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Israel: Haben es die Protestierenden geschafft?

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
Zum Kurator'innen-Profil
Theresa BäuerleinDienstag, 28.03.2023

Nach den größten Protesten in der Geschichte Israels hat der rechte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun angekündigt, dass er die umstrittene Justizreform verschieben will – bis mindestens Ende April. Aber was bedeutet das?

Schon zweimal habe ich hier seid Anfang des Jahres darauf hingewiesen, was gerade in Israel los ist: auf die Pläne der rechts-religiösen regierenden Politiker:innen, die der fünften in vier Jahren gewählten Regierung angehören. Und auf die Justizreform, die diese Regierung plant und die laut Expert:innen die Demokratie in Israel schwächen würde. Sie sieht vor, dass die Regierung größeren Einfluss auf den Obersten Gerichtshof des Landes nehmen könnte. Diese Reform wurde unterstützt von extremistischen Politiker:innen wie Itamar Ben-Gvir, aktuell Minister für nationale Sicherheit – einem Mann, der in mindestens acht Fällen verurteilt wurde, unter anderem wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. 

Das Beispiel Israel zeigt, wie zerbrechlich Rechtsstaaten sind. Gerade erst hat laut Berliner Zeitung ein hochrangiger Politiker Polens eingeräumt,

dass sich Israel wegen der Proteste gegen die angestrebten Änderungen in der Justiz an Polen gewandt hat. Gegenüber dem polnischen Radiosender RMF24 sagte der stellvertretende Außenminister Polens, Paweł Jabłoński: „Natürlich sind wir mit Israel im Gespräch, und teilweise haben wir diesbezüglich unsere Erfahrungen ausgetauscht. Die israelische Seite selbst hat uns danach gefragt (…)

Hunderttausende gehen in Israel seit Monaten jede Woche gegen die Pläne der Regierung auf die Straße. Ein Protestruf der Demonstrierenden, die in Israel seit Monaten jede Woche auf die Straße gehen, ist aktuell: „Hier ist nicht Polen!“ bzw. „Hier ist nicht Ungarn!“ Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Laut Medienberichten und den Veranstalter:innen demonstrierten zuletzt 630.000 Menschen, allein in Tel Aviv sollen es knapp 200.000 gewesen sein. Um das ins Verhältnis zu setzen: In Israel leben etwa 9,3 Millionen Menschen.

Zuletzt schaukelten sich die Ereignisse hoch: Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant wurde rausgeschmissen, nachdem er Sorge darüber geäußert hatte, dass wegen der Reform immer mehr Soldat:innen den Dienst verweigerten. Israels Gewerkschaften traten in den Generalstreik. Der internationale Flughafen Ben Gurion machte zu. Die Universitäten und der öffentliche Dienst schlossen sich dem Streik an.  Gestern Abend kündigte Netanjahu dann an, die Justizreform zu verschieben. 

Die Frage ist nun: Haben die Protestierenden es geschafft – und Netanjahu die Staatskrise abgewendet? 

Seit Jahrzehnten werden "Traditionalisten" [...], die vielleicht ein Drittel des Landes ausmachen – Menschen, die zwar vage säkular sind, aber gewohnt sind, der rabbinischen Orthodoxie zu frönen (aus politischem Opportunismus, aus dem Wunsch nach Einheit oder aus Verbeugung vor ihrem Anspruch auf Authentizität) –, vor die Wahl gestellt: eine israelische Demokratie mit hebräischem Nationalcharakter oder ein religiöser jüdischer Staat mit demokratischen Zügen. Netanjahus Knesset-"Bande" ist "korrupt, gewalttätig, messianisch und düster", sagte der politische Satiriker Lior Schleien im Februar auf einer Massenkundgebung in Tel Aviv. "Kompromisse, Herr Präsident?", fragte er. "Bei der Demokratie ist es unmöglich, Kompromisse zu machen." 

Schleien wurde in eine vergleichsweise ruhige und urbane Welt in Israel hineingeboren, im Gegensatz zu den Gründern des Staates und anderen, die in verschiedenen Kriegen für sein Überleben gekämpft hatten. Er sagte: "Dies ist der Krieg unserer [Generation], unser Schutz, unsere Verantwortung."

 (Eine übersichtliche Timeline der Proteste mit Bildern gibt es bei der Süddeutschen Zeitung.) 

Israel: Haben es die Protestierenden geschafft?

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