangoase.

" 'Es gibt 1000 Gründe, etwas zu finden, was nicht harmonisch ist, um es dem Harmonischen entgegenzustellen. Man braucht nur ein ganz kleines bisschen Weltschmerz, um irgendwie im jugendlichen Alter auf die Idee zu kommen, dass man irgendwelche Formen von Gegengötter oder - göttinnen braucht.' - 'Das hat ja im Grunde genommen mit Wut zu tun. Wut entsteht aber nicht unbedingt mit nem Gegner. Der Schrecken der Welt ist auch ein Teil, über den man ziemlich wütend sein kann. Man kann ja sehr wütend darüber sein, was Menschen sich gegenseitig antun, und das irgendwo hinzustecken, fand ich schon als Kind... früher war die Gitarre ja mein Schwert, und das hat nicht nur was mit Aggressivität zu tun oder Wut, sondern auch, um sich zu schützen.' "


KRRRCH – Feature über die Lust am musikalischen Krachmachen

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