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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Zum Tod eines Archäologen der Zukunft

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergDienstag, 24.09.2024

Es ist verblüffend: Das ist der erste Pick von und mit Fredric Jameson. Am Tag der Wahl in Brandenburg starb einer der großen Denker unserer Epoche im weit entfernten Killingworth, Connecticut. Das nimmt Georg Diez zum Anlass seines weit ausholenden Nachrufs in der ZEIT.

Wenn man zwei Tage nach der Landtagswahl in Brandenburg über den Tod des großen Literaturkritikers, Theoretikers und Marxisten Fredric Jameson nachdenkt, der am Sonntag im Alter von 90 Jahren gestorben ist, dann treten einige wichtige Widersprüche und Entwicklungen unserer Zeit noch einmal geschärft hervor. Denn das war und bleibt der Jameson-Effekt: Die Gegenwart gewinnt an Klarheit, wenn man sie in Verbindung mit Geschichte und eingebettet in Theorie betrachtet.

Der Autor arbeitet klar heraus, Jameson kritisiert nicht die postmoderne Philosophie an sich, sondern die Verhältnisse, aus denen sie entstanden ist:

Don’t shoot the messenger. Jamesons Kritik ist die des wirtschaftlichen Systems mit seinen Produktionsbedingungen, seiner Ausbeutung und Ungleichheit.

Der Marktextremismus, der sich nach der ersten Realisierung in Chile nach einem Militärputsch 1973, in den 1980ern durch Margaret Thatcher und Ronald Reagan als "Neoliberalismus" auch im Westen etablierte, wird bei Jameson mit einer Krise und einem Knick in der Entwicklung der Produktivität verbunden. 

Die Neoliberalen hatten und haben im Grunde keine konstruktive, nur eine autoritäre Antwort auf das 21. Jahrhundert und die Technologie-Sprünge dieser Zeit. Damit hatte auch der Neoliberalismus seine Epoche – und mit Fredric Jameson kann man fragen, in welcher Phase des Kapitalismus wir heute eigentlich leben?

Jameson – und das macht seine Texte und Bücher so ungeheuer – verhandelt diese Fragen nicht abstrakt, sondern ästhetisch.

Auch Robert Misik vertieft diesen Glutkern im Denken von Fredric Jameson in der taz:

Sein einflussreichstes Opus magnum war „Postmodernism. Or, The Cultural Logic of Late Capitalism“ aus dem Jahr 1991.

Beklagt die linke Theorie bisweilen, dass die Kultur ökonomisiert wird, zeigte Jameson schon vor bald 35 Jahren, dass das Gegenteil genauso wahr ist: dass die Ökonomie vollständig kulturalisiert wird. 

„Das Kulturelle und das Ökonomische kollabieren gleichsam ineinander und bedeuten dasselbe.“

 Wirklich alles – wirtschaftliche Werte, die Natur, unsere Gefühle – verwandeln sich in Bilder, Images, und werden „kulturell in einem noch recht untheoretischen Sinn“.

(taz.die tageszeitung vom 25.09.2024, Seite 15 / Kultur - berichtigung

Fredric Jamesons Gedanken wurden oft von anderen aufgegriffen und popularisiert, hieß es gestern. Wohl wahr – wer weiß etwa, dass das berühmte Diktum, die Menschen könnten sich eher das Ende der Welt als das Ende des Kapitalismus vorstellen, auch von ihm stammt? Und nicht von Žižek.)

Wer Lust hat, Fredric Jameson zu lesen. Das Buch "Postmodernism, or The Cultural Logic of Late Capitalism" basiert auf einem gleichnahmigen Aufsatz aus dem Jahr 1984, den man als PDF in vielen Universitätsbibliotheken herunterladen kann: hier ist er. Er endet mit einem durchaus positiven Schluss, denn ein Zurück in eine nicht zusammenhängende Welt ist nicht mehr möglich:

Die politische Form der Postmoderne, wenn es sie denn je geben wird, hat als Aufgabe die Erfindung und Projektion einer globalen kognitiven Kartierung, sowohl auf sozialer wie auch im räumlichen Maßstab.

Die London Review of Books, in der etliche Beiträge von Fredric Jameson regelmäßig erschienen, schaltete nun einige frei.

In einem großen Bogen schließt Georg Diaz die Verbindung zwischen der Wahl in Brandenburg, rückwärtsgewandter Politiker in vielen Ländern und dem Tod des geschichtsversessenen Fredric Jameson:

In Trump, könnte man sagen, wird die Nostalgie aggressiv. Und hier schließt sich auch der Kreis zu Brandenburg und der AfD, und auch zur Schwäche und Sprachlosigkeit der Parteien, die eigentlich die Demokratie verteidigen sollten, indem sie Antworten auf eben die Fragen zu finden versuchen, die Jameson benennt. Aber die Geschichtslosigkeit des eigenen Tuns, die fehlende Kontextualisierung der eigenen Politik führt zu jenem Verlust an Tiefe oder, anders gesagt, an Affekt und Wirkung, die Jameson eigentlich für eine andere Zeit beschreibt.

Gestern & Heute: Zum Tod eines Archäologen der Zukunft

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Kommentare 1
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

    "Die Gegenwart gewinnt an Klarheit, wenn man sie in Verbindung mit Geschichte und eingebettet in Theorie betrachtet." So ist dieser Satz einfach falsch. Gerade wenn ich sehe, wie wenig die auf ihre Geschichtskenntnisse und Theorien so stolzen Linken aus ihrer Vergangenheit gelernt haben. Also, man muß sie schon richtig betrachten und lernen, auch seine Abstraktionen und Begriffe immer kritisch prüfen ….. Was auch im Marx'schen Sinne wäre. An allem ist zu zweifeln, sogar an den eigenen Ideen ab und zu.

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